Knapp 80.000 Menschen sind in Österreich von den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn und Colitis ulcerosa betroffen. Ursächlich werden neben einem genetischen Risiko vor allem Umweltfaktoren (z. B. Nahrungsbestandteile) diskutiert, die eine überschießenden Aktivierung des Immunsystems triggern und so die klassischen Symptome hervorrufen. Diese chronischen und fortschreitenden Erkrankungen können bisher nicht geheilt werden, eine symptombezogene immunsuppressive Therapie steht im Zentrum der Behandlung von betroffenen Patient:innen. Rezent zugelassene neue Substanzen und Substanzklassen erweiterten das Repertoire von antientzündlichen Medikamenten und bieten neue Therapiemöglichkeiten.
Alarmsymptome für eine CED (die noch nicht bekannt ist) und bei denen eine Zuweisung an einen Facharzt/eine Fachärztin für Gastroenterologie erfolgen sollte sind:
Bei einer CED wird zwischen milder bis moderater und moderater bis schwerer Krankheitsaktivität unterschieden. Diese wird mit klinischen Indices bestimmt (z. B. Harvey Bradshaw Index) und anhand biochemischer Parameter im Blut (CRP) und Stuhl (Calprotectin) und gegebenenfalls mittels Endoskopie und Histologie erhoben. Grundstein für die Behandlung eines milden bis moderaten Schubs einer Colitis ulcerosa sind 5-ASA-Präparate (z. B. Mesalazin), für den milden bis moderaten Schub eines Morbus Crohn lokal wirksame Kortikosteroide (z. B. Budesonid). Ein moderater bis schwerer Schub soll mit systemisch wirksamen Kortikosteroiden (maximal für 8 Wochen) behandelt werden, und die Evaluation für eine Biologika-Therapie durch einen Facharzt/eine Fachärztin für Gastroenterologie erfolgen. In der Induktions- und Remissionstherapie von moderat bis schwer verlaufenden CED werden in erster Linie Anti-TNF, Anti-Integrin (darmselektiv) und Anti-IL-12/23-Antikörper angewendet, da sie ein gut untersuchtes Nutzen-Sicherheit-Profil aufweisen.
Die Behandlungsmöglichkeit von Colitis ulcerosa wurden zuletzt durch mehrere Moleküle aus der Gruppe der Januskinase-(JAK-)Inhibitoren (Tofacitinib, Filgotinib und Upadacitinib) ergänzt. Der gemeinsame Vorteil all dieser Substanzen ist es, dass sie oral eingenommen werden können, sie dienen als Therapiemöglichkeit bei erwachsenen Pa-tient:innen mit moderater bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa, die auf eine kon-ventionelle Therapie oder Biologikum unzureichend angesprochen haben, einen Wirkverlust unter dieser aufweisen oder diese nicht vertragen. Als potenzielle Nebenwirkungen sind thromboembolische Ereignisse und Blutbildveränderungen zu beachten, die Substanzen müssen zudem nierenfunktionsadaptiert verabreicht werden. Die Substanzen sind nun in der Hellgelben Box verfügbar und zeigen meist ein relativ rasches Ansprechen (innerhalb der ersten Wochen) im Vergleich zu Biologika-Therapien. Interessanterweise zeigte Tofacitinib keine Wirksamkeit bei Morbus Crohn, die JAK-Inhibitoren Filgotinib und Upadacitinib werden derzeit in großen Phase-III-Studien für diese Indikation getestet. Mit dem Sphingosin-1-Phosphat-(S1P-)Rezeptormodulator Ozanimod wurde eine neue Substanzklasse zur Behandlung einer moderaten bis schweren Colitis ulcerosa zugelassen. Das Präparat ist bereits bei der Multiplen Sklerose im Einsatz und muss kassenärztlich genehmigt werden (aktuell: „No Box“).
Der rasante Anstieg der Inzidenz von CED in den letzten Jahrzehnten beweist, dass Umweltfaktoren und Nahrungsbestandteile zu den relevantesten krankheitsauslösenden und den Verlauf beeinflussenden Einflüssen gehören. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass Bestandteile, die in einer „westlichen Diät“ vermehrt enthalten sind, mit der Entstehung und Schwere von CED assoziiert sind. Experimentelle Studien konnten zeigen, wie einzelne dieser Nahrungsbestandteile (z. B. Nahrungsmittelfarbstoffe, Emulgatoren und langkettige Fettsäuren) im Tiermodell Darmentzündung hervorrufen und beeinflussen können. Bei der Behandlung von CED im Kindesalter wird eine speziell konzipierte Formulanahrung als Therapie der ersten Wahl angewendet. Rezente Studien zeigten zudem das Potenzial von Ernährungsintervention als Therapiekonzept auf, wobei eine spezielle Diät, aus der beispielsweise stark verarbeitete Lebensmittel, rotes Fleisch und fetthaltige Nahrungsmittel exkludiert werden, bei erwachsenen Patient:innen mit leichter bis moderater Erkrankung eine Remission hervorrufen kann. Vermutlich aufgrund der Heterogenität der Pathogenese der einzelnen Patient:innen und mangelnder diätetischer Adhärenz haben sich exakte Ernährungsempfehlungen in den Behandlungsrichtlinien für CED noch nicht niedergeschlagen. Prinzipiell wird empfohlen, bei Hinweisen auf Mangelernährung entsprechende Makro- und Mikronährstoffe zu substituieren und bei Unverträglichkeiten betreffende Nahrungsbestandteile zu meiden. Eine spezifische Diät zur Beeinflussung der Krankheitsaktivität kann aktuell aber nicht evi-denzbasiert empfohlen werden. Es gilt: Patient:innen (wie auch Gesunde) sollten eine vollwertige, gesunde Ernährung mit ausreichend Obst und Gemüse konsumieren.