Seit einem Jahr ist Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) nun im Amt. Die Pandemie scheint Vergangenheit, aber es bleiben viele Baustellen im Gesundheitswesen.
Zu einem Jubiläum zieht man für gewöhnlich Bilanz und blickt zurück. An dieser Stelle sei allerdings ein Blick in die Zukunft erlaubt. Zu viele gravierende Baustellen werden das Gesundheitswesen in den kommenden Monaten und Jahren belasten. Sie verlangen nach Antworten – zumindest aber, dass sich die Politik und alle Stakeholder damit beschäftigen.
Personalknappheit: Die Gründe sind vielfältig und gelten zum Teil auch nicht nur für das Gesundheitswesen. Klar ist aber: allein in den heimischen Krankenhäusern sind aktuell rund 4000 Stellen unbesetzt; in den Apotheken treffen so viele offene Stellen auf so wenig Stellensuchende wie noch nie; im niedergelassenen ärztlichen Bereich sind Wahlarztordinationen zunehmend beliebter, wie Kassenstellen. Es braucht rasch grundsätzliche Lösungen unter Einbeziehung aller Stakeholder.
Lieferengpässe: Die Abhängigkeit von Asien bei Arzneimitteln, aber auch Technologie und Elektronikchips ist enorm. Die Lieferketten sind dank der Globalisierung und der immer arbeitsteiligeren Wirtschaft sehr zerbrechlich. Nur die billigsten Produkte einzusetzen, wird nicht reichen – die sichere Verfügbarkeit muss mitbedacht werden.
Finanzierung: Das Gesundheitswesen finanziert sich über Abgaben auf Löhne und Gehälter. Bei steigenden Ausgaben und einer enger werdenden Beitragsbasis kann sich das nicht ausgehen. Es braucht neue Finanzierungmodelle – entweder über Steuern oder eine Verbreiterung der Beitragsgrundlage durch Wertschöpfung- oder Vermögensabgaben. Die Alternativ, die niemand will: Einsparungen.
Prävention: Österreich hängt bei den gesunden Lebensjahren hinter anderen europäischen Ländern nach. Die Lebenserwartung steigt, doch wir sind im Durchschnitt länger krank. Das verursacht menschliches Leid, steigende Kosten und belastet die Gesundheitbeschäftigten durch mehr kranke Menschen. Es braucht mehr Fokus auf Prävention, aber ohne kranke Menschen zu Schuldigen zu machen.
Neue Therapien: Künstliche Intelligenz und neue Therapiekonzepte auf der Basis der Genomsequenzierung bringen in kurzer Zeit neue, aber auch teure Therapien. Dafür braucht es Änderungen in der Diagnostik und in der Versorgung. Die Medizin wird das Gesundheitswesen in den kommenden Jahren grundlegend ändern.
Digitalisierung: Die Vernetzung von Daten, die Begleitung von Patient:innen etwa durch Telekonsultationen, eRezept und Therapie-Apps ermöglichen ungeahnte Diagnose- und Therapiemöglichkeiten. Das fordert aber auch die Beschäftigten im Gesundheitswesen und verlangt nach neuen Erstattungs- und Honorierungssystemen.
Klimakrise: Die Corona-Pandemie war erst der Vorgeschmack. Extremwetterereignisse, Hitzeperioden, Dürre, neue und hochallergene Pflanzen, die Verbreitung neuer Viren durch die Verschiebung von Klimazonen und die Zerrstörung von unberührten, tropischen Naturräumen werden das Gesundheitswesen massiv belasten. Die Bekämpfung der Klimakrise ist deshalb vor allem auch Gesundheitsprävention. (rüm)