Sowohl Vorhofflimmern als auch Demenz nehmen weltweit zu.1 Aktuelle Studiendaten sprechen dafür, dass eine rechtzeitige und sukzessive Therapie des VHFs Einfluss auf die Entwicklung einer Demenz nehmen kann.1
Vorhofflimmern geht mit einem höheren Schlaganfallrisiko einher, weshalb die orale Antikoagulation (OAK), die dieses Risiko deutlich reduziert, weltweit Therapiestandard beim nichtvalvulären Vorhofflimmern ist.1 Es ist zwar auch schon lange bekannt, dass VHF mit Demenz assoziiert ist; unklar allerdings ist, ob eine OAK auch zu einer Demenz-Risikoreduktion führt.2 Dementsprechend ist die Auswirkung der OAK auf die Demenzentwicklung Gegenstand einer Vielzahl rezent publizierter Studien.
Die Senkung des Demenzrisikos durch OAK basiert auf der Überlegung, dass bei VHF Mikrothromben zu subklinischen zerebralen Ischämien bzw. zerebralen Mikro-Infarkten führen. Unterstützt wird diese Pathomechanismus-Hypothese durch Resultate der Bildgebung, die zeigen, dass Patient:innen mit VHF strukturelle zerebrale Auffälligkeiten auch dann zeigen, wenn keine Infarkte anamnestisch bekannt sind.3, 4
Bereits 2017 stellten Friberg und Rosenqvist in einer Registerauswertung fest, dass das Demenzrisiko bei VHF-Patient:innen unter OAK 29 % niedriger war als bei VHF-Patient:innen ohne OAK.2 Die Autoren schlussfolgern, dass die frühzeitige Etablierung einer OAK zum Erhalt der kognitiven Funktion beitragen könnte. Interessant in dieser Registerstudie ist auch die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der untersuchten Patient:innen mit VHF keine OAK erhielten.2
Untertherapiert: Übereinstimmend stellte eine retrospektive Studie von Viscogliosi et al. fest, dass eine Demenzdiagnose einen unabhängigen Risikofaktor für eine niedrigere OAK-Verschreibungsrate darstellen kann.5 Eine Metaanalyse kam 2019 zu dem Schluss, dass bei vorliegender Demenz die Wahrscheinlichkeit, eine OAK zu erhalten um 52 % niedriger ist als ohne Demenz;6 in der Studie erhielten 32 % der Demenz-Patient:innen und 48 % der Kontrollgruppe eine OAK. Unter dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin befanden sich die Demenz-Patient:innen deutlich seltener im therapeutischen Fenster (38 vs. 61 % der Zeit) und wiesen auch ein höheres Blutungsrisiko auf.6
Weniger Demenz unter NOAK: Eine Studie verglich unter Verwendung von Daten aus 2 US-Registern mit insgesamt über 460.000 VHF-Patient:innen das Risiko des Neuauftretens von Demenz zwischen Warfarin und den direkt wirkenden, neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban. Dabei wiesen Patient:innen unter NOAK einheitlich niedrigere Demenzraten auf als Patient:innen unter dem VKA. Die Autoren unterstreichen das Problem der Unter- bzw. Überdosierung unter VKA, die zu einerseits thrombotischen Ereignissen bzw. andererseits zu Mikroblutungen führen können.7
Leichte Unterschiede innerhalb der Wirkstoffgruppe
Lee et al. untersuchten unter Verwendung eines südkoreanischen Registers über 72.000 Patient:innen mit einer OAK-Erstverschreibung (Warfarin, Rivaroxaban, Dabigatran, Apixaban und Edoxaban) und nicht-valvulärem VHF.8 Während sich das Demenzrisiko zwischen Warfarin einerseits und den 4 verschiedenen NOAK als Gruppe andrerseits nicht unterschied, ergab sich in den Subgruppenanalysen ein anderes Bild: Edoxaban war das einzige NOAK, das im Vergleich mit Warfarin ein signifikant niedrigeres Demenzrisiko aufwies (HR = 0,830; 95 % KI: 0,740–0,931]). Zudem profitierte die Altersgruppe 65-74 und Patient:innen mit stattgehabtem Schlaganfall von einer NOAK-Therapie im Sinne einer Senkung des Demenzrisikos.8
Grundsätzlich korreliert das Risiko der Demenzentwicklung nach einem thrombotischen zerebralen Ereignis mit der Schwere desselben, wie die Ergebnisse der Oxford Vascular Study zeigten:9 Ein schwerer Schlaganfall (severe stroke) führte dazu, dass die Diagnose Demenz 25 Jahre früher gestellt wird (die Inzidenz im ersten Jahr nach einem schweren Schlaganfall liegt 47-fach über der in der Allgemeinbevölkerung). Ein leichter Schlaganfall (minor stroke) verlegt die Diagnose um 4, eine transiente ischämische Attacke (TIA) um 2 Jahre nach vorne.9
Risikofaktor – auch unabhängig vom Schlaganfall: Aber auch unabhängig vom Schlaganfall erhöht das VHF das Demenzrisiko, wie eine Metaanyalyse von Papanastasiou et al. demonstrierte, die mehr als 3,5 Millionen Patient:innen aus 43 Studien einschloss. Dabei zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen VHF und Demenz bzw. kognitiver Beeinträchtigung, und zwar auch dann, wenn nur Studien ohne Schlaganfälle berücksichtigt wurden.10
Auch wenn das Verzögern bzw. Verhindern des Auftretens von Demenz nicht das primäre Ziel der antithrombotischen Therapie bei VHF darstellt, rücken demenzielle Erkrankungen auch hier zunehmend in den therapeutischen Fokus.7 Bereits jetzt zeigt sich, dass die orale Antikoagulation durch das Verhindern von (weiteren) Schlaganfällen das Demenzrisiko reduziert.7
Es sind allerdings weitere prospektive und randomisierte klinische Studien erforderlich, um die Zusammenhänge zwischen VHF und kognitiven Einbußen zu verstehen. In weiterer Folge kann so evaluiert werden, welche Interventionen (wie z. B. ein VHF-Screening) den Beginn einer Demenz verzögern könnten.11