Mit dem Begriff „Analgetika“ werden zumeist nichtsteroidale Antiinflammatoria, sogenannte Non-Opioid-Analgetika, und schließlich Opioide zusammengefasst. Mit zunehmendem Verständnis der pathologischen Grundlage von akuten und chronischen Schmerzen und deren Differenzierung in somatische und neuropathische sowie inflammatorisch und nichtinflammatorisch bedingte Schmerzen hat sich auch deren Therapie grundlegend geändert. Deshalb werden mittlerweile Antikonvulsiva, Antidepressiva, Antihypertonika, Glutamatantagonisten, Muskelrelaxanzien, Cannabinoide sowie das Seeschneckengift Ziconotid und nicht zuletzt Vasokonstriktoren zum Zweck der Schmerzlinderung eingesetzt. Zu ergänzen ist dabei, dass letztlich auch sogenannte nichtmedikamentöse Schmerztherapie wie Neurostimulation, sei diese nun invasiv oder transkutan, über die Freisetzung körpereigener Transmitter wie Dopamin und Gammaaminobuttersäure und damit ebenfalls auf molekularer Basis wirkt.
Im neuen ICD-11-Codierungssystem finden sich die hier zutreffenden Definitionen unter „Psychische und Verhaltensstörungen“ durch Opioide (6C43), durch Cannabis (6C41) oder synthetische Cannabinoide (6C42), durch Sedativa, Hypnotika oder Anxiolytika (6C44) und durch multiplen Substanzgebrauch (6C4F), wobei vor allem der krankhafte und übermäßige Gebrauch dieser Substanzen selbst bei Kenntnis evtl. gesundheitsschädlicher Nebenwirkungen zu verstehen ist. Darüber hinaus soll aber darauf hingewiesen werden, dass weitere ICD-11-Suchtdefinitionen wie Kokain (6C45), andere Stimulanzien, einschließlich Koffein (6C48), Halluzinogene (6C49) und flüchtige Lösungsmittel (6C4B) bei der Risikoevaluierung von Patient:innen ebenso berücksichtigt werden müssen wie psychische Erkrankungen, insbesondere bipolare Störungen und Schizophrenie.
Opioide stimulieren µ-Rezeptoren im Gehirn, wobei Neuronen des ventralen Teguments vermehrt Dopamin produzieren, dieses in den Nucleus accumbens freisetzen und dadurch ein „wonniges“ Gefühl verursachen. Bei wiederholter Opioidexposition kommt es zu Änderungen der Hirnfunktion, indem diese bei Anwesenheit von Opioiden mehr oder weniger normal, bei Abwesenheit von Opioiden abnormal verläuft. Die Folge ist ein zunehmend höherer Bedarf an Opioiden und gleichzeitig die Entwicklung von Entzugssymptomen bei Unterbrechung der exogenen Opioidzufuhr. Ursache für den erhöhten Bedarf ist zum Teil die Internalisierung von Opioidrezeptoren in die Zelle, um dort zu regenerieren, wobei dies über die Entkoppelung der Verbindung zu β-Arrestin geschieht und es damit zur Lösung von der Zelloberfläche kommt. Folge davon ist eine geringere Verfügbarkeit von Opioidrezeptoren und damit eine Reduktion der Freisetzung von Dopamin mit Herabsetzung des gewünschten „Wonnegefühls“. Gleichzeitig kommt es zu einer Änderung der Noradrenalinproduktion im Nucleus accumbens, indem Opioide die Konvertierung von ATP in cAMP durch Inhibierung der Adenylzyklase behindern und damit die Noradrenalinfreisetzung herabsetzen, was zu Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Sedierung führt. Als Gegenregulation produzieren die Zellen mehr Adenylzyklase mit dem Resultat einer ausreichenden Noradrenalinfreisetzung. Fällt nun die exogene Opioidzufuhr aus, überwiegt die Noradrenalinmenge, und es treten die typischen Entzugssymptome wie Zittern, Angstgefühl, Muskelkrämpfe, Diarrhö, Tränenfluss und Schweißsekretion auf. Interessant ist, dass auch Cannabinoide über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren in die Adenylzyklase-Produktion eingreifen und damit zu Sucht und Entzug führen können.
Lange Zeit wurden Opioide ausschließlich zur Therapie von Schmerzen eingesetzt, die durch maligne Tumorerkrankungen verursacht wurden. Dies aus der Überlegung heraus, dass aufgrund der verkürzten Lebenserwartung das Problem einer Opioidsucht von untergeordneter Bedeutung sei. Nicht so bei Schmerzen aufgrund von Erkrankungen, die wenig oder gar keinen Einfluss auf die Lebenserwartung haben. Es bedurfte also nationaler und internationaler Konsensuskonferenzen, um Opioide auch für die Therapie von nichttumorbedingten Schmerzen zu empfehlen und gesetzlich zu bewilligen. Obwohl Studien belegten, dass eine Opioidsucht bei kontrollierter, gezielt schmerztherapeutischer Verabreichung nur ein vernachlässigbares Risiko darstellt, kam es zu einer Zunahme der Suchtentwicklung bei Patient:innen, die wegen nichttumorbedingter Schmerzen Opioide verabreicht bekommen. Besonders kritisch werden dabei rasch resorbierbare Fentanyl-Galeniken und OxyContin® sowie Hydromorphon betrachtet. Spezielle Verschreibungs- und Testmodalitäten bei transmukosalen Fentanyl-Präparaten sowie eine neue Galenik für OxyContin® haben dazu beigetragen, dass die Inzidenz der Sucht-entwicklung bei medizinischer Anwendung dieser Präparate rückläufig ist.Nachdem Suchtentwicklung offensichtlich mit einer individuellen Prädisposition verbunden ist, wurden spezielle Fragenbögen entwickelt, welche die „Filterung von Risikopatient:innen“ ermöglichen. Obwohl das Risiko organschädigender Nebenwirkungen im Vergleich zu nichtsteroidalen Analgetika (gastrointestinal, renal, kardiovaskulär) und sogenannten Koanalgetika (kardiovaskulär) bei Opioiden vernachlässigbar ist, wird generell eine spezifische Patientenaufklärung vor der Verordnung von Opioiden empfohlen. Fragebögen zur Risikoevaluierung und Formblätter zur Aufklärung bei Opioidtherapie sind im Internet abrufbar.