Arzneimittelengpässe: „Österreich ist Schlusslicht“

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Bernd Grabner ist Präsident des Europäischen Pharmagroßhandelsverbandes GIRP, Vizepräsident der heimischen Phago und Geschäftsführer von Jacoby GM. Im RELATUS-Sommerinterview sprach er über Arzneimittelengpässe und Lösungen.

Die Regierung plant eine Bevorratungsverordnung für Arzneimittel als Antwort auf Lieferengpässe. Wie beurteilen Sie diese Pläne? Was bisher an politischen Plänen bekannt ist, reicht nicht aus. Wie sieht denn die Realität aus? Wir als pharmazeutischer Vollgroßhandel sind kritische Infrastruktur für Österreich. Wir gleichen mit unseren 23 Lagerstandorten, strategisch gut verteilt im ganzen Land, immer wiederkehrende Medikamentenknappheiten durch intensives Zuteilungsmanagement und Beschaffung aus ganz Europa aus. Das war im vergangenen Winter essentiell. Nur durch diese Maßnahmen konnte verhindert werden, dass die Lieferengpässe der Hersteller zu keiner Katastrophe geführt haben. Wir Großhändler machen die Politik schon länger auf die kritischer werdende Situation aufmerksam.

Welche Antworten bekommen Sie? Die Bevorratungsverordnung wird nicht verhindern, dass wir alle diesen Winter abermals mit einer dramatischen Versorgungssituation konfrontiert werden. Die Probleme des Großhandels werden in den politischen Vorhaben nicht adressiert. Wenn die Regierung nicht konkrete Maßnahmen zur Sicherung des österreichischen Großhandels als kritische Infrastruktur vorlegt, werden wir als Jacoby GM gezwungen sein, unser Lagersortiment zu überarbeiten.

Viele Beobachter:innen führen internationale Ursachen ins Treffen, die wie Abhängigkeit von Asien. Was kann Österreich da tun? Laut einer IQVIA-Studie zu Arzneimittelengpässen ist Österreich gemeinsam mit Italien Schlusslicht. Für uns Großhändler ist die Situation in Österreich aufgrund der schlechten finanziellen Vergütung inzwischen prekär. Die derzeitige Vergütung datiert aus dem Jahr 2004. Dazwischen liegen 19 Jahre Inflation und 19 Jahre sinkende Arzneimittelpreise, die aufgrund der Regelungen zu einer massiv sinkenden Vergütung bei steigenden Energiekosten und steigenden regulatorischen Anforderungen führen.

Was sind Ihrer Ansicht nach die Ursachen für Lieferengpässe? Die Ursachen auf Seiten der Industrie sind allseits bekannt. Was der Politik offenbar nicht klar ist: Der pharmazeutische Vollgroßhandel liefert in Österreich über 150 Millionen erstattungsfähige Arzneimittel pro Jahr an die Apotheken aus. Bei mehr als 100 Millionen dieser Packungen entspricht unsere Vergütung mittlerweile weniger als 1Europro Packung, bei Millionen von Arzneimittel sogar nur wenige Cent. Als Arzneimittel-Versorger, die die gesamte Wertschöpfung hierzulande erbringen und die sich zu 80 Prozent in österreichischer Hand befinden, können wir notwendige Arzneimittel bald nicht mehr kostendeckend lagern, managen und liefern. Das wird dann eine zusätzliche Ursache für Lieferengpässe.

Die EU plant eine Reform der Pharma Legislation und Reformen im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Arzneimitteln. Wie beurteilen sie die Pläne, die jetzt auf dem Tisch liegen? Grundsätzlich ist die Initiative mit dem Ziel, Lieferengpässe zu vermeiden und die pharmazeutische Vertriebskette zu stärken, zu begrüßen. Insbesondere ist es sehr sinnvoll, mit der „Public Service Obligation“ eine Verpflichtung der Zulassungsinhaber zuhaben, die Vollgroßhändler entsprechend zu beliefern, damit diese ihre Aufgabe erfüllen können. (Das Interview führte Martin Rümmele)