Interdisziplinäres Management entscheidend für Therapieerfolg

In Europa liegt die Wahrscheinlichkeit bei einem Drittel aller Menschen (Index Alter: 55 a), im Laufe ihres Lebens an VHF zu erkranken, wobei Männer etwas früher und häufiger daran erkranken als Frauen.
Die Inzidenz für VHF ist stark abhängig vom Alter – mit zunehmendem Alter steigt das Auftreten der Erkrankung. In Anbetracht der demografischen Bevölkerungsentwicklung mit einer Verschiebung hin zu einem deutlich erhöhten Anteil an über 80-jährigen Menschen wird auch VHF wesentlich häufiger auftreten. Neben Alter, männlichem Geschlecht, genetischen Einflüssen und ethnischen Faktoren sind auch andere Risikofaktoren für die Entstehung von VHF bedeutend. Dazu zählen insbesondere die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Rauchen und Hyperlipidämie – aber auch klassische Lifestyle-getriggerte Faktoren wie übermäßiger Alkoholkonsum, Adipositas, Stress und Bewegungsmangel sind wichtige Auslöser. Organische Vorschädigungen des Herzens (KHK, Klappenerkrankungen, Herzinsuffizienz), der Niere oder der Lunge (COPD, obstruktive Schlafapnoe) sowie akute schwere Erkrankungen – insbesondere Infektionskrankheiten, Trauma und große Operationen – begünstigen das Auftreten von VHF zusätzlich.

Die klinischen Endpunkte eines unbehandelten bzw. nichtausreichend behandelten VHF sind der kardioembolische Schlaganfall bzw. die systemische Embolie im arteriellen Endstrom-/Endorgangebiet, die es zu verhindern gilt.

Diagnosestellung

Screening: Da VHF oft asymptomatisch ist und somit nicht von den Patient:innen bemerkt wird, steigt mit Fortdauer eines unbehandelten VHF auch die Schlaganfallgefahr. Daher stellt sich die Frage nach einem Screening. Die Verfügbarkeit von Devices zur Früherkennung von VHF wird zunehmend größer, die dzt. übliche Strategie ist ein opportunistisches oder systematisches EKG-Screening von Personen ab einem Alter > 65 Jahre und/oder mit anderen Risikofaktoren für ein erhöhtes Schlaganfallrisiko auch bei jüngeren Patient:innen.

Eine Überwachung mittels sogenannter Wearables über Smartphones oder -uhren gewinnt zunehmend an Bedeutung, da diese sehr kostengünstig, praktikabel und sehr breit eingesetzt werden können, wie Studien gezeigt haben. Voraussetzung für die definitive Diagnosestellung ist eine mindestens 30 Sekunden dauernde Aufzeichnung des VHF mittels EKG-Rhythmusstreifen oder Wearables bzw. ein vollständiges 12-Ableitungs-EKG.

Klinische Symptomatik hinweisend für VHF: Häufig bleibt das VHF quasi „stumm“, also asymptomatisch, die Patient:innen bleiben hämodynamisch stabil. Typische Allgemeinsymptome, die hinweisend für VHF sein können, sind Palpitationen – ein „unruhiger Puls“, Atemnot, Müdigkeit, aber auch Brustschmerz/-engegefühl, geringe Belastungstoleranz, Schwindel, Synkope und Schlafstörungen. Diese Beschwerden können v. a. bei längerer Fortdauer auch in einer kardialen Dekompensation münden, die Patient:innen werden hämodynamisch instabil und verspüren eine hohe Krankheitslast.

Stratifizierung des Schlaganfallrisikos von Patient:innen mit VHF: Nach der definitiven Diagnosestellung muss eine Risikostrati-fizierung hinsichtlich Schlaganfallrisiko durchgeführt werden. Diese basiert auf der Berechnung des CHA2DS2-VASc-Scores1, und entsprechend der Punktezahl ergeht die Empfehlung zur (lebenslangen) Antikoagulationstherapie (ab ≥ 1 bei Männern bzw. ab ≥ 2 bei Frauen).

Erweiterte diagnostische Abklärung: ALLE VHF-Patient:innen sollen neben Anamnese (VHF-assoziierte Symptome, Auftretensmuster, Begleiterkrankungen und Risikofaktoren, Erhebung CHA2DS2-VASc-Score) ein 12-Kanal-EKG erhalten. Labordiagnostisch sollte die Bestimmung von Blutbild, Elektrolyten, Schilddrüsen- und Nierenfunktion erfolgen, weiters sollte eine transthorakale Echokardiografie durchgeführt werden. Ausgewählte Patient:innen benötigen spezielle Untersuchungen wie 24-h-EKG-Aufzeichnung (ausreichende Frequenzregulierung?), transösophageale Echokardiografie (Herzklappenerkrankung, LAA-Thrombus?), kardiale Biomarker (TnT-hs, NT-ProBNP), Koronar-CTA oder Myokardszintigrafie (KHK?), Schädel-MR (Verdacht auf Schlaganfall), um eine bessere Beurteilung der Gesamtsituation für die weitere Therapieentscheidung zu bekommen.

Eine strukturierte Nachsorge/Betreuung ist maßgeblich, um eine dauerhaft optimale Behandlung zu gewährleisten: Kardiolog:innen koordinieren die Nachsorge in Zusammenarbeit mit Hausärzt:innen entsprechend der folgenden Behandlungsziele.

Behandlungsziele

Der einfache ganzheitliche ABC-Pfad (A: Antikoagulation/Schlaganfall vermeiden; B: bessere Symptombehandlung; C: kardiovaskuläre und Komorbiditätsoptimierung) rationalisiert die ganzheitliche Versorgung von VHF-Patient:innen über alle Ebenen der Gesundheitsversorgung und zwischen den verschiedenen Fachbereichen.

Antikoagulation: Die Blutverdünnung sollte prinzipiell mit einem NOAK erfolgen, dabei ist auf Kontraindikationen (z. B. schwere Nierenfunktionseinschränkungen mit GFR < 15ml/min, Komedikationen mit starken Interaktionen, mechanischer Herzklappenersatz), auf das individuelle Blutungsrisiko der Patient:innen sowie auf Dosisreduktionskriterien der jeweiligen NOAK-Substanz Rücksicht zu nehmen; die Antikoagulationstherapie ist als Dauertherapie zur Schlaganfallprävention zu etablieren. Für die Auswahl des optimalen Antikoagulans in Zusammenschau mit dem individuellen Schlaganfall- und Blutungsrisiko der Patient:innen stehen webbasierte Risiko-Kalkulatoren2 zur Verfügung und können sinnvolle Entscheidungshilfen sein.

Bessere Symptombehandlung: Die Symptomkontrolle kombiniert verschiedene Elemente, zu denen — je nach Symptomen der Patient:innen — sowohl die optimale Frequenzkontrolle (in der Regel durch Betablocker-Therapie) als auch die Rhythmuserhaltung mit Hilfe von Antiarrhythmika, Kardioversion oder interventioneller Therapie (Ablation) gehören.

Kardiovaskuläre u. Komorbiditätsoptimierung: Dies umfasst die Identifizierung und das Management von Begleiterkrankungen, kardiometabolischen Risikofaktoren und ungesundem Lebensstil. Die Behandlung von Risikofaktoren und kardiovaskulären Erkrankungen soll die Schlaganfallprävention ergänzen und dazu beitragen, die VHF-Last und den Schweregrad der Symptome zu reduzieren.