Werden zu wenige Ärzt:innen ausgebildet? Oder die falschen Fächer? Oder ist der Mangel an Ärzt:innen nur ein Organisations- und Verteilungsproblem? Darüber scheiden sich die Geister. Doch es gibt auch eine strukturelle Komponente. Schuld sind die Bundesländer, weil sie als Spitalsträger zu wenige Plätze für die klinische Ausbildung zur Verfügung stellen, sagt die Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher-Holzhacker, Vorstandsmitglied der Austrian Health Academy (aha) und Lektorin an der MedUni Wien, im Interview mit der Ärzte Krone. „Die Länder müssen sich selbst an den Haaren nehmen. Das Problem ist: Je mehr ärztliches Personal sie haben, desto teurer wird es für sie. Gleichzeitig sind sie daran interessiert, die von ihnen zu tragende Abgangsdeckung der Spitäler zu reduzieren. Also bilden sie so wenig Personal wie nötig aus.“ In normalen Zeiten gehe sich der knappe Personalstand aus, nicht aber, wenn mehr Patient:innen zu betreuen sind oder sich Krankenstände häufen. „Ich denke deshalb, dass die Länder gar nicht mehr ausbilden wollen.
“Ähnlich argumentiert auch ÖGK-Obmann Andreas Huss: „Die Spitäler stehen in der Ausbildung auf der Sparbremse und bilden nur die Ärzt:innen aus, die sie für den eigenen Bedarf brauchen. Sie bilden aber leider nicht für die niedergelassene Versorgung aus.“ Huss forderte deshalb zuletzt, dass die Krankenversicherungen als Mitfinanziers der Spitäler ein Mitspracherecht haben und „besprochen wird, wie viele Ausbildungsstellen pro Spital und Bundesland notwendig sind, um die niedergelassene Versorgung mitzudenken.“ Dabei gehe es auch um die Frage, welche Fächer ausgebildet werden. Huss: „Es nutzt mir nichts, wenn die Länder haufenweise Chirurgen ausbilden. Das bringt mir in der hausärztlichen Versorgung wenig.“
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will nun im Zuge der Gespräche über den Finanzausgleich einiges ändern: „Generell müssen wir jene, die im System sind, im System halten – Stichwort: Arbeitsbedingungen und Löhne – und ausbilden, was geht.
Es ist eine seltsame Logik, dass Krankenanstalten, die ausbilden, gleich viele LKF-Punkte erhalten wie solche, die nicht ausbilden. Hier braucht es Anreize, dass Spitäler ausbilden. Es wollen alle ein System, das die Ausbildung sicherstellt. Da kann man dann nicht Anreize schaffen, die kontraproduktiv sind“, sagt Rauch zur Ärzte Krone. Es mache auch wenig Sinn, dass die Länder beginnen, um die besten Köpfe zu konkurrieren.
Die Ärztekammer geht einen Schritt tiefer und hat sich die Qualität der Ausbildung angesehen, für deren Prüfung seit einem Jahr auch die Länder zuständig sind. Fazit: „Die ärztliche Ausbildung in Österreich ist okay, aber definitiv nicht gut genug, daher ist dringend Handlungsbedarf gegeben, um konkurrenzfähig zu bleiben“, berichtet Ärztekammer-Vizepräsident Univ.-Doz. Dr. Harald Mayer über eine ÖÄK-Umfrage. Insgesamt wurde die Ausbildung seitens der Turnusärzt:innen auf einer sechsstufigen Skala mit 4,51 Punkten bewertet (6 ist ausgezeichnet). „Die Umfrage zeigt, dass kleinere Abteilungen deutlich besser ausbilden und besser beurteilt wurden – da müssen sich große Abteilungen noch mehr bemühen. Sehr gut beurteilt wurden die Lehrpraxen, eher schlecht dagegen die Basisausbildung und die Vermittlung der evidenzbasierten Medizin“, fasst Mayer zusammen.
Am unzufriedensten waren die Befragten mit der Vermittlung der evidenzbasierten Medizin mit nur einem Score von 3,67. Das sei eigentlich einem „Nicht genügend“ gleichzusetzen, meint Mayer. „Da muss man den jungen Kolleginnen und Kollegen die Zeit geben, dass sie mehr unter der Einbeziehung von letzten wissenschaftlichen Erkenntnissen arbeiten.“ Die meisten Punkte gab es beim Punkt „Betriebskultur“ mit 4,73. Bei den Fächern schnitt die Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am besten ab (4,63), die Basisausbildung (4,16) am schlechtesten.