Ein Solidaritätsmechanismus soll Engpässen bei Medikamenten in der EU vorbeugen. Die EU-Kommission will zudem eine Liste mit kritischen Medikamenten erstellen. Sie erntet dafür aber Kritik.
Um möglichen Engpässen bei Medikamenten im kommenden Winter vorzubeugen, hat die EU-Kommission einen freiwilligen Solidaritätsmechanismus ins Leben gerufen. Wenn ein Land nicht genug von einem bestimmten Medikament hat, könnten andere Staaten aushelfen, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Weiters werde die Kommission eine Liste mit kritischen Medikamenten erstellen und deren Lieferketten bis April 2024 untersuchen. Danach soll entschieden werden, ob weitere Maßnahmen zur Verhinderung von Engpässen nötig sind. Die EU-Mitgliedstaaten werden ermutigt, bei Engpässen, die Regeln flexibel anzuwenden. Sie könnten beispielsweise erlauben, dass Medikamente länger verkauft werden oder Alternativen schneller auf den Markt kommen dürfen.
Um auch längerfristig eine größere Verlässlichkeit der Arzneiproduktion zu garantieren, soll eine „Allianz für kritische Medikamente“ (Critical Medicines Alliance) ab Anfang 2024 alle relevanten Akteure des Bereichs zusammenbringen. Die Allianz soll zum Beispiel gemeinsame Einkäufe auf EU-Niveau koordinieren und Möglichkeiten suchen, wie die Lieferketten von bestimmten wichtigen Medikamenten diversifiziert werden können. „Die Mitteilung reiht sich bedauerlicherweise in eine Reihe von Ankündigungen und Absichtserklärungen ein, statt die dringend benötigten konkreten Maßnahmen voranzubringen“, kritisiert Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) die Pläne. Denn die zentrale Frage, wie Pharmaunternehmen dabei unterstützt werden können, wieder verstärkt in Europa zu produzieren, sei in den Vorschlägen der Kommission viel zu wenig thematisiert worden. Nach wie vor würden die notwendigen Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen Ausbau der Arzneimittelproduktion fehlen.
Mit Verwunderung hat auch Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, auf die Ankündigung der EU reagiert: „Was viel wichtiger und zielführender wäre, und worauf ich schon während der Corona-Pandemie mehrfach hingewiesen habe, ist, Unabhängigkeit von anderen Märkten zu schaffen – insbesondere von der Medikamentenproduktion in Asien. Anstatt zahnlose Notfallpläne zu schmieden, muss die EU endlich eine gemeinsame Strategie entwickeln, die Herstellung von Medikamenten und Medizinprodukten innerhalb Europas zu fördern und abzusichern.“ Wie es gehe, zeige das Beispiel des Standorts Kundl in Tirol – dort hat sich die dort ansässige Antibiotika-Produktion des Unternehmens Sandoz zu einem Big Player in der weltweiten Gesundheitsversorgung entwickelt. „Das ist das Best-Practice-Beispiel. Dort werden in den nächsten zehn Jahren für die weitere Modernisierung 250 Millionen Euro investiert.“ Das zeige, so Mayer, dass man auch Geld in die Hand nehmen muss. „Gesundheit und damit auch Medikamente und deren Produktion müssen uns etwas wert sein.“ (red)