Lipidmanagement bei sehr hohem kardiovaskulärem Risiko

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) stellt eine chronische Erkrankung mit atherosklerotischer Plaquebildung, Stenosen oder Verschlüssen in den beinversorgenden arteriellen Gefäßen dar.
Die pAVK ist die dritthäufigste Ursache für atherosklerotische Morbidität. Als wesentliche Risikofaktoren für das Auftreten einer pAVK finden sich neben dem Alter das Rauchen, gefolgt von Diabetes mellitus, Hypertonie und Hypercholesterinämie. Studien zu familiärer Hypercholesterinämie zeigen, dass ein über längere Zeit erhöhtes LDL-Cholesterin (LDL-C) mit einem erhöhten Risiko für eine pAVK, aber auch für koronare Herzkrankheit einhergeht. Ebenso ist ein niedriges HDL-Cholesterin mit dem Auftreten von pAVK assoziiert.

ESC/EAS-Leitlinie zur Lipidtherapie

Patient:innen mit pAVK zählen laut der Leitlinie 2019 der Europäischen Gesellschaften für Kardiologie bzw. für Atherosklerose (ESC/EAS) bezüglich Lipidmanagement zur Gruppe mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko. Als Therapieziel wird hierbei eine zumindest 50%-Reduktion des LDL-C sowie ein Zielwert von < 55 mg/dl empfohlen (Kasten). Für jene Personen mit einer atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankung, die innerhalb von 2 Jahren ein kardiovaskuläres Rezidivereignis erleiden, sollte ein LDL-C-Therapieziel von < 40 mg/dl erwogen werden.

Pharmakologische Therapieoptionen

Statine

Statine reduzieren die Cholesterinsynthese in der Leber, indem sie das Enzym HMG-CoA-Reduktase hemmen. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Aufnahme von LDL aus dem Blut in die Hepatozyten, dies wiederum führt zu einer verringerten LDL-Plasmakonzentration. Statine senken auch den Triglyzerid-Spiegel um ca. 10–20 %. Während sogenannte statinassoziierte Muskelsymptome bei 10–15 % der Patient:innen auftreten, die mit Statinen behandelt werden und sich in der Regel als Muskelschmerzen manifestieren, ist die Rhabdomyolyse (CK-Erhöhung von mehr als 10-mal ULN) zwar eine schwere Nebenwirkung, die jedoch nur sehr selten auftritt (1–3 Fälle/100.000 Patientenjahre). Wenn eine Statinbehandlung in normalen Tagesdosen aufgrund von Muskelschmerzen nicht möglich ist, sollte gerade bei Hochrisikopatient:innen eine alternative Dosierung, wie zum Beispiel jeden zweiten Tag oder zweimal pro Woche, in Erwägung gezogen werden. Erhöhte Blutzucker- und HbA1c-Werte und somit ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes können nach Behandlungsbeginn auftreten und sind dosisabhängig. Die Wahrscheinlichkeit ist außerdem bei älteren Menschen und bei Vorhandensein anderer Diabetesrisikofaktoren wie Übergewicht oder Insulinresistenz höher, jedoch überwiegen die Vorteile der Statintherapie. Eine leichte Erhöhung der ALT tritt unter Statintherapie bei 0,5–2 % der Patient:innen auf. Die Leberenzymerhöhung ist reversibel. Eine routinemäßige Überwachung der ALT unter Statinbehandlung ist nicht notwendig.

Cholesterinabsorptionshemmer

Ezetimib reduziert die Aufnahme des über die Nahrung zugeführten (exogenen) Cholesterins ebenso wie des über die Galle ausgeschiedenen (endogenen) Cholesterins. Die LDL-senkende Wirkung von Ezetimib liegt in der Regel bei 15–25 %. Diese Substanz weist eine gute Verträglichkeit auf und sollte als Zweitlinientherapie zum Einsatz kommen – entweder zusätzlich zu Statinen, wenn das Therapieziel nicht erreicht wird, oder wenn eine Statinunverträglichkeit besteht.

PCSK9-Inhibitoren

Bei den zugelassenen und in Österreich zur Verfügung stehenden Vertretern dieser Substanzklasse handelt es sich um zwei vollhumane Antikörper: Alirocumab und Evolocumab. Der Wirkmechanismus der PCSK9-Hemmer beruht auf einer Verringerung des Plasmaspiegels von PCSK9 (dieses Enzym reguliert den LDL-Rezeptor), somit kommt es zu einer vermehrten Verfügbarkeit des LDL-Rezeptors an der Zelloberfläche und zu einer nachfolgenden Reduktion der LDL-C-Serumkonzentration. Im Durchschnitt senken PCSK9-Inhibitoren den LDL-C-Spiegel um ca. 60 %, wobei eine zusätzliche Statintherapie zu einer ausgeprägteren Wirkung dieser Antikörper führt. PCSK9-Inhibitoren werden subkutan injiziert (alle zwei Wochen), zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Juckreiz an der Injektionsstelle und grippeähnliche Symptome, die aber weitgehend auf dem Placebo-Niveau in den Studien lagen.

Inclisiran

Inclisiran ist ein über RNA-Interferenz wirksamer Cholesterinsenker. Bei der RNA-Interferenz führen kurze RNA-Stücke, sogenannte „small interfering RNA“, zur Spaltung komplementärer mRNA („messenger RNA“). Zielstruktur von Inclisiran ist die mRNA für PCSK9 in Hepatozyten. Inclisiran hemmt die Translation von mRNA für PCSK9 und hierdurch den PCSK9-vermittelten Abbau hepatischer LDL-C-Rezeptoren. Durch die vermehrte Aufnahme von LDL-C in die Leber wird der Plasma-LDL-C-Spiegel gesenkt. Die Substanz wurde im Dezember 2020 für Erwachsene mit primärer Hypercholesterinämie (heterozygot familiär und nichtfamiliär) oder gemischter Dyslipidämie zusätzlich zu diätetischer Therapie in Kombination mit einem Statin oder anderen Lipidsenkern zugelassen, bei denen die LDL-C-Zielwerte mit der maximal tolerierbaren Statindosis nicht erreicht werden, sowie als Monotherapie bei Patient:innen mit Statinintoleranz oder einer Kontraindikation für Statine. Inclisiran wird als einzelne subkutane Injektion zu Behandlungsbeginn, dann nach drei Monaten und anschließend alle sechs Monate verabreicht. Inclisiran zeigte in den Zulassungsstudien im Vergleich zu Placebo eine LDL-Cholesterin-Senkung um ca. 50 %.

Bempedoinsäure

Bempedoinsäure wird als Prodrug in der Leber durch die langkettige Acyl-CoA-Synthetase 1 aktiviert und hat daher eine primär leberspezifische Wirkung. Im Skelettmuskel kommt dieses Isoenzym nicht vor, sodass es unter Anwendung von Bempedoinsäure auch nicht zu den unter Statinen möglichen Muskelschmerzen kommt. Als wichtigste Nebenwirkung ist eine moderate Harnsäuresteigerung zu nennen. Die LDL-Cholesterin-Senkung unter dieser Substanz liegt bei etwa 15–25 %, je nach vorbestehender Therapie. Bempedoinsäure ist in oraler Form einzunehmen – entweder als Monotherapie oder als Kombinationspräparat mit Ezetimib.