Interstitielle Lungenfibrose

Herr G. war gerade 69 Jahre alt geworden, als er einen massiven Druck hinter dem Brustbein spürte und mit einem akuten Myokardinfarkt ins Krankenhaus musste. Ihm wurden 2 Stents implantiert, und die Herzbeschwerden waren Vergangenheit. Im Thoraxröntgen waren jedoch feinretikuläre Veränderungen des Lungengewebes aufgefallen, und die Lungenfunktion zeigte eine noch normale Vitalkapazität und totale Lungenkapazität bei noch normalen arteriellen Blutgasen, jedoch eine reduzierte Diffusionskapazität (DLCO) der Lunge mit 63 % der Altersnorm. Das war Anlass für ein Dünnschicht-CT der Lunge, das ein typisches Muster einer unspezifischen interstitiellen Pneumonie im Sinne einer IPF zeigte (Abb.).

Differenzialdiagnose

Die Auskultation ergab ein typisches basales Knisterrasseln (Sklerosiphonie) symmetrisch im dorsolateralen Bereich der Lungen. Die Untersuchungen auf Autoimmunerkrankungen, chronische Infektionen, Sarkoidose und exogen allergische Alveolitis (EAA) waren negativ. Das Erkrankungsalter von ca. 70 Jahren war typisch. Die klinische Diagnose einer IPF wurde im ILD-Board bestätigt und eine Therapie mit Nintedanib eingeleitet. Unter dieser Therapie spürte der Patient keine Verbesserung seines Zustandes, wohl aber eine gewisse Übelkeit und vermehrt Diarrhö. Er wandte sich an seinen Hausarzt mit der Frage, ob er diese Therapie tatsächlich weiternehmen soll. Weil der Hausarzt über die IPF und ihre schlechte Prognose gut informiert war, konnte er den Patienten davon überzeugen, die Therapie fortzuführen. Tatsächlich haben sich im Laufe der folgenden 2 Jahre die Lungenfunktionswerte kaum verändert, und auch die DLCO blieb weitgehend erhalten. Das kann als großer Erfolg bezeichnet werden!

Krankheitsbilder

Patient:innen mit Veränderungen im Lungenparenchym sind nicht selten. Insbesondere unter langjährigen Raucher:innen finden sich häufig minimale Veränderungen des Lungenparenchyms, die per se ein Risiko für eine spätere Einschränkung der Lungenfunktion darstellen. Die interstitielle Lungenkrankheit (Interstitial Lung Disease, ILD) wird begrifflich vom Lungenemphysem, den Neubildungen und den Infektionskrankheiten der Lungen abgegrenzt. Bei den ILD unterscheiden wir die medikamentös induzierten Erkrankungen (Beispiel: Amiodaron), Kollagenosen (am häufigsten systemische Sklerose und rheumatoide Arthritis) und granulomatösen Lungenkrankheiten (am häufigsten Sarkoidose und EAA) von der Gruppe der idiopathischen interstitiellen Pneumonien, zu denen die IPF gehört. Daneben gibt es über 100 eigenständige weitere Erkrankungen, die das Lungenparenchym betreffen, jede für sich jedoch sehr selten.

Hausärzt:innen als erste Anlaufstelle

Meist wenden sich die Patient:innen mit ihren Beschwerden zunächst an ihre:n Hausärzt:in. Zu den häufigsten Beschwerden zählen die Belastungsdyspnoe, der trockene Husten und der Leistungsabfall. Dyspnoe wird von den Patient:innen lange nicht bewusst wahrgenommen, weil sie sich langsam entwickelt, ein Gewöhnungseffekt besteht und der Leistungsabfall sehr unspezifisch ist. Allein der trockene Husten führt die Patient:innen häufig zum/zur Ärzt:in. Manchmal wird von blauer Färbung der Lippen berichtet, die bei Belastung entsteht und danach wieder verschwindet. All dies sind Argumente für eine unmittelbare Untersuchung mit dem Stethoskop. Hilfreich zur Objektivierung ist auch eine Oxymetrie, die am sensitivsten unter Belastung ist. Eine Sklerosiphonie liegt bei der IPF fast immer vor, bei einer EAA oder einer Sarkoidose dagegen nur selten. Ein verschärftes Atemgeräusch kann das einzige auskultatorische Zeichen sein, bei der EAA öfters mit Obstruktion. Zuweilen fällt bei der Untersuchung bereits eine Tachypnoe oder eine Staccato-Sprache auf, beim Freimachen des Brustkorbs kann man bei schlanken Personen interkostale Einziehungen sehen und bei länger dauerndem Krankheitsverlauf Trommelschlegelfinger oder Uhrglasnägel.

Niedergelassene Pneumolog:innen bzw. Spezialambulanz

Die Diagnostik beim/bei der Lungenfachärzt:in bzw. in der Spezialabteilung zielt auf eine klare Diagnosestellung ab und muss ganz besonders berücksichtigen, dass es kortisonresponsive und -refraktäre ILDs gibt. Insbesondere ILDs im Zusammenhang mit Sarkoidose oder Autoimmunkrankheiten sind häufig kortisonresponsiv und sprechen auf immunsuppressive Medikamente an. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist sehr wichtig, wobei der Pneumologie, Rheumatologie und Radiologie eine besonders wichtige Rolle zukommt. Die IPF zählt zu den obligatorisch kortisonrefraktären Krankheitsbildern. Sie spricht auch nicht auf andere Immunsuppressiva an. Hier ist die frühzeitige Einleitung einer spezifischen IPF-Therapie von größter Wichtigkeit, weil nur diese den beschleunigten Verlust von Lungenpa-renchym aufhalten kann.

Schnittstellenmanagement

Dem/der Hausärzt:in kommen bei der interstitiellen Lungenkrankheit viele Funktionen zu. Es geht zunächst um die Identifikation von Patient:innen mit Verdacht auf ILD, die entsprechende Zuweisung zum/zur Fachärzt:in für Pneumologie und um die Umsetzung der längerfristigen Therapie. Hierbei sind zwischenzeitliche Gesundheitschecks auf interkurrente Infektionen von großer Wichtigkeit, ebenso die Frage nach der Verträglichkeit der Medikamente. Außerdem muss bei diesen Patient:innen immer damit gerechnet werden, dass eine unabhängige Zweit- oder Dritterkrankung auftritt. Daher sind neue Beschwerden stets ernst zu nehmen, wie man am Beispiel von Herrn G. erkennt.