Neugier und Kognition

Unter Neugier versteht man die Neigung, neue, komplexe und herausfordernde Interaktionen mit der Welt zu suchen. Neugier hat einen guten Effekt auf das deklarative Gedächtnis, das gilt für jüngere und auch für ältere Proband*innen. Auch das inzidentelle Lernen von Gesichtern, d.h. das „Nebenher-Lernen“, ist besser, wenn die Gesichter im Zustand großer Neugier enkodiert werden. Neugier wird als intrinsische Motivation gesehen. Studien mit funktioneller Magnetresonanztomographie zeigen, dass die Aktivität im Mittelhirn (SN/VTA) und im Nucleus Accumbens bei hoher Neugier größer ist. Man nimmt daher an, dass intrinsische Motivation und extrinsische Belohnungsmotivation auf gemeinsamen Mechanismen beruhen. Das PACE-Modell1 [Prediction, Appraisal, Curiosity and Exploration] geht davon aus, dass Neugierde durch Vorhersagefehler und kognitive Konflikte (Hippocampus, anteriorer cingulärer Cortex) ausgelöst wird, die bewertet werden (präfrontaler Cortex). Dies führt entweder zu Angst (Amygdala) oder zu erhöhter Neugier mit Exploration (Mittelhirn). Das Modell beschreibt einen Zyklus, der die Gedächtnisleistung durch erhöhte Aufmerksamkeit, Exploration und Informationssuche verbessert und die Konsolidierung von Informationen durch dopaminerge Neuromodulation des Hippocampus fördert.
Wie sind nun die Alterseffekte der Kognition erklärbar? Zunächst die biologische Erklärung: Sowohl Striatum, Substantia nigra, präfrontaler Cortex, als auch Hippocampus zeigen altersbedingte Veränderungen, das Dopaminlevel sinkt, ebenso die Anzahl dopaminerger D1- und D2-Rezeptoren. Die Veränderungen in Struktur und Funktion des Gehirns führen dazu, dass ältere Personen subjektiv weniger neugierig sind und weniger lernen. Die psychologische Erklärung: Entsprechend der sozio-emotionalen Selektivitätstheorie verschiebt sich der Fokus von Neugier in jungen Jahren zu Emotionsregulierung und Optimierung von psychologischem Wohlbefinden bei Älteren. Entsprechend sind ältere Personen weniger neugierig und lernen weniger. Was ist zu raten? Neugier wird vor allem von unvollständigem Wissen und Wissenslücken getriggert. Man will unbedingt mehr wissen, besonders dann, wenn man bereits Vorwissen hat und Lücken erkennt. Ein geistig aktiver Lebensstil kann Lernen, Gedächtnis und andere kognitive Domänen positiv beeinflussen. Vorwissen ist wichtig und fördert die Neugier.