„Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.“
Dieses Zitat von Mark Twain ist zwar schon etwas abgenützt, aber es passt einfach zu gut, die technologische Zukunft der Medizin zu beschreiben. Was von den vielen unterschiedlichen digitalen Anwendungen sich wann im ärztlichen Alltag etablieren wird, hängt von so vielen Faktoren ab, dass der Blick in die Kristallkugel der Futurist:innen stark eingetrübt ist. Derzeit sieht es ja so aus, als würde sich die etwa vor einem halben Jahrhundert erfundene und seither in konsequentem Schneckentempo vorankommende Telemedizin mit der vor wenigen Jahren aus dem Ei geschlüpften generativen künstlichen Intelligenz ein Fotofinish liefern.
Die Möglichkeit, Patient:innen Remote in ihren eigenen vier Self-Care-Wänden zu betreuen und dabei auf laufend aufgezeichnete biometrische Daten zugreifen zu können, wird den Arztberuf verändern und ergänzen, aber wohl keineswegs in seinen Grundfesten erschüttern. Da ist die Sache mit der künstlichen Intelligenz schon ein anderes Kaliber.
Die Frage, inwieweit eine bestimmte technologische Innovation den Arbeitsmarkt beeinflusst, ist so alt wie die Erfindung des Fließbandes durch Henry Ford im Jahr 1913. Interessanterweise zeigt die Erfahrung, dass fortschreitende Technisierung Arbeitsplätze kostet und ganze Berufszweige zum Verschwinden bringt, dass aber am Ende des Tages immer mehr Menschen einen Job haben als vorher. Das liegt unter anderem daran, dass sich infolge technologischer Entwicklungssprünge neue Berufsbilder entwickeln, die man sich davor nicht einmal vorstellen konnte. Ein:e in das Jahr 1990 zurückgebeamte:r Suchmaschinen-Optimierer:in hätte sich wohl schwergetan, die Frage „Und was machst du so beruflich?“ zu beantworten.
Stellt sich die Frage, wie das Berufsbild der künftigen „Suchmaschinen-Optimierer:innen“ der Medizin aussehen könnte, und vor allem: Was schützt Ärzt:innen davor, eines Tages zur Gänze durch selbstlernende Maschinen ersetzt zu werden? Die Antwort lautet mit Stand heute: Empathie, Hausverstand, Moral und Verantwortlichkeit.
Christian Maté
Chefredaktion