Die Gesellschaft für Pharmazeutische Medizin (GPMed) fungiert als wissenschaftliches Forum für Ärzt:innen, Wissenschafter:innen und andere Gesundheitsberufe aus Akademie, Industrie, Behörden und anderen Institutionen, die sich mit der klinischen Entwicklung von Arzneimitteln beschäftigen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Mitglieder, um dadurch eine ständige Qualitätsverbesserung zu unterstützen.
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger, Vizepräsident der GPMed sowie Leiter der Univ.-Klinik für Klinische Pharmakologie, Medizinische Universität Wien, berichtet im Interview über die aktuellen Herausforderungen für die akademische Forschung in Österreich, über die Rolle von Kooperationen mit der Industrie sowie Maßnahmen zur Standortstärkung.
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger: Beginnen wir mit den positiven Aspekten: Es ist derzeit ganz gut um die akademische Forschung in Österreich bestellt. Österreich ist ein reiches Land, mit guter Forschung und guter medizinischer Versorgung. Das heißt, hier im Lande kann man Studien „State of the Art“ durchführen. Zudem hat die COVID-19-Pandemie für einen Boom im Bereich Forschung gesorgt, an allen medizinischen Universitäten in Österreich wurde in der Pandemiezeit so viel geforscht wie nie zuvor, da die Förderungen entsprechend hoch waren.
Jetzt zu den negativen Aspekten: Die Forschung in Österreich beruht stark auf engagierten Individuen – dort, wo es diese gibt, läuft es sehr gut, in anderen Bereichen aber leider weniger. Mittlerweile ist zudem die Fördersituation wieder auf das schlechte Niveau von vor der Pandemie gesunken. Als nationale Fördertöpfe stehen im Grunde nur mehr der Wissenschaftsfonds FWF und in Wien zudem der Bürgermeisterfonds zur Verfügung. Der Nationalbankfonds hat sich leider aus der medizinischen Forschung zurückgezogen. Die Volumina, die man von den aktuellen Förderstellen bekommt, sind derart gering, dass sich die Forscher:innen von Förderung zu Förderung „weiterhanteln“ müssen, was eine längerfristige Planung sehr schwierig macht, z.B. auch im Hinblick auf Personal. Hier sind Forscher:innen in anderen Ländern, vor allem in den USA, deutlich besser aufgestellt; dort werden auch risikoreiche Projekte mit hohen Fördersummen (zwischen 10 und 20 Mio. US-Dollar) unterstützt.
Definitiv! Es sind viele Regularien dazugekommen. Das Clinical Trials Information System (CTIS) beispielsweise bedeutet einen hohen Aufwand – große Unternehmen haben eigene Abteilungen, die das bewältigen können, für einzelne Forscher:innen ist das aber nicht mehr machbar.
Die Situation, Studien von außen nach Österreich zu bekommen, hat sich verschärft. Bei kleinen Studien gelingt uns das noch gut, bei großen nicht. Hier haben wir oft die Situation, dass Firmen betonen, dass wir zwar hoch qualifiziert sind, aber das einzige Zentrum in Österreich, und damit ist das Land für sie nicht interessant. Um hier gegenzusteuern, bräuchten wir mehr Forschungsnetzwerke in Österreich. In manchen Bereichen gibt es hierfür bereits gute Strukturen, in anderen herrscht aber Aufholbedarf.
Da habe ich zwei Wünsche: 1. Mehr große Förderungen! Da ist die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft gerade dabei, aktiv zu werden, was ich sehr begrüße. 2. Einen niederschwelligen Zugang für Forscher:innen zu Förderungen inkl. einer finanziellen Unterstützung des administrativen Aufwands, z.B. mit 5.000–10.000 Euro. Hier könnten zum Beispiel Politik, Universitäten und Pharmaunternehmen gemeinsam in einen Topf einzahlen und dieses Budget wird dann an Forschungsprojekte verteilt.
Mit dem Geld, das wir für Auftragsforschung erhalten, finanzieren wir akademische Forschung. Dadurch entwickeln wir gemeinsam innovative Medikamente, die den Patient:innen zugutekommen. Was ich mir von den Unternehmen wünschen würde, ist ein stärkeres Commitment zu Österreich bzw. generell zu Westeuropa. Viele Studien werden derzeit nach Osteuropa vergeben; dort kann man leichter rekrutieren, da dort einige Erkrankungen weniger gut behandelt werden können als in Westeuropa. Doch bei der EMA-Zulassung ist dieser starke Osteuropa-Fokus eher ungünstig; daher halte ich es für eine zu kurzfristige Denkweise, Studien vermehrt dort durchzuführen.
Was die Vertragsverhandlungen angeht, muss ich ehrlich sagen, dass die Vorstellungen von den Unternehmen teilweise nicht umsetzbar sind. Hier würde ich mir eine realistische Herangehensweise seitens der Firmen wünschen.
Die GPMed engagiert sich sehr, um über die Änderungen der Rahmenbedingungen zu informieren. So bieten wir beispielsweise immer wieder Fortbildungen zu CTIS und anderen regulatorischen Themen an. Der Research Innovation Circle (RIC) der GPMed unterstützt zudem bei allen Themen rund um Neuerungen in der Gesundheitsforschung, also z.B. bei Forschung mit Real-Daten – einem extrem wichtigen Forschungsfeld – sowie Studien mit Medical Devices etc.
Unser ClinOps Circle wiederum dient als Plattform für alle Themen aus dem operativen Bereich der klinischen Studien und versucht, dort bei der Lösung von Problemen zu unterstützen.
Last but not least bietet der Medical Affairs Circle ein Forum zum Austausch zu Themen aus dem Medical-Affairs-Bereich. Vernetzung ist uns generell ein sehr großes Anliegen, daher sind auch in unseren Arbeitskreisen Mitglieder aus allen Bereichen, die mit Forschung zu tun haben, vertreten. Denn wir sind überzeugt, dass es nur gemeinsam gelingen kann, Österreich als Standort für klinische Prüfungen international zum Wohle der Patient:innen zu profilieren.
Vielen Dank für das Gespräch!