Zukunft der urologischen Pathologie

Obwohl die Pathologie ein breit gefächertes, spannendes und eminent wichtiges klinisch diagnostisches Fach darstellt, steht sie bereits jetzt vor großen unüberwindbar erscheinenden Herausforderungen.

Mangel an Patholog:innen

So entscheiden sich kontinuierlich weniger junge Mediziner:innen nach Studienabschluss, eine Weiterbildung im Fach Pathologie und Molekularpathologie zu beginnen, und zusätzlich wird die verfügbare pathologische Arbeitskraft durch Teilzeitarbeit weiter reduziert. In Anbetracht der Überalterung der westlichen Industrienationen, der rapide steigenden Krebsinzidenzen und der immer präziser werdenden Onkologie mit stetig steigendem Anspruch an pathologische und molekularpathologische Diagnostik werden die Ansprüche an die Pathologie als Fach allerdings massiv zunehmen – und das bei zukünftig rapide sinkender Verfügbarkeit an Patholog:innen. Viele Strategien, mehr junge Mediziner:innen für das Fach Pathologie zu begeistern, sind allerdings gescheitert, und politische Maßgaben führen in stark regulierten Gesundheitssystemen wie in Deutschland trotz steigenden Bedarfs eher zur Verknappung von Weiterbildungs- und Facharztstellen in der breiten Krankenversorgung. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor, sich für die Pathologie als Fach zu entscheiden, ist die jüngst propagierte Abschaffung der Pathologie als Fach durch „künstliche Intelligenz“. Derartige Aussichten mögen zunächst sehr düster erscheinen, jedoch hat sich historisch erwiesen, dass der Mensch in der Not häufig am erfinderischsten ist.

Pathologie meets KI

Der folgende Beitrag soll ein kurzes Status-Update zur modernen Entwicklung der Pathologie besonders vor dem Hintergrund der künstlichen Intelligenz geben.

Was ist „künstliche Intelligenz“?

Zunächst stellt sich allerdings die Frage, was wir unter künstlicher Intelligenz verstehen. Grob gefasst handelt es sich dabei um einen Bereich der Informatik, der sich mit der Schaffung von Software-Algorithmen befasst, die Aufgaben ausführen sollen, die typischerweise menschliche Intelligenz erfordern. Dazu gehören Aktivitäten wie Lernen, Schlussfolgern, Problemlösen, Wahrnehmung, Sprachverständnis und Mustererkennung. Moderne KI-Systeme basieren dabei häufig auf maschinellem Lernen oder neuronalen Netzwerken (sog. Deep Learning), bei denen Computermodelle aus von Menschen vorgegebenen und aufbereiteten Daten lernen, um anschließend bestimmte Aufgaben ausführen zu können. Diese Technologie wird aktuell in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt – von der Spracherkennung und Bildanalyse über autonomes Fahren bis hin zu medizinischer Diagnose und personalisierten Empfehlungen in digitalen Diensten. Allerdings gilt in der KI-Entwicklung ein unumstößlicher Grundsatz: Die Qualität eines Algorithmus kann nur so gut sein wie die Daten, die für dessen Training verwendet werden – daher gilt auch „Rubbish in, Rubbish out“. Technisch gesehen sind sowohl supervisierte als auch unsupervisierte Algorithmen nicht als „intelligent“ anzusehen, sondern vielmehr als Algorithmen, die innerhalb riesiger Datenmengen Muster erkennen, um diese Daten besser klassifizieren zu können.
Daher ist der Terminus Pattern Recognition/Mustererkennung wesentlich zutreffender als der Terminus der künstlichen Intelligenz. Das enorme Potenzial solcher Algorithmen liegt also entweder in der Reproduktion bestimmter Klassifikationen (z.B. automatisierte Erkennung von Tumor versus Normalgewebe, automatisierte Graduierung von Tumoren) oder in der Ableitung neuer Informationen für die Vorhersage von Outcomes von Patient:innen oder Therapieansprechen.

Klassifikation von Tumorgewebe

Während der letztere Part aktuell noch intensiver Gegenstand der Forschung ist, finden Algorithmen zur Klassifikation von Tumorgeweben bereits Anwendung in der pathologischen Diagnostik. So haben zahlreiche Unternehmen und Arbeitsgruppen in den letzten Jahren Algorithmen zur automatisierten Gleason-Graduierung von Prostatabiopsie entwickelt, die wie in einer jüngst erschienenen Metaanalyse zusammengefasst eine hohe Genauigkeit aufweisen und bereits als kommerziell verfügbare Software von verschiedenen Firmen wie Page.AI vertrieben werden.1 Einige der erwähnten Studien haben klar gezeigt, dass solche Tools die Befundungsgeschwindigkeit massiv beschleunigen können und die durchschnittliche Befundqualität verbessern können (der Algorithmus wird nicht müde).

Entlasten nicht ersetzen: Da die informatischen Ergebnisse allerdings grundsätzlich menschlich validiert werden müssen, werden solche Tools weniger dazu beitragen, Patholog:innen zu ersetzen als vielmehr dazu, Patholog:innen massiv zeitlich zu entlasten, um somit bei nominell sinkender Arbeitskraft (Personalmangel) mehr Kapazitäten für andere diagnostische Aktivitäten freizumachen.

Automatisierte Detektion von Lymphknotenmetastasen

Weiteres Anwendungsgebiet wird aber auch die automatisierte Detektion von Lymphknotenmetastasen sein, deren analoge Erfassung eine nichttriviale hoch zeitaufwändige diagnostische Prozedur darstellt. Eine Zusammenfassung von Studien, die KI-Algorithmen für diese spezielle Aufgabe trainiert haben, zeigt, dass diese Tools ebenfalls erfolgreich an pathologischen Untersuchungsgütern angewendet werden können und damit potenzielle Anwendung in der pathologischen Diagnostik aller urologischer Malignome darstellen könnten.2 Ein weiteres denkbares Anwendungsgebiet ist die Erkennung verschiedener histologischer Entitäten. Dies ist besonders im Bereich des Blasen- und Nierenzellkarzinoms von Relevanz, da diese Entitäten mannigfaltige Histologien oder molekulare Subtypen mit unterschiedlicher klinischer Bedeutung aufweisen können. So konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass sich molekulare Subtypen, histologische Varianten und die Graduierung von Urothelkarzinomen mittels Deep -Learning-Algorithmen direkt von Routineslides vorhersagen lassen.3 Ähnliche Beobachtungen wurden auch für das Nierenzellkarzinom gemacht, bei denen gezeigt wurde, dass KI-Algorithmen verschiedene Histologien und die Graduierung der Tumoren rasch reproduzieren können.4

Prädiktion von molekularen Alterationen

Weitere Entwicklungen spielen sich derzeit auch in der Prädiktion von molekularen Alterationen ab, so zum Beispiel in der Prädiktion von FGFR3-Mutationen beim Harnblasenkarzinom. So konnten Loeffler et al. beispielsweise zeigen, dass mit eingeschränkten Sensitivitäten <80% FGFR3-Mutationen prädiziert werden können.5 Derartige Algorithmen sind zwar wissenschaftlich hoch spannend, sind aufgrund ihrer schlechten Sensitivität allerdings aktuell als Screeningtests nicht geeignet, da eine relevante Anzahl mutierter Tumoren nicht detektiert wird bzw. eine sehr hohe Anzahl an negativen Tumoren als mutiert klassifiziert wird (schlechte Spezifität).

Fazit

Zusammengefasst ist auch auf dem Gebiet der Uropathologie die KI-Forschung in vollem Gange. Einige Tools z.B. zur Graduierung von Prostatakarzinomen befinden sich bereits in klinischer Anwendung, andere werden folgen. Die künstliche Intelligenz stellt dabei eine hochattraktive Lösung für viele Probleme der modernen Pathologie dar, vor allem für die Kompensation des zunehmenden Pathologenmangels.