Antikörper-Wirkstoff-Konjugate in der Behandlung des Multiplen Myeloms

Die meisten Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) sind Chemoimmunkonjugate, bei denen ein Zytostatikum über einen Peptidlinker an einen Antikörper geknüpft ist. Der Antikörper bindet zunächst an einen Oberflächenrezeptor der Zielzelle und wird dann durch Rezeptor-vermittelte Endozytose in die Tumorzelle aufgenommen, wo dann der Wirkstoff freigesetzt wird.

Belantamab mafodotin

Belantamab mafodotin (Bela-maf) ist ein ADC zusammengesetzt aus einem Antikörper, der sich gegen BCMA (B-cell maturation antigen, ein Myelomzell-Antigen) richtet, und der anti-neoplastischen Substanz Monomethyl Auristatin F, welche die Polymerisation im Tubulusapparat blockiert.

Belantamab mafodotin wurde zunächst aufgrund der Ergebnisse der Phase-II-Studie DREAMM-2 zugelassen. Die Gesamtansprechrate lag bei 32 % bei schwer vorbehandelten Patient:innen, die mittlere Dauer des Ansprechens betrug 11 Monate. An Nebenwirkungen traten neben Thrombopenien auch eine Keratopathie und verschwommenes Sehen auf. Diese Symptome führten mitunter zu einer Therapieunterbrechung und waren reversibel.

In der Phase-III-Studie DREAMM-3 wurde Belantamab mafodotin mit Pomalidomid/Dexamethason (Pd) verglichen. Bela-maf führte gegenüber Pd nicht zu einer Verlängerung des progressionsfreien und Gesamtüberlebens. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde die Zulassung von Belantamab mafodotin aufgehoben.

In der Phase-III-Studie DREAMM-7 wurde Belantamab mafodotin in Kombination mit Bortezomib/Dexamethason (BVd) mit Daratumumab/Bortezomib/Dexamethason (DVd) verglichen. BVd zeigte sich hinsichtlich des PFS aber auch in der Gesamtansprechrate (ORR), der Negativitätsrate der minimalen Resterkrankung (MRD) und der medianen Dauer des Ansprechens (DOR) überlegen.

In der Phase-III-Studie DREAMM-8 wurde  Belantamab mafodotin/Pomalidomid/ Dexamethason (BPd) versus Pomalidomid/Bortezomib/Dexamethason (PVd) untersucht. Primärer Endpunkt war das PFS. Laut einer rezenten Pressemitteilung ist auch diese Studie positiv.

HDP-101

HDP-101 ist ein ADC, bei dem das Toxin Amanitin an einen ebenfalls gegen BCMA-gerichteten Antikörper konjugiert ist. Amanitin blockiert die RNA-Polymerase II und verhindert so die Bildung der mRNA. Dies führt zur Unterbrechung der Proteinbiosynthese und schließlich zur Apoptose. Amanitin wirkt besonders effektiv auf Tumorzellen mit einer 17p-Deletion.

Aktuell läuft eine multizentrische Phase-I/IIa-Studie für relapsierte/refraktäre Patient:innen. HDP-101 ist relativ gut verträglich, insbesondere kommt es nicht zum Auftreten einer Keratopathie.

Modakafusp alfa

Bei Modakafusp Alfa handelt es sich um ein ADC, bei dem der Fab-Teil an CD38 bindet, während α-Interferon an den Fc-Teil des Antikörpers konjugiert ist. Dadurch werden sowohl die angeborene als auch die adaptive Immunität aktiviert und damit ein Anti-Myelom-Effekt induziert. Derzeit laufen Studien mit Modakafusp Alfa in Kombinationen mit Lenalidomid und Daratumumab. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten neben Neutropenien und Thrombopenien v.a. Infektionen.

STI-6129

STI-6129 ist ein ebenfalls gegen CD38 gerichteter monoklonaler Antikörper, der kovalent an einen Duostatin-Tubulin-Inhibitor gebunden ist. Derzeit wird dieses Antikörper-Wirkstoff-Konjugat beim Multiplen Myelom und der Al-Amyloidose untersucht.

Indatuximab ravtansin

Indatuximab ravtansin ist ein gegen CD138 gerichteter monoklonaler Antikörper, der an ein zytotoxisches Maytansinoid-Derivat konjugiert ist. Das Maytansinoid-Derivats führt zu einer Interaktion mit den Mikrotubuli, was einen Arrest des Zellzyklus und in weiterer Folge eine Apoptose bewirkt.

Aktuell wird Indatuximab ravtansin in Kombination mit Lenalidomid und Pomalidomid untersucht. Die häufigsten Nebenwirkungen sind hämatologische Toxizitäten, die mitunter zu einem Therapieabbruch führen.

Darüber hinaus waren noch einige andere Antikörper-Wirkstoff-Konjugate in Entwicklung, die jedoch aufgrund erheblicher Toxizitäten gestoppt wurden. Aktuell steht in der Behandlung der Myelom-Erkrankung kein ADC zur Verfügung. Aufgrund der rezenten Studienergebnisse ist ein Comeback von Belantamab mafodotin zu erwarten. Zusätzlich könnten weitere Antikörper-Wirkstoff-Konjugate folgen.