Das Gesundheitswesen braucht mehr Geld. Das lässt sich nicht leugnen. Doch wie finanzieren wir das System nachhaltig? Jetzt lassen Ökonomen aufhorchen.
Im Frühjahr 1989, vor 35 Jahren, stürzte eine mit neun Passagieren und zwei Pilot:innen besetzte Linienmaschine der Vorarlberger Fluggesellschaft Rheintalflug beim Landeanflug auf den Schweizer Flugplatz Altenrhein in den Bodensee. Bei dem Flugunfall starben alle elf Personen an Bord, darunter der damalige österreichische Sozialminister Alfred Dallinger (SPÖ). Österreich verlor damals einen Minister mit Weitblick. Dallinger war ein Verfechter der Arbeitszeitverkürzung auf eine 35-Stunden-Woche. Seine umstrittenste Idee war die einer Wertschöpfungsabgabe zur Sicherung des Sozialversicherungssystems. Dallinger war klar, dass ein Sozialsystem, das sich primär über Abgaben auf Löhne und Gehälter finanziert angesichts von technologischem Fortschritt und demographischer Entwicklung irgendwann an Grenzen stoßen wird.
Jetzt zeigt sich das im Gesundheitswesen sehr deutlich: Der jüngste Bericht der Zielsteuerungskommission zeigt, dass die Gesundheitsausgaben zuletzt um 9,73 % über dem in der Zielsteuerung Gesundheit definierten „Kostendämpfungspfad“ gelegen sind. Der daraus resultierende Spardruck macht sich an allen Ecken und Enden und vor allem im Personalbereich bemerkbar. Die Gründe für den Anstieg: der medizinisch-technische Fortschritt und die demographische Entwicklung. Österreich altert und die Gesundheitsausgaben im Alter sind wenig überraschend höher als in jungen Jahren. Doch wie finanzieren? Mit Dallingers Wertschöpfungsabgabe, die einst als Maschinensteuer von der Wirtschaft verteufelt worden ist?
Jetzt lassen ausgerechnet Experten der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) im aktuellen Sozialbericht des Sozialministeriums aufhorchen. Sie fordern eine Vermögenssteuer, eine Erbschaftssteuer und eine Besteuerung der Bodenrente – vom liberalen Ökonomen Milton Friedman einst als die „am wenigsten schlechte Steuer“ beworben. Vermögende würden von der Steuerstruktur und Subventionen ebenso profitieren wie von Unterstützungen in Krisen und elementarem Eigentumsschutz, hätten aber gleichzeitig besseren Zugang etwa zu politischen Entscheidungsträgern. „Sie können den rechtlichen Rahmen viel einfacher als Arme und Menschen der gesellschaftlichen Mitte zu ihren Gunsten beeinflussen“, so die Studienautoren Pirmin Fessler und Martin Schürz. Die beiden plädieren deshalb für die Einführung von Steuern, die soziale Gleichheit fördern, zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen und das Potenzial haben, gleichzeitig Steuern auf Arbeit deutlich zu senken. Empirische Belege für ihre Forderungen sehen sie in der OeNB-Studie „Household Finance and Consumption Survey“ (HFCS). (rüm)