Impfen in Apotheken: Nur eine Frage der Zeit?

Österreich ist laut WHO bei der Dreifachimpfung (Diphtherie/Tetanus/Pertussis) weltweit auf Platz 130 von 190 Ländern, in Europa sogar auf dem letzten Platz. Bei anderen Impfungen sieht es nicht viel besser aus. Die gestiegenen Zahlen an Masern- und Keuchhustenfällen zeigen für MR Dr. Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, eines deutlich: „Impfen ist eine der wichtigsten Vorsorgemaßnahmen, die leider derzeit zu wenig beachtet wird.“ Der Impfpass sollte, besonders im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen geprüft werden, damit die Impfungen auch rechtzeitig aufgefrischt werden, sagt Steinhart.

Kritik an Kosten

Das Kinderimpfprogramm in Österreich sei schon sehr weit, aber es gebe danach eine Lücke, hält Dr. Rudolf Schmitzberger, Leiter des ÖÄK-Impfreferates, fest: „So sollte beispielsweise die im Kinderimpfprogramm etablierte Pneumokokken-Impfung auch für Erwachsene kostenfrei sein, ebenso die Impfung gegen das respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und die Impfung gegen Herpes Zoster“, betont Schmitzberger. Gerade die ältere Generation sei oft mit kostenpflichtigen Impfungen konfrontiert: „Ein bundesweites Impfprogramm sollte alle Altersgruppen einschließen und die finanziellen Hürden, gerade mit einem Blick auf die Senior:innen, überwinden“, appelliert Schmitzberger an die Politik. Ganz besonders Senior:innen hätten auch die maximale Sicherheit bei Impfungen verdient: „Das ist ganz klar die Impfung in der Ordination.“

Apotheken wollen impfen

Insgesamt fordern alle Stakeholder Maßnahmen, um das Impfangebot auszuweiten und die Teilnahme daran zu fördern. Bei einigen Punkten – wie der Forderung nach kostenfreien Impfungen – herrscht Einigkeit unter den Akteur:innen des Gesundheitswesens, bei anderen – wie dem Impfen in Apotheken – nicht. „Rund 2.500 Apotheker:innen sind dazu ausgebildet, impfen zu können. Sie stehen in bundesweit 1.000 Apotheken bereit, um den Menschen wohnortnah, sicher und unkompliziert eine Influenza-, FSME- oder COVID-19-Auffrischungsimpfung anzubieten“, betonte Apothekerkammer-Präsidentin Mag.a pharm. Dr.in Ulrike Mursch-Edlmayr bei einer Pressekonferenz. Dabei geht es um Auffrischungsimpfungen für Erwachsene, unterstrich Mursch-Edlmayr, Impfungen für Kinder und Risikopersonen sollen weiterhin nur in Ordinationen stattfinden. Die Dokumentation würde über die e-card erfolgen, bei Notfällen gäbe es Equipment wie EpiPen® vor Ort, die Rettung müsste man beispielsweise im Falle eines anaphylaktischen Schocks – wie es auch Ärzt:innen tun – sowieso rufen.

ÖGK und Patient:innen für Lockerung

Rückhalt holt sich Mursch-Edlmayr für ihre Forderung von Andreas Huss, Vize-Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Michaela Wlattnig, oberster Patientenvertreterin, Ingrid Korosec vom Österreichischen Seniorenrat und Peter Kostelka vom Pensionistenverband Österreichs. Sie alle sprechen sich klar für eine Ausweitung des Impfangebotes durch die Teilnahme der Apotheken am Impfprogramm aus. Für Huss überwiegen die Vorteile von Impfungen in Apotheken klar: „Aus anderen europäischen Nachbarländern gibt es gute Beispiele, die wir uns abschauen können. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, aber das Impfen in Apotheken wird kommen. Die Frage ist, wie lange der Widerstand noch anhält.“ Gemeint ist jener aus der Ärzteschaft.

Sicherheit bei Ärzt:innen

Steinhart ortet allerdings die Bevölkerung hinter der Ärzteschaft und verweist auf Umfrageergebnisse, wonach die Mehrheit der Österreicher:innen befürworten, dass Impfungen ausschließlich von vollumfänglich ausgebildetem medizinischem Personal, insbesondere von Ärzt:innen, durchgeführt werden. Für Steinhart absolut nachvollziehbar: Impfen sei schließlich mehr als nur ein Stich, erinnert der ÖÄK-Präsident. Die Bevölkerung in Österreich verfüge durch die niedergelassene Ärzteschaft über einen gut ausgebauten, niederschwelligen Zugang zu Impfungen. „Warum sollte man sich mit weniger als dem Goldstandard, also dem Impfen bei den niedergelassenen Ärzt:innen, zufriedengeben?“

Empörung über Apotheken

Empört zeigte sich Steinhart über die Aussage der Apothekerkammer-Präsidentin, wonach der „standespolitische Widerstand der Ärztekammer“ die „Gesundheit der Menschen“ gefährde. „Für uns Ärzt:innen sind der höchste Qualitätsstandard bei Impfungen und damit die maximale Sicherheit für Patient:innen das oberste Gut. Uns Gefährdung der Gesundheit zu unterstellen ist völlig inakzeptabel und wird von uns aufs Schärfste zurückgewiesen. Impfungen sind ein Meilenstein in der Prävention, jedoch müssen sie mit größter Sorgfalt und nach entsprechender Ausbildung durchgeführt werden, um Risiken und mögliche Nebenwirkungen bestmöglich zu verringern“, sagte Steinhart.

Ruf nach Kostenfreiheit

Einigkeit herrscht bei den Stakeholdern zumindest beim Thema Impfkosten. Im Rahmen der Gesundheitsreform stellen Bund, Länder und Sozialversicherung 90 Millionen Euro zusätzlich für das Impfangebot in Österreich zur Verfügung. Diese sollen laut Ärztekammer, Apothekerkammer, ÖGK, Pensionistenverband, Seniorenrat und auch Industrievertretung PHARMIG in eine Ausweitung des Impfprogramms für Erwachsene gesteckt werden. Laut den Expert:innen sei es dringend notwendig, Impfungen wie jene gegen Pneumokokken, RSV oder das Herpes-Zoster-Virus kostenfrei anzubieten, denn vor allem für ältere Menschen, für die diese Impfungen lebenswichtig sein können, wären sie eine hohe finanzielle Belastung. Die Forderung aller lautet daher, dass Impfungen aus dem Impfprogramm kostenfrei angeboten werden sollen. „Wir sollten damit beginnen, Zielgrößen für die Durchimpfungsraten bei den einzelnen Impfungen festzulegen“, fordert darüber hinaus die Präsidentin des Verbandes der Impfstoffhersteller Renée Gallo-Daniel. „Diese lassen sich zum Teil aus internationalen Empfehlungen ableiten, andere müssen anhand der lokalen Epidemiologie definiert werden. Wenn diese Zielgrößen vorliegen, können die entsprechenden Maßnahmen geplant und alle Ressourcen gebündelt werden, um sie zu erreichen.“ Außerdem gäbe es dadurch sowohl für die Beschaffungsstellen der öffentlichen Impfprogramme als auch für die impfstoffherstellenden Unternehmen mehr Planungssicherheit, und es könne sichergestellt werden, dass ausreichend Impfstoff verfügbar sei.