Eine aktuelle Analyse kommt zu ernüchternden Ergebnissen: Der Wirtschaftsstandort Österreich blickt auf ein Jahrzehnt des Stillstands zurück und die Gefahr eines Abstiegs ist größer denn je. Was muss passieren, damit der Sand wieder aus dem Getriebe verschwindet?
Bereits zum zehnten Mal wurde im Rahmen des Deloitte Radar die internationale Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Wirtschaftsstandortes analysiert. Rund 600 heimische Top-Führungskräfte wurden befragt und die wichtigsten globalen Indizes unter die Lupe genommen. Das ernüchternde Fazit: Fast jede zweite befragte Führungskraft bewertet die Stimmung am Standort mit „Genügend“ oder „Nicht genügend“.
„Österreich liegt im globalen Wettbewerb bestenfalls im Mittelfeld und hat in den letzten Jahren zunehmend an Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit verloren. Vergleichbare europäische Länder wie Dänemark, Norwegen, die Schweiz oder Schweden sind längst davongezogen. Dieser schleichende Abwärtstrend muss dringend umgekehrt werden“, betont Mag. Harald Breit, Geschäftsführer von Deloitte Österreich. „Wir müssen uns an den Besten messen und eine Aufholjagd starten. Dafür müssen zahlreiche Hebel in Bewegung gesetzt werden – angefangen bei der überfälligen Senkung von Steuern und Abgaben, über wirksame Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel bis hin zu Investitionen in Zukunftsfelder.“
Spürbare Steuer- und Kostensenkung
Seit Jahren klagen die Unternehmen über die hohen Kosten und Abgaben. Auch heuer beurteilt die Hälfte der befragten Führungskräfte den Bereich der Unternehmens- und Einkommensbesteuerung mit „Nicht genügend“ oder „Genügend“. Vor allem die Senkung der Einkommens- und Mehrwertsteuer sowie der Lohnnebenkosten hat laut Umfrage für die Wirtschaft höchste Priorität.
„Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels braucht es unbedingt eine weitere Abgabenentlastung beim Faktor Arbeit, um die knappen Personalressourcen aus dem In- und Ausland anzusprechen“, sagt Mag. Herbert Kovar, Managing Partner im Bereich Tax & Legal bei Deloitte Österreich. „Daneben wird auch massiv Kapital benötigt, damit Geschäftsmodelle in Österreich – nicht zuletzt in Richtung Green Economy – adäquat verändert werden können. Dafür sollten die Abgabenmaßnahmen endlich so gestaltet werden, dass sie keine abschreckende Wirkung auf Investorinnen und Investoren haben.“
Ein weiterer Stolperstein ist die sperrige Verwaltung: Die Bürokratie hierzulande wird aktuell von 58 % mit „Nicht genügend“ oder „Genügend“ beurteilt. Dementsprechend stehen Maßnahmen zum Bürokratieabbau ebenfalls weit oben auf der Wunschliste heimischer Unternehmen.
Ungenutzte Potenziale am Arbeitsmarkt heben
Neben hohen Abgaben und überbordender Bürokratie beschäftigt die österreichischen Unternehmen vor allem der Mangel an Arbeitskräften. Insbesondere die Verfügbarkeit von Fachkräften wird von knapp der Hälfte der Befragten ebenfalls nur mit „Nicht genügend“ oder „Genügend“ bewertet. Gleichzeitig bleiben am Arbeitsmarkt viele Möglichkeiten ungenutzt. Vor allem in den Beschäftigungsgruppen der Frauen und älteren, erfahrenen Arbeitnehmenden sowie bei Personen mit Migrationshintergrund schlummert ein unausgeschöpftes Potenzial.
„Den Unternehmen ist das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial bewusst, sie brauchen aber die Unterstützung der Politik, um es zu heben. Die Forderungen sind klar: ein Ausbau der Betreuungsangebote für Kleinkinder gerade zugunsten der vielen Mütter in Teilzeit, erleichterte Zuverdienstmöglichkeiten für Pensionistinnen und Pensionisten sowie nicht zuletzt ein schnellerer Arbeitsmarktzugang und eine Qualifizierungsoffensive für Menschen mit Migrationshintergrund“, bringt es Breit auf den Punkt.
Intelligent in Transformationsthemen investieren
Um zum europäischen Spitzenfeld aufschließen zu können, sind außerdem gezielte Investitionen in die großen Zukunftsfelder vonnöten. Neben der Energiewende liegt ein Investitionsschwerpunkt klar auf der digitalen Transformation. „Eine umfassende Digitalisierung der Verwaltung sowie des Bildungs- und Gesundheitssystems könnte Prozesse effizienter machen“, sind sich die Experten einig. Eine Stärkung der Forschung und Lehre im Bereich digitaler Technologien würde die Innovationskraft fördern. „Österreich hat in den letzten Krisenjahren die Zukunftsperspektive verloren und muss sich jetzt dringend neu fokussieren. Die Unternehmen haben bereits das richtige Mindset und klare Vorstellungen, was es für eine Spitzenpositionierung in Europa braucht. Jetzt ist die Politik gefordert, spätestens nach den anstehenden Wahlen Taten folgen zu lassen“, so Breit.