„Für Erfolg braucht es Diversität“

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Irene Fialka, Geschäftsführerin des Wiener Startup-Inkubators „INiTS“, erklärt was Diversität mit Innovation zu tun hat.

Sie sind stark vernetzt in der Health Startup-Branche in Österreich. Warum hat es Sie dorthin gezogen? Weil ich fasziniert davon bin. Es gibt so viele Menschen, die neue Lösungen finden, die neue Wege gehen möchten und sich immer und immer wieder fragen: Wie könnte man das anders machen, woran hakt’s noch? Und das finde ich einfach großartig. Ich mag die Herausforderung, Barrieren zu überwinden, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Am schönsten ist es dann, wenn etwas über einen ungewöhnlichen Weg, über eine Innovation, eine neue Technologie plötzlich doch oder besser funktioniert. Diese Erfolge fühlen sich gut an und machen Spaß – vor allem, wenn dann davon Patient:innen, wir alle, oder das Gesundheitspersonal profitiert.

Warum braucht es überhaupt Innovation im österreichischen Gesundheitswesen? Es gilt ja immerhin als eines der besten der Welt… Schon, aber erstens gibt es auch bei uns genug Probleme wie Personalmangel und fehlende Digitalisierung. Und zweitens halte ich es für richtig und wichtig, weiterzudenken und neue Lösungen zu finden, nicht stehenzubleiben und sich auf den alten Lorbeeren auszuruhen. Stehenbleiben bedeutet zurückfallen!

Was würden Sie also machen, wenn Sie Gesundheitsministerin wären? Im österreichischen Gesundheitswesen hat der oder die Gesundheitsminister:in aufgrund des dualen Systems eigentlich nicht viel Spielraum. Durch die Aufsplitterung der Finanzierungsquellen zwischen Bundesländern und Krankenversicherungen verlieren wir so viele Meter. Weil die Kosten ständig hin und her geschoben werden. Und nicht nur die Kosten, sondern auch die Patient:innen. Ich kenne Geschichten, wo Patient:innen mit dem Hubschrauber in ein Spital geflogen werden und dabei andere Spitäler überfliegen, wo sie vielleicht sogar besser behandelt werden hätten können. Hier wird klar, dass wir uns viel Geld sparen könnten, wenn es das duale System und den Föderalismus in dieser Form nicht gäbe. Dieses Umschichten und Verschieben von Geldtöpfen ist ein echter Wahnsinn.

Sie würden also, wenn Sie es könnten, den Föderalismus abschaffen? (lacht) Wenn es dafür eine Lösung gäbe, ja. Aber das System ist so komplex, ich habe da keine Hoffnung, dass sich das in naher Zukunft lösen lässt. Sinn macht es aber oft keinen. Ein Beispiel: Als man in Indien während der Pandemie anfing zu impfen, gab es in ganz Indien ein einziges Anmeldesystem, während es in Österreich neun gab. Das steht einfach nicht im Verhältnis und ist total ineffizient. Ich verstehe, dass es schwierig ist, das zu ändern. Aber wenn wir nicht in der Lage sind, die Entscheidungen anders umzusetzen, werden wir nur noch mehr Geld verschwenden. Und das können wir uns nicht (mehr) leisten.

Inwiefern beeinflussen Interdisziplinarität und Diversität die Arbeit und den Erfolg der Startups? Es gibt mittlerweile genügend Studien, die belegen, dass diverse Teams – egal, ob unterschiedliche Geschlechtsidentitäten, Ethnien, Kulturen, Alter oder aus unterschiedlichen Disziplinen – wesentlich erfolgreicher sind als nicht-diverse Teams. Und das sollte sich durch alle Ebenen in einem Unternehmen ziehen, angefangen bei der Führungsebene. Was ich so mitbekomme, brodelt es da eh schon. Aber es brodelt meiner Meinung nach zu langsam. Gerade wenn es um neue Technologien geht, sitzen meist wieder fast nur die immer gleichen Männer am Tisch. Da gibt es so viele Expertinnen, wie zum Beispiel bei Women in Health IT.

Das heißt auf der einen Seite wird Diversität vorangetrieben, auf der anderen Seite ist die Startup-Szene aber noch eine Männerdomäne? Ja. Wir sitzen da mit der Medizin im selben Boot. Vor allem Führungspositionen oder technische Jobs sind sehr männerlastig. Wobei es in meiner Branche etwas mehr Bewusstsein dafür gibt, kommt mir vor. Laut einer Statistik der Österreichischen Ärztekammer studieren mittlerweile sogar etwas mehr Frauen als Männer Medizin. In den Führungspositionen sieht es dann aber anders aus, dort finden sich in der Medizin dann nur 14 Prozent Frauen. Der Austrian Startup Monitor zeigt, wie viele Gründerinnen es in Österreich gibt. 2022 lag die Frauenquote bei 19 Prozent, 2023 nur mehr bei 17 Prozent. Bei uns im Inkubator waren es in der jüngsten Gruppe sogar 27 Prozent Gründerinnen, bei 50 Prozent der Startups sind Gründerinnen dabei. Das ist nicht perfekt, aber im internationalen Vergleich nicht schlecht. Trotzdem muss sich da noch viel tun, es braucht ein Umdenken.

Denken Sie, werden sich Diversität und Inklusion in Zukunft vermehrt durchsetzen? Grundsätzlich sehe ich sehr viel mehr Diversität als noch vor zehn Jahren. Bei INiTS schauen wir darauf, dass Gründungsinteressierte, egal welchen Geschlechts oder welcher Herkunft, wissen, dass Diversität wichtig ist, um erfolgreich zu sein. Das ist auch an vielen Unis und Studiengängen schon angekommen. Vor allem technische Fächer haben aber große Probleme, Frauen zu bekommen, auch weil vielen schon in der Schule eingeredet wird, dass Mädchen in Mathematik zum Beispiel unbegabter sind. Es führt alles darauf zurück, dass wir uns alle über unsere Vorurteile bewusstwerden und gegen sie arbeiten müssen. Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten sind im deutschsprachigen Raum auch ganz stark in der Sprache verankert. Wenn ich Arzt sage, dann denke ich an einen Arzt – und nicht an eine Ärztin. Deswegen ist es wichtig, Ärzte und Ärztinnen zu sagen. Oder Ärzt:innen. So oder so, es braucht auch die sprachliche Sichtbarkeit. (Das Interview führte Katrin Grabner.)

Der Text ist ein Auszug aus dem Buch „Jetzt reden wir! Wie Frauen das Gesundheitssystem neu denken“, erschienen im Ampuls-Verlag; ISBN: 978-3-9505385-3-3; 180 Seiten, 29,90 Euro