Im letzten Jahrzehnt hat sich das Management des Diabetes mellitus Typ 1 (T1D) vor allem durch technologische Fortschritte verändert. Eine Vielzahl innovativer Diabetestechnologien hat den Weg von Testungen in klinischen Studien in den Alltag von Menschen mit Diabetes mellitus gefunden und gelten als State-of-the-Art-Therapien in vielen Ländern.1 Insulinpumpen und Sensoren zur Glukosemessung haben sich sowohl im pädiatrischen Bereich als auch in der Betreuung von Erwachsenen im Vergleich zur bis vor Kurzem mehrheitlich durchgeführten Basis-Bolus-Therapie mittels Insulinpens und kapillären Blutzuckermessungen als zielführend und effektiv erwiesen.2–8
Sowohl die Vorteile von Glukosesensoren (Ersatz des blutigen Messens, kontinuierliche Verfügbarkeit von aktuellen Glukosewerten, Trendanzeigen, Alarmfunktionen) als auch die Vorteile der Insulinpumpentherapie (kontinuierliche Abgabe einer bis zu halbstündlich einstellbaren Basalrate, deutlich feinere Dosierbarkeit als bei Pens, Rechenunterstützung durch integrierte Bolusrechner) prädestinieren beide Systeme speziell für den Einsatz bei Kindern und Jugendlichen mit T1D. Insbesondere im Kindes- und Jugendalter ist die Verwendung von Insulinpumpen und CGM-Systemen daher sehr weit verbreitet, und die Nutzungsrate beträgt bei Kleinkindern für Insulinpumpen und CGM-Systeme > 90 %.9–11
Bei der kontinuierliche Glukosemessung („continuous glucose monitoring“, CGM) werden anstelle von Einzelpunktmessungen im Kapillarblut interstitielle Glukosekonzentrationen subkutan in 1–15-Minuten-Intervallen unter Verwendung von Elektroden über enzymatische Reaktionen oder Fluoreszenztechnologie gemessen. Als Real-Time-CGM (rtCGM) werden Systeme bezeichnet, die automatisch Messwerte an ein Empfangsgerät übertragen, kontinuierlich Messwerte und Trends anzeigen sowie Alarmfunktionen aufweisen (in Österreich verfügbar u. a. Dexcom-G6- bzw. -G7-Sensoren, Medtronic Guardian™-4- bzw. Simplera™-Sensoren, Abbott Freestyle Libre 3). Zusätzlich zu den rtCGM-Geräten sind Systeme zum intermittierenden Scannen eines CGM-Sensors (isCGM) verfügbar (in Österreich Abbott Freestyle Libre und Libre 2). Im Gegensatz zu rtCGM-Geräten zeigen isCGM-Systeme Messwerte nur dann „on demand“ an, wenn der Sensor mit einem Lesegerät gescannt wird. Die letzte Generation der isCGM-Systeme bietet Alarmfunktionen wie Hoch- und Tiefalarm auch in der Zeit zwischen den Scans.
CGM-Systeme haben sich von ungenauen, sperrigen Geräten bis zu Sensoren in Größe von Geldmünzen entwickelt, die auch mit Smartphones verbunden sind. Geräte der neuesten Generation werden werkseitig mit hoher Genauigkeit kalibriert, ohne die Notwendigkeit einer Kalibrierung mittels blutiger Messung. Die zeitliche Verzögerung zum Blutzucker (Echtzeitglukose) beträgt je nach Messsystem ca. 5–10 Minuten12, wird jedoch durch aktuelle Sensortechnologien nahezu ausgeglichen, sodass Sensormessungen neben Blutzuckermessungen immer häufiger direkt herangezogen werden, um Therapieentscheidungen zu treffen. Die letzten Sensor-Generationen sind zu diesem Zwecke auch dezidiert zugelassen („non-adjunctive usage“ oder „replacement claim“). Das heißt, CGM-Systeme haben die kapilläre Blutzuckermessung weitestgehend ersetzt, die Wirksamkeit bzw. Überlegenheit im Vergleich zur Blutzuckermessung ist durch Studien einschließlich Langzeitbeobachtungen belegt, und zwar unabhängig von der Art der Insulinabgabe.13–17
Heute ist die CGM-Technologie das Herzstück des Diabetesmanagements. CGM-spezifische Metriken, insbesondere die „Zeit im Zielbereich – Time in Range (TiR)“ (definiert als Prozentsatz der Zeit mit Sensorwerten zwischen 70 und 180 mg/dl) wurde als nützlicher Parameter in den klinischen Alltag und in der Forschung übernommen.18,19 TiR könnte im Bereich des T1D (aber auch darüber hinaus) sukzessive den HbA1C als integralen Parameter der glykämischen Kontrolle ersetzen.
Die Verwendung von Insulinpens in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit T1D ist im letzten Jahrzehnt stark zurückgegangen. Insulinpens sind dennoch für spezielle Gruppen eine willkommene Alternative zu Insulinpumpen, vor allem für jene Kinder und Jugendliche, die es ablehnen oder nicht vertragen, permanent Geräte am Körper bzw. auf der Haut zu tragen, womit der Diabetes anderen gegenüber auch weniger erkennbar bleibt. Auch die Pen-Technologie hat sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt, inklusive Speicherfunktionen letzter Insulindosierungen direkt am Pen (z.B. NovoPen® Echo). Neuerdings gibt es auch Smartpens bzw. verbundene Insulinpens oder Pen-Cap-Geräte, die mit Smartphone-Anwendungen und CGM gekoppelt sind (z.B. NovoPen® 6, NovoPen Echo® Plus mit z.B. LibreLink-App, Glooko®-Mobile App, mySugr® App, oder Medtronic InPen™ mit InPen™ App).
Der/die User:in kann so Dosierungen des verwendeten Pens automatisch erfassen, es können Warnungen und Erinnerungen getriggert werden (z. T. mit Hinweisen bei verpassten Dosen), und es stehen Dosierungsrechner zur Verfügung (z. T. mit Dosierungsempfehlung), die ähnlich wie auf Insulinpumpen das noch aktive Insulin („insulin on board“) bei der Kalkulation berücksichtigen und somit das Risiko einer Hypoglykämie bei wiederholten Bolus-Abgaben binnen kürzerer Zeitintervalle verringern.20
Bei der Insulinpumpentherapie handelt es sich um eine Form der funktionellen Insulintherapie, bei der zumeist ein schnell oder superschnell wirksames Insulin(-Analogon) subkutan mittels eines Katheters abgegeben wird; sowohl kontinuierlich als sogenannte Basalrate als auch als Bolus zum Essen und zur Korrektur. Die Verfügbarkeit neuer Insulinpumpen mit einer Vielzahl von Funktionalitäten hat die Insulintherapie für Menschen mit Diabetes revolutioniert, vor allem in Kombination mit dem Tragen von CGM-Systemen und Koppelung beider Technologien im Sinne einer automatisierten, glukoseresponsiven Insulinabgabe.
Systeme mit automatischer Abschaltung der Insulinzufuhr bei Erreichen eines unteren Glukose-Grenzwertes/Hypoglykämie (sogenannte LGS-Systeme, Low-Glucose Suspend) bzw. vorausschauende Abschaltung bei drohender Hypoglykämie (sogenannte PLGS-Systeme, Predictive Low-Glucose Suspend) sind in Österreich seit geraumer Zeit verfügbar und haben sich vor allem in der Verringerung der Hypoglykämiehäufigkeit und -dauer bewährt.21–23
Komplexere Systeme, sogenannte Automated-Insulin-Delivery-(AID-)oder auch Closed-Loop-Systeme, sind in den letzten Jahren bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes vermehrt im Einsatz und können wohl als State-of-the-Art-Therapie bezeichnet werden. AID-Systeme messen kontinuierlich den Glukosespiegel und passen die Insulinzufuhr automatisch nach oben bzw. unten an, um den Blutzucker im optimalen Bereich zu halten.
Ein Überblick über AID-Systeme gibt es in einer Fortsetzung dieses Artikels in der nächsten Ausgabe der Ärzte Krone.