Stopp für Alzheimer-Mittel ist „Rückschlag für Europa“

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Ein neuer Alzheimer-Wirkstoff stieß bisher bei Expert:innen auf Euphorie. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hat sich nun aber gegen eine Zulassung ausgesprochen.

Der Wirkstoff Lecanemab wirkt bereits in den frühen Phasen von Alzheimer und kann den Krankheitsverlauf um etwa 30 Prozent abbremsen. In den USA wurde ein darauf basierendes Medikament schon Anfang 2023 über ein beschleunigtes Verfahren zugelassen. In der EU rechneten Expert:innen mit einer Zulassung im ersten Halbjahr 2024. Nun, Ende Juli, gab die europäische Arzneimittelagentur EMA überraschend bekannt, dass das Medikament abgelehnt wurde. Das Risiko schwerer Nebenwirkungen des Antikörpers sei höher zu bewerten als die erwartete positive Wirkung. Elisabeth Stögmann, Leiterin der Spezialambulanz am AKH Wien und Präsidentin der Österreichischen Alzheimergesellschaft, sprach am Dienstag von einem „Rückschlag für Europa“.

Die Behörde hatte insbesondere auf mögliche Wassereinlagerungen und Blutungen im Gehirn von Menschen verwiesen, die mit dem Präparat behandelt werden. Daher muss eine Therapie regelmäßig mit Untersuchungen per Magnetresonanztomografie kontrolliert werden. Der zuständige Ausschuss der EMA entschied, „dass der beobachtete Effekt des Präparats beim Abbremsen des kognitiven Verfalls das Risiko von ernsthaften Nebenwirkungen (…) nicht aufwiegt“. Laut Stögmann sei es schwierig zu sagen, ob die EMA-Entscheidung richtig oder falsch ist. Aber: „Aus meiner Sicht ist es auf jeden Fall ein Rückschlag für Europa und zwar einerseits auf einer individuellen Ebene für betroffene Patient:innen, die diese Therapie ja potenziell jetzt bekommen hätten können. Aber schon auch auf einer wissenschaftlichen Ebene im Sinne des Fortschrittes, weil es doch aus meiner Sicht – und auch aus Sicht der gesamten internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft – ein Meilenstein in der Therapieentwicklung der Alzheimererkrankung gewesen ist.“

Bezüglich der Nebenwirkungen müsse man laut der Medizinerin differenzieren: Zwölf Prozent der Patient:innen haben Nebenwirkungen bekommen, nämlich Hirnschwellungen. Bemerkt hätte dies nur ein Drittel, die anderen wurden per Magnetresonanztomografie detektiert. „Das heißt, sie haben diese Nebenwirkungen nicht bemerkt. Und wirklich schwerwiegende Nebenwirkungen sind in ein bis zwei Prozent der Menschen aufgefallen. Da muss man sicher genau hinschauen, aber es ist doch ein geringer Prozentsatz, der zusätzlich auch noch minimiert werden könnte, wenn man eine bestimmte genetische Risikokonstellation beachtet und eine gute Bildgebung macht“, betont Stögmann gegenüber RELATUS.

Wird ein neues Medikament durch die EMA abgelehnt, steht dahinter immer eine Abwägung, sagte Markus Zeitlinger, Leiter der Abteilung für Pharmakologie an der Medizinuni Wien, ebenfalls im Ö1-Morgenjournal. „Und in diesem Fall war es eben so, dass diese Kombination zu keinem positiven Nutzen-Kosten-Verhältnis geführt hat.“ Zeitlinger betonte die Wichtigkeit, „dass man in Europa unabhängig agiert“. „Ich möchte jetzt gar nicht sagen, war die Entscheidung der FDA richtig oder war die Entscheidung der EMA richtig. Aber ich finde es sehr wichtig, dass man das differenziert anschaut, weil das schon auch wichtig ist für die Patient:innen zu sehen, dass man sich sehr wohl den Kopf zerbricht. Und nicht weil ein Dominostein fällt sozusagen, alle andere dem nachgehen, unabhängig davon, ob diese Entscheidung jetzt richtig oder falsch ist“, betonte Zeitlinger. Infrage käme der Antikörper Lecanemab nur für einen sehr begrenzten Kreis, nach Einschätzung von Expert:innen für weniger als zehn Prozent der Patient:innen. (red/APA)