Gibt es zu wenig Gesundheitsbeschäftigte? Oder sind sie nur „falsch verteilt“, wie die Politik behauptet? Ein paar Gedanken, woran es wirklich mangelt.
Im Gesundheitssystem fehlen aktuell 2.100 Mediziner:innen und 6.583 Pflegekräfte. Das hat – wie berichtet – eine neue Studie ergeben. Da müssten alle Alarmglocken schrillen, hört man von der politischen Opposition. Die Frage ist nur, wer denn nun alarmiert sein soll. Und da zeigt sich, dass große Uneinigkeit darüber herrscht, wo die Ursache für den Mangel ist. Tatsächlich fehlen die Menschen nämlich nicht, sie sind nur nicht dort, wo die Politik oder die Gesundheitsunternehmen sie gerne hätten. Anders gesagt: Es gibt nicht zu wenige Menschen im Gesundheitswesen, sondern unbesetzte Posten. Und zwar bei Kassenstellen, in den Spitälern und in Pflegeinrichtungen. Das wiederum bedeutet: Wir haben nicht zu wenig Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten wollen, wir haben unattraktive Arbeitsplätze.
Die Antwort der Politik ist aber eine andere: Höhere Gehälter fordern die einen; mehr Medizinstudienplätze, um endlich wieder genug Ärzt:innen auszubilden, fordern die anderen; in der Pflege wird eine Lehre ausprobiert und es werden neue Karrieremöglichkeiten geschaffen. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) wiederum setzt auf eine geplante Studie der EU: „Mein Vorschlag, das Thema der Studierendenabwanderung auf europäischer Ebene intensiver zu behandeln, ist aufgegriffen worden. Zu diesem Thema folgt nun eine europaweite Studie.“
Macht das die bestehenden Arbeitsplätze attraktiver? Kaum. Egal mit wem ich in den vergangenen Wochen und Monaten im Gesundheitswesen geredet habe, alle sind sich einig, dass der Druck auf die Beschäftigten im Gesundheitswesen überall zunimmt. Das frustriert, weil Ärzt:innen, Pflegekräfte, Apotheker:innen und MTD tagtäglich zusehen müssen, wie bedürftige Menschen nicht optimal versorgt werden können. Weil die Zeit fehlt, weil Medikamente fehlen, weil an Strukturen gespart wird, weil aufgrund von Personalmangel Stationen, Betten oder Operationssäle gesperrt sind. Dabei haben alle diese Menschen einen Gesundheitsberuf erlernt, weil sie Menschen helfen wollen. Doch die Arbeitsplätze werden immer unattraktiver.
Gleichzeitig gibt es Bereiche, die attraktiver sind. Und siehe da: Dort gehen die Gesundheitsbeschäftigen auch gerne hin. Und zwar nicht wegen besserer Einkommensstrukturen, sondern wegen flexibleren Arbeitszeiten, wegen mehr Autonomie, wegen mehr Freiheit, weil sie mehr Zeit für die Menschen haben. In der Pflege sind das die neuen Community Nurses. Hier gibt es keinen Personalmangel. In der Medizin ist das der Bereich der Wahlärzt:innen. Über Letztere wird viel gestritten und polemisiert. Was übersehen wird: Der Boom in beiden Bereichen ist vor allem ein Beleg für das Systemversagen in anderen Bereichen. Das öffentliche Gesundheitssystem ist unflexibel, erstarrt, hierarchisch und steht unter Spardruck. Warum sollen sich das Menschen antun, wenn es Alternativen gibt? Die Antwort darauf kann nicht die Einschränkung der Alternativen sein, wie sie in der Wahlarztdebatte versucht wird. Die Antwort muss ein Umbruch im System sein mit einer Attraktivierung der Arbeitsbedingungen. Denn das kommt letztlich auch den Patient:innen zugute.
Doch diese Debatte wird bisher nicht geführt. Aber sie ist hiermit eröffnet: Ich lade Sie ein, mir Ihre – konkreten – Vorschläge zu schicken. Wie könnten attraktivere Arbeitsplätze für Gesundheitsberufe aussehen? Ihre Ideen werden gesammelt und anonymisiert in die Debatte eingebracht. Reden wir nicht mehr über die unattraktiven Dinge, reden wir über eine bessere Zukunft. Schicken Sie Ihre Antworten an: debatte@gesundkommunizieren.at (rüm)