Die arterielle Hypertonie bleibt eine der weltweit häufigsten und potenziell beeinflussbaren Ursachen für Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulären Tod. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Lebensalter. Während nur etwa 3% der Kinder erhöhten Blutdruck haben, beträgt die Rate bei über 80-Jährigen bis zu 80 %. In der Gruppe der über 65-jährigen Menschen haben bei beiden Geschlechtern fast 2 Drittel einen Bluthochdruck.
In den aktuellen Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der arteriellen Hypertonie wird besonderer Wert auf die Erhebung des funktionellen Zustands einschließlich Kognition und Frailty gelegt. Das rein chronologische Alter allein bestimmt nicht das Behandlungsziel des Blutdruckes. Dafür muss immer die klinische Gesamtsituation der individuellen Patient:innen betrachtet werden. Ältere Menschen profitieren zwar von einer adäquaten Blutdruckeinstellung, sind aber auch anfälliger für potenzielle Nebenwirkungen der antihypertensiven Therapie. Damit wird das optimale Management der arteriellen Hypertonie bei älteren Menschen zu einer besonderen Herausforderung.
Für die Zunahme der Häufigkeit der arteriellen Hypertonie im Alter sind Lebensstilfaktoren wie Adipositas, Bewegungsmangel, hoher Salzkonsum und andere ernährungsbezogene Faktoren sowie eine abnehmende Nierenfunktion verantwortlich. Bei älteren Menschen treten eine Reihe von Komorbiditäten (Tab.) gehäuft und zum Teil in Kombination auf, die mit einer Zunahme an unerwünschten Wirkungen beim Einsatz von blutdrucksenkenden Maßnahmen vergesellschaftet sind.
Es ist zu berücksichtigen, dass die Gruppe der über 65-jährigen Menschen eine – bezogen auf funktionellen Status und Begleiterkrankungen – insgesamt sehr heterogene Patientenpopulation darstellt. Ältere Menschen brauchen generell individualisierte Behandlungs- und Managementstrategien. Es sind vor allem Aspekte von Medikamenteninteraktionen und die Verträglichkeit antihypertensiv wirkender Pharmaka zu beachten. Der funktionelle Status der individuellen Patient:innen (selbstständig, unterstützungsbedürftig, pflegebedürftig) ist bei der Therapieentscheidung wichtiger als nur das chronologische Alter. Zahlreiche Studien konnten etwa für sehr alte, sich allerdings völlig selbstständig versorgende Menschen einen klinisch relevanten Benefit einer Blutdrucksenkung klar nachweisen. Es ist unklar, ob diese Studienergebnisse auch für gebrechliche und pflegebedürftige Menschen mit Bluthochdruck gelten, da solche Personen in Anbetracht ihrer Komorbiditäten und reduzierten Lebenserwartung in klinischen Studien kaum repräsentiert sind.
Die Diagnosestellung einer arteriellen Hypertonie sollte durch zumindest mehrere Messungen in der Ordination oder ambulante Blutdruckmessungen (Selbstmessungen oder Langzeitblutdruckmessung) gestellt werden. Die Bedeutung von korrektem Messen des Blutdruckes kann in diesem Zusammenhang nicht genug betont werden (Messung in Ruhe, nach mindestens 5 Minuten Sitzen, zumindest 3 Messungen, es soll der Mittelwert der letzten 2 Messungen verwendet werden).
Die Empfehlungen der Fachgesellschaften sehen vor, dass alle älteren und sehr alten Patient:innen ab einem systolischen Blutdruck über 160 mmHg eine blutdrucksenkende Therapie erhalten sollen. Bei systolischen Blutdruckwerten zwischen 140 mmHg und 160mmHg besteht eine Therapieempfehlung für Menschen über 65 Lebensjahre, jedoch nicht zwingend für sehr alte Personen über 80 Jahre. Für beide Altersgruppen liegt der anzustrebende Zielbereich bei 130–139/70–80mmHg, wobei bei über 80-Jährigen besonders auf die Verträglichkeit zu achten ist.
Auch beim alten Menschen mit Erstdiagnose einer arteriellen Hypertonie soll neben einer sorgfältigen Anamnese und klinischen Untersuchung eine Labordiagnostik einschließlich Blutbild, Schilddrüsenfunktion, Nierenfunktion, Elektrolyte und Albumin-Kreatinin-Ratio im Harn sowie ein 12-Ableitungs-EKG durchgeführt werden. Eine Fundoskopie soll bei Patient:innen mit schwerer Hypertonie (Grad II–III) sowie für hypertensive Patient:innen mit Diabetes durchgeführt werden. Bei hypertensiven Patient:innen mit neurologischen Symptomen oder kognitivem Abbau sollte einmalig eine zerebrale Bildgebung des Gehirns erwogen werden. Modifizierbare Faktoren den Lebensstil betreffend sollen erhoben werden. Als Grundlage für das Gesamtmanagement eine:r individuellen Patient:in ist es erforderlich, zusätzliche kardiovaskuläre Risikofaktoren und Begleiterkrankungen zu identifizieren. Menschen mit Hypertonie und auch mit starken täglichen Blutdruckschwankungen haben ein erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken. Umgekehrt gibt es klare Hinweise dafür, dass Patient:innen, deren Bluthochdruckerkrankung behandelt wird, ein signifikant geringeres Risiko haben, eine Demenz zu entwickeln.
Trotz bestehender Einschränkungen der funktionellen Kapazität, etwa in Zusammenhang mit orthopädischen Problemen oder Visusminderung, sollten ältere Menschen zu einer Optimierung ihres Lebensstils motiviert werden. Dies beinhaltet eine moderate Restriktion der Salzzufuhr sowie gegebenenfalls eine Alkoholrestriktion, regelmäßige körperliche Aktivität, eine Normalisierung des Körpergewichts bei Adipositas sowie Ernährungsmaßnahmen mit reichlichem Genuss von Obst, Gemüse und ungesättigten Fettsäuren. Bei der Empfehlung zur Gewichtsreduktion ist eine gewisse Vorsicht angezeigt, da gerade bei gebrechlichen Menschen eine Sarkopenie vermieden werden soll.
Die medikamentöse Therapie umfasst primär die RAS-Blocker (ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptorblocker), Kalziumkanalblocker und Diuretika (Thiazid und thiazidähnliche Substanzen). Bei den meisten Patient:innen unter 80 Jahren sollte bereits zu Therapiebeginn ein Zweifach-Kombinationspräparat (ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker plus Diuretikum oder plus Kalziumkanalblocker) verordnet werden. Im Falle eines nichtausreichenden Therapieerfolges soll eine Triple-Kombination aus RAS-Blocker (ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker) plus Kalziumkanalblocker plus Diuretikum eingesetzt werden. Bei Therapieresistenz trotz antihypertensiver Dreifach-Kombination (24-Stunden-Blutdruckmessung, Überprüfung der Therapietreue, Abklärung einer eventuellen sekundären Hypertonie) können in weiterer Folge Spironolacton, Betarezeptorenblocker, Alpharezeptorenblocker (Cave: Nebenwirkungen einschließlich orthostatische Dysregulation) oder zentral wirksame Antihypertensiva eingesetzt werden. Der Einsatz von Kombinationspräparaten in einer Tablette ist immer anzustreben, um die Adhärenz zu verbessern.
Bei älteren Patient:innen sollten Dosistitrationsschritte vorsichtig gewählt und besonders auf Nebenwirkungen geachtet werden. Die Messung des Blutdruckes im Stehen (orthostatische Dysregulation), Kontrollen der Nierenfunktion und Elektrolyte sowie Verlaufskontrollen mittels ambulatorischer Blutdruckmessung können die Therapieanpassung erleichtern.