Spezifische Hormontherapierisiken für Transgender-Personen

Transgender-Personen sind Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. In diesem Sinne sind Transfrauen Personen, die sich als weiblich definieren, deren Geschlecht bei der Geburt jedoch als männlich festgelegt wurde; und Transmänner sind Personen, die sich als männlich definieren, deren Geschlecht bei der Geburt jedoch als weiblich eingetragen wurde. Der Begriff „Transsexualität“ als Diagnose wurde in den neuesten Versionen des ICD 11 und DSM-V durch „Genderinkongruenz“ bzw. „Geschlechtsdysphorie“ ersetzt.1, 2 Epidemiologische Untersuchungen schätzen, dass sich 0,5–1,3 % aller bei der Geburt als männlich definierten Personen als Transfrauen und 0,4–1,2 % aller bei der Geburt als weiblich definierten Personen als Transmänner identifizieren.3

Die Ziele einer GAHT sind es, die vorhandene Geschlechtsdysphorie zu reduzieren; das heißt, die mentale Gesundheit zu verbessern und den Leidensdruck zu reduzieren, sekundäre Geschlechtsmerkmale des gewünschten Geschlechts zu entwickeln und die des geborenen Geschlechts zu unterdrücken.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigte höhere Mortalitätsraten bei Transgender-Personen im Vergleich zur Cisgender-Gesamtbevölkerung, die von den Autor:innen auf mangelhafte Prävention von kardiovaskulären und onkologischen Erkrankungen sowie erhöhte Suizidraten zurückgeführt werden.4

GAHT bei Transfrauen

Die GAHT bei Transfrauen umfasst eine entweder orale, transdermale oder intramuskuläre Verabreichung von Östrogen zur Stimulierung der Bildung von sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmalen wie etwa Brustwachstum, höherem Körperfettanteil und einer gynoiden Umverteilung der Fettmasse. Östrogen kann entweder in synthetischer Form als Ethinylestradiol (obsolet wegen Thromboserisiko) oder als natürliches E2 verabreicht werden. Da eine reine Östrogentherapie meist nicht ausreicht, um die gewünschten Effekte zu erzielen, wird zusätzlich eine antiandrogene Therapie (GnRH-Analoga, Cyproteronacetat, Spironolacton) verabreicht. Niedrig dosiertes CPA (in Europa am häufigsten eingesetzt) ist kosteneffizient und wirksam, von einer dauerhaften Einnahme hoher Dosen wird abgeraten (geringes, jedoch relativ erhöhtes Meningeomrisiko).5 Eine zusätzliche Einnahme von Progesteron zur Förderung des Brustwachstums wird in den aktuellen Leitlinien nicht empfohlen (kein signifikanter Nutzen, erhöhte Risiken).6, 7

Herz-Kreislauf-Risiko

Es fehlen große, prospektive Langzeitstudien dazu sowie Studien mit teilnehmenden Personen über 50 Jahre. Bisher deuten Studien auf ein erhöhtes KV-Risiko bei Transfrauen vs. Cisgender-Frauen, jedoch ein ähnliches Risiko vs. Cisgender-Männern hin. Auch der Zeitpunkt des Starts der GAHT könnte einen Einfluss auf das KV-Risiko haben. Das Schlaganfallrisiko scheint bei Transfrauen generell erhöht zu sein.5, 8 Zudem steigt bei Transfrauen auch das venöse Thromboserisiko verglichen mit dem Risiko beider Cisgender-Geschlechter an. Dieses Risiko kann durch Wechsel zu einem transdermalen Präparat minimiert werden (ab 40 Jahren in Betracht zu ziehen).8, 9 Zusätzlich zu kardiovaskulären Komorbiditäten scheint auch die Insulinresistenz bei feminisierender GAHT anzusteigen (Typ-2-Diabetes-Inzidenz bleibt jedoch ähnlich).10

Knochen

Bei Transfrauen über 50 Jahre besteht ein erhöhtes Frakturrisiko vs. Cisgender-Männern, nicht jedoch vs. Cisgender-Frauen. Es wird daher angenommen, dass adäquate Östrogenspiegel unter feminisierender GAHT ausreichen, um einem – vs. Cisgender-Frauen – erhöhten Osteopenie- oder Osteoporoserisiko vorzubeugen.

Krebsrisiko

Darüber hinaus könnte eine GAHT das Risiko für HR-positive Krebserkrankungen inkl. Mamma- und Prostatakarzinom erhöhen. Obwohl die Brustkrebsrate von Transfrauen etwas niedriger als bei Cisgender-Frauen bleibt, steigt sie jedoch während feminisierender GAHT verglichen mit Cisgender-Männern an. Daher wird ein Brustkrebs-Screening wie bei Cisgender-Frauen empfohlen.

GAHT bei Transmännern

Die GAHT bei Transmännern besteht aus einer transdermalen, intramuskulären oder subkutanen Gabe von Testosteron (zusätzliche Therapie i. d. R. nicht erforderlich). Unter maskulinisierender GAHT treten unter anderem Veränderungen der Körperzusammensetzung auf, wie ein niedrigerer Körperfettanteil, ein höherer Muskelmasseanteil sowie tiefere Stimme, Ausbleiben der Menstruation und Vergrößerung der Klitoris.

Herz-Kreislauf-Risiko

Eine maskulinisierende GAHT kann zu einer Erhöhung von KV-Risikofaktoren wie z. B. höherem systolischem Blutdruck, niedrigeren HDL-(High-Density-Lipoprotein-), höheren LDL-(Low-Density-Lipoprotein-), Triglyzerid- und Entzündungswerten führen. Die Langzeitauswirkungen auf die Inzidenz von KV-Erkrankungen sind noch nicht vollständig geklärt. Manche Studien deuten auf eine Erhöhung vs. Cisgender-Frauen hin. Bisher konnte auch kein Effekt auf Zuckerstoffwechsel oder Insulinresistenz festgestellt werden.11

Krebsrisiko

Die Datenlage zu Transmännern ist derzeit begrenzt, weist aber keine Sicherheitsbedenken auf. Transmänner, die sich gegen geschlechtsangleichende Operationen entscheiden, wird empfohlen, weiterhin Screening-Untersuchungen für Brust- und Gebärmutterhalskrebs in den empfohlenen Intervallen durchführen zu lassen.

Resümee

Insgesamt sind die Daten zu den Langzeitauswirkungen sowohl der feminisierenden als auch der maskulinisierenden GAHT derzeit noch unzureichend. Basierend auf den derzeitigen Studien scheint eine Testosterontherapie bei Transmännern in Bezug auf kardiovaskuläre und onkologische Erkrankungen durchwegs eher risikoarm zu sein. Zusammenfassend ist eine feminisierende GAHT nicht unproblematisch, aber im großen Ganzen bei engmaschiger Betreuung relativ sicher. Besondere Aufmerksamkeit sollte bei der Gruppe der Transfrauen auf das erhöhte Risiko für thromboembolische Ereignisse gelegt werden. Daher sollte eine GAHT bei zunehmendem Alter, BMI und anderen kardiovaskulären Risikofaktoren regelmäßig entsprechend angepasst werden. Weiters sollte die Besprechung von modifizierbaren Lebensstilfaktoren wie Rauchen oder Übergewicht einen wichtigen Bestandteil einer Konsultation in einer Transgenderambulanz darstellen.