Kongressnachlese ÖGAM-Fachtag

Das Ziel an diesem ÖGAM-Fachtag Allgemein- und Familienmedizin war, eine praxisrelevante, anwendbare und unabhängige Fortbildung in hoher Qualität sowohl für ausgebildete Ärzt:innen für Allgemeinmedizin als auch für Studierende zu veranstalten. Unabhängig bedeutete auch, dass auf Sponsoring im Bereich der pharmazeutischen Industrie und der patientenbezogenen Medizinprodukte verzichtet werden musste und daher die Vorbereitungsarbeiten durchwegs ehrenamtlich erfolgten. In mehreren Online-Meetings wurden inhaltliche Gestaltung und Einladung von Vortragenden, Finanzierung, Werbung und digitaler Flyer, Lokation und Catering besprochen und finalisiert.

Als Einstimmung nahm ÖGAM-Präsidentin Susanne Rabady in ihrer Eröffnungsrede „Ein Tag für ein Fach“ den neuen zukünftigen Titel „Facharzt für Allgemeinmedizin“ unter die Lupe – was verbinden wir intuitiv mit dem Begriff Facharzt, wie wird derzeit die Allgemeinmedizin wahrgenommen, und was ist ihre tatsächliche Bedeutung innerhalb des Gesundheitssystems?

Wolfgang Fuchs, Facharzt für Dermatologie und Venerologie sowie Arzt für Allgemeinmedizin aus dem Burgenland, hielt einen überaus unterhaltsamen (Zitat: „Es ist nie die Waschmittelallergie.“) und anschaulichen Vortrag zum Thema Haut in der Allgemeinmedizin. Anhand der gezeigten Bilder wurden wir ermutigt, zu beschreiben – Primäreffloreszenzen, Sekundäreffloreszenzen, Flecken, Erhöhung, Vertiefung, solide und nichtsolide, Verhärtung, Auflagerung, Schuppen, Krusten, nässend etc.– und die Anamnese zu beachten: äußere Noxen – mögliche Zusammenhänge mit Beruf, Kontakt mit Tieren, innerlich einwirkend, zyklusabhängig usw. Tipps für die Therapie gab es natürlich auch, und wir lernten, dass Murmeltierfett unter anderem Hydrocortison (Klasse 1) enthält, und sahen das Bild einer Acrodermatitis chronica atrophicans in einem Werk von Gustav Klimt.

Camilla Wiesenthal, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe aus Wien, gab in ihrem Vortrag „Beratungsanlass Familienplanung – muss ich immer überweisen?“ einen durchaus praxisrelevanten Überblick über die verschiedenen Arten von Kontrazeptiva und die jeweilige Eignung für bestimmte Personengruppen je nach Alter, Regelmäßigkeit oder Unregelmäßigkeit des Zyklus, Knochendichte, zusätzlich erwünschter Wirkung als Endometriosetherapie, Auswirkungen auf Thromboserisiko, Blutdruck, etwaigen Regelschmerzen, Migräne, Körpergewicht und nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der Kosten.

Nach einer Kaffeepause fanden Parallel Sessions statt – ein Vortrag über PrEP und STD in der hausärztlichen Praxis von Markus Brose, Allgemeinmedizin, Wien, sowie zwei Workshops mit dem Titel „Wie verschreiben wir? Ein Praxisaustausch zur Verschreibung von Benzodiazepinen und Antibiotika“ (Lisa Lehner, Uni Wien, und Honja Hama, MedUni Wien) bzw. teambasierte Versorgungsmodelle – Unterstützungsangebote der Plattform Primärversorgung & Förderungen (David Wachabauer, Maximilian Schwarz, Philipp Heinrich von der GÖG).

Gespannt waren wir auf das Update Fachärzt:in für Allgemein- und Familienmedizin – Bedeutung, Umsetzung, Anrechnung (Sebastian Huter und Patrick Reichel). Gültig ist diese neue Ausbildungsverordnung ab dem 1.6.2026. Nach der Basisausbildung (9 Monate) folgt das Sonderfach Grundausbildung (33 Monate) und beinhaltet 6 Monate Allgemeinmedizin, absolvierbar in einer Lehrpraxis oder einer ZAE (zentralen ambulanten Erstversorgung), 6 Monate Innere Medizin sowie 21 Monate weitere Fächer – Letztere sind in der neuen Verordnung definiert. Das Sonderfach Schwerpunktausbildung findet in der Lehrpraxis statt, wobei diese nicht durch eine ZAE ersetzt werden kann. Abhängig vom Beginn der Basisausbildung ist die Sonderfach-Schwerpunktausbildung anfangs auf nur 6 Monate verkürzt und wird schrittweise über einen Zeitraum von 4 Jahren auf insgesamt 18 Monate angehoben. Bereits in der Praxis tätige Allgemeinmediziner:innen werden unter bestimmten Voraussetzungen den Facharzttitel für Allgemeinmedizin beantragen können.

In einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Wie können digitale Lösungen unsere Versorgung verbessern?“ sprachen Helmut Dultinger (ÖGAM), Angelika Rzepka (Austrian Institute for Technology), Florian Stummer (MedUni Wien) und Peter Klar (Ärztezentrum Wienerwald, Niederösterreich) über die verschiedenen Anwendungen der Telemedizin – zum Beispiel als interdisziplinäre Fragestunde mit Internist:innen, Kardiolog:innen und in der Kommunikation mit dem Krankenhaus. Umgekehrt haben Patient:innen, die gut eingestellt sind, jetzt die Möglichkeit, sich über eine App zu melden, was wiederum eine gewisse Sicherheit gibt und gleichzeitig das Selbstmanagement unterstützt. Anwendungsbeispiele der Telemedizin aus anderen Ländern wurden genannt, aber auch auf die Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung von Telemedizin wurde hingewiesen: Die Daten darf man nicht „den anderen“ (Google & Co) überlassen, sondern man muss die Digitalisierung selbst, in Zusammenarbeit mit den Softwarefirmen, vorantreiben.

In weiteren Parallel Sessions gab es einen Vortrag mit dem Titel „Rationale Labordiagnostik in der Allgemeinmedizin“ von Georg Endler, Facharzt für Labormedizin, Wien, sowie zwei Workshops: „Kultursensible Medizin – dieselbe Sprache sprechen“ von Bernadette Becsi, Ärztin für Allgemeinmedizin, neunerhaus, bzw. „Low Back Pain – manuelle Untersuchungstechniken“ von Thomas Rustler, Facharzt für Orthopädie.

Sowohl in den Pausen als auch nach den Vorträgen, im Ausklang und Get-together mit Sektempfang, gab es die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch und zum Vernetzen. Alles in allem ein gelungener Fachtag – nächstes Jahr gerne wieder.