Der Countdown zur Nationalratswahl am 29. September läuft. Die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems zählt zu den wichtigsten Zukunftsthemen. Relatus hat die Spitzenkandidat:innen nach ihren Ideen gefragt. Diesmal: ÖVP-Chef, Bundeskanzler Karl Nehammer.
In Ihre Ära als Bundeskanzler fällt unter anderem die jüngste Gesundheitsreform. Auf Basis des Finanzausgleichs stehen bis 2028 insgesamt 14 Mrd. Euro für Reformen in Gesundheit und Pflege zur Verfügung. Werden diese Mittel reichen, oder muss die nächste Regierung schon wieder nachbessern? Die Gesundheitsversorgung hat eine hohe Priorität. Mit dem Abschluss des Finanzausgleiches sind die finanziellen Mittel langfristig gesichert. Weiters konnten wir in den letzten Jahren viele Meilensteine im Gesundheitswesen und im Pflegebereich umsetzen. So haben wir die größte Pflegereform seit Jahrzehnten umgesetzt und mit Maßnahmen wie der Einführung eines Gehalts- und Angehörigenbonus, der Einführung der Pflegelehre und des Pflegestipendiums sowie mit der erleichterten Anerkennung ausländischer Abschlüsse das österreichische Gesundheits- und Pflegewesen maßgeblich gestärkt. Außerdem haben wir den Ausbau von zusätzlichen Kassenstellen verankert, haben das Berufsrecht reformiert und die Versorgungsangebote für die psychische Gesundheit auf neue Beine gestellt. Für uns steht aber fest: Wenn es erforderlich ist, wird man den Einsatz neuer Mittel planen und umsetzen, um unser Gesundheitssystem optimal weiterzuentwickeln.
Bleiben wir beim Stichwort Weiterentwicklung: Welche Top-3 Themen müssten aus Ihrer Sicht jedenfalls im Kapitel Gesundheit im nächsten Regierungsprogramm verankert sein? Die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems muss einer der wichtigsten Schwerpunkte im nächsten Regierungsprogramm sein. Österreichs Gesundheitssystem zählt im internationalen Vergleich zu einem der Besten, aber in den letzten 15 Jahren wurden viele Entwicklungen verschlafen. Zwei Kernelemente haben für uns Vorrang: Das ist einerseits der Ausbau von verfügbaren Kassenärztinnen und Kassenärzten in Österreich – dafür sollen mehr Stellen zur Verfügung stehen – und andererseits eine schnellere und effizientere Leitung durch unser Gesundheitssystem. Es muss in Zukunft für Sie als Patient eine Stelle geben, die Sie zum nächsten verfügbaren Arzt vermittelt oder gleich einen Telemediziner zu Ihnen schalten kann. Für die Patienten muss es einfacher und schneller werden, zum Arzt zu kommen. Gleichzeitig brauchen wir eine Lösung für die überlasteten Spitäler. Unser Ansatz ist, dass es dort Erstversorgungsambulanzen gibt, wo man rasch und niederschwellig behandelt wird. Sodass nur jene Fälle im Spital behandelt werden, die wirklich dorthin gehören.
Frauen sind bei der Gesundheitsversorgung aktuell in mehrfacher Hinsicht benachteiligt. Sollte das Thema Frauengesundheit/Gendermedizin stärker in die Gesundheitspolitik der kommenden Jahre einfließen? Für uns ist klar, dass dem Thema Frauengesundheit mehr Beachtung zukommen muss. Auch hier gilt es, die Kassenstellen, vor allem bei Frauenärzten, auszubauen. Derzeit haben viele Frauen keine Möglichkeit mit der e-Card zum Frauenarzt zu gehen und müssen auf einen Wahlarzt ausweichen. Das ist eine Lücke im System, die wir in einer nächsten Regierung schließen wollen. Außerdem muss sich das Gesundheitswesen auch beim Thema Gendermedizin weiterentwickeln. Aus diesem Grund treten wir für die Gründung von Frauengesundheitszentren ein. Hohe Gesundheitsstandards müssen sowohl für Frauen als auch für Männer sichergestellt sein, weshalb sämtliche Krankheitsbilder und Behandlungsmaßnahmen stärker unter dem Aspekt der Gendermedizin erforscht werden sollen.
Hat sich das Gesundheitsressort in seiner jetzigen Form aus Ihrer Sicht bewährt? Würden Sie es, wenn Ihre Partei nach der Nationalratswahl in Regierungsverantwortung wäre, in dieser Form belassen: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz? Wichtig ist mir, dass die Menschen in Österreich schneller und einfacher zum Arzt kommen und dass es für jeden eine wohnortnahe Versorgung gibt. Dafür brauchen wir auf Bundesebene eine starke Stimme im Ministerium. Welche Kompetenzen dort zusätzlich angesiedelt sein sollen wird davon abhängen, welchen Auftrag der Wählerinnen und Wähler eine nächste Regierung bekommt. (Das Interview führte Evelyn Holley-Spiess)