Bei der Versorgung und vor allem Prävention psychischer Erkrankungen gibt es in Österreich Aufholbedarf. Aktuelle Zahlen zeigen, dass sie auch die Wirtschaft stark belasten.
5,8 Millionen Krankenstandstage wurden in Österreich im Jahr 2023 mit der Diagnose „Psychische Erkrankung“ gezählt. Das ist ein Anteil von 10,23 Prozent aller Krankenstandstage zusammen, vor 30 Jahren lag dieser Wert noch bei 2,6 Prozent. Die durchschnittliche Dauer eines solchen Krankenstandes liegt dabei bei 37,2 Tagen. Im Jahr 2023 entfielen außerdem rund 32 Prozent aller Frühpensionierungen auf die Diagnose „Psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen“. Bei Frauen waren es sogar fast 43 Prozent.
Welche Auswirkungen psychische Erkrankungen auf die Volkswirtschaft haben, versuchte die OECD bereits im Jahr 2018 in ihrer Studie „Health at a Glance“ zu dokumentieren. Laut Studie beliefen sich die Gesamtkosten mentaler Erkrankungen für alle 28 EU-Staaten im Jahr 2015 auf die Summe von 607 Milliarden Euro – oder 4,10 Prozent des BIP. Für Österreich wurden damals Gesamtkosten von 14,93 Milliarden Euro (4,33 Prozent des BIP 2015) ermittelt. Diese bestehen aus direkten Kosten für das Gesundheits- und das Sozialsystem sowie indirekten Kosten für den Arbeitsmarkt.
„Natürlich liegt der Anstieg an psychischen Krankheiten auch daran, dass wir heute anders damit umgehen. Beispielsweise war Burnout in den 1990ern noch kein Thema. Das heißt aber nicht, dass es diese Erkrankungen damals nicht gab“, sagte Johanna Klösch, Arbeits- und Organisationspsychologin bei der Arbeiterkammer Wien im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung der Volksbank Wien AG, des Vereins ganznormal.at und der Sparda-Bank. „Zum Glück steigt die Erkenntnis, wie sehr sich ungesunde Arbeitsbedingungen körperlich und psychisch auswirken. In vielen Fällen sei der Arbeitsplatz der eigentliche „Patient“, wodurch sich die Bedeutung der Prävention zeige. In diesem Zusammenhang betonte Alexander Biach, Generaldirektor der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, dass Homeoffice und Remote-Work heute „ganz normal“ sind. Arbeits- und Freizeit dürfen sich laut Klösch dabei aber nicht vermischen, weil sonst die psychische Belastung wieder steigt.
Um die Auswirkungen für Betroffene und die Wirtschaft zu reduzieren, empfahlen die Expert:innen am Podium, vor allem Bewusstsein zu schaffen und Entstigmatisierung zu forcieren. Unternehmen sollten offen mit dem Thema umgehen, gemeinsam mit den Mitarbeitenden auf präventive Maßnahmen setzen. Beratungsformate wie Supervision oder Coaching seien ein wichtiger Schritt, um das Stressmanagement und die Work-Life-Balance gezielt zu verbessern. Der Gesetzgeber sei dazu aufgerufen, psychische Belastungen mit physischen Erkrankungen gleichzusetzen. (red/APA)