Eine Erfolgsgeschichte, die gut in die Zukunft geführt werden soll

Jede Schwangerschaft ist ein Wunder, das aber immer auch mit elementaren Sorgen verknüpft sein kann. Diese Sorgen können in drei Dimensionen Antworten finden – in Vorsorge, Fürsorge und Nachsorge.
Der nun in Eltern-Kind-Pass umbenannte Mutter-Kind-Pass bietet Maßnahmen für alle drei Dimensionen. Er ist nicht nur ein medizinisches Dokument, sondern ein Begleiter während Schwangerschaft sowie Mutterschaft und bietet Eltern ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Er bietet Eltern und betreuenden Gesundheitsberufen regelmäßig Informationen über den Verlauf der Schwangerschaft und zur Entwicklung des Kindes, dient als Kommunikationsmittel zwischen niedergelassenem und Spitalsbereich.

Das Programm mit Kontinuität von früher Schwangerschaft bis zum 5. Lebensjahr des Kindes hat in Europa Alleinstellungsmerkmal. Auch wenn es in Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Teilen Italiens und Skandinavien teils formelle, teils informelle Dokumente zur Dokumentation der Schwangerschaftsvorsorge gibt, sind die ersten Entwicklungsjahre der Kinder meist nicht einbezogen. Herausragend ist vor allem auch die Multidisziplinarität der Versorgung, die durch den Eltern-Kind-Pass gewährleistet ist. Gynäkologie, Allgemein- oder Interne Medizin, Kinderheilkunde und Hebammenwesen im niedergelassenen und Spitalsbereich greifen ineinander.

Risikogruppen identifizieren

Wichtiger Teil der Vorsorgemedizin ist es, bei scheinbar gesunden Personen diejenigen zu erkennen, die einem größeren Gesundheits- bzw. Erkrankungsrisiko unterliegen, um ihnen eine frühzeitige Behandlung oder zumindest Ratschläge zur Verhaltensänderung anzubieten. Dies bedeutet für die Schwangerschaft und die Zeit danach das Erkennen erhöhter Risiken bei Mutter und Kind und in der Folge vor allem die Weitergabe verständlicher Information, damit Verhaltensänderungen, Behandlungen oder Weiterleitungen zu spezialisierten Einrichtungen von den Betroffenen tatsächlich wahrgenommen werden. Im Rahmen des Eltern-Kind-Passes kommt in der Hausarztpraxis neben den vorgeschriebenen Laboruntersuchungen wie z.B. Blutbild, Untersuchung auf Infektionserreger oder dem Blutzuckerbelastungstest, den Beratungen bezüglich Impfungen, Ernährung und Bewegungsapparat große Bedeutung zu. Insbesondere geht es aber auch um Fragen nach der psychosozialen Situation. Hier trifft der eingangs erwähnte Fürsorgegedanke zu. Die frühzeitige Feststellung von Unterstützungsbedarf im Bereich des aktuellen psychischen Befindens, vor allem hinsichtlich Angst, Depression oder Abhängigkeitserkrankungen, sowie im Bereich sozialer Bedingungen hat angesichts sich ändernder Bindungsmuster und unsicherer Arbeitssituationen zunehmende Relevanz.

Kommunikation im Fokus

Eine gute Gesprächs- und Informationskultur sowie die Zusammenarbeit mit verschiedenen Professionen sind eine wesentliche Grundlage für die Erfüllung der Idee des Eltern-Kind-Passes. Neben kulturell angepassten Gesprächen in der Ordination sollten schriftliche Gesundheitsinformationen in mehreren Sprachen zur Verfügung stehen. Einer guten Risikokommunikation kommt für eine erfolgreiche Umsetzung des Programms besondere Bedeutung zu. Ein Beispiel wäre die Umstellung der Ernährung bzw. Insulineinstellung bei auffälligem Blutzuckerbelastungstest oder das frühzeitige Ergreifen von Maßnahmen bei Neugeborenen mit Hörproblemen.
Zwar selten, aber leider doch geht es hier auch um Unterstützung bei schwierigen Entscheidungen nach auffälligen Untersuchungsergebnissen. Beispiele sind die Entscheidung über die Fortsetzung einer Schwangerschaft, wenn eine schwere Erkrankung des Kindes festgestellt wurde oder der Umgang mit Ergebnissen der Bluttropfentests des Neugeborenen.

Diese Informationsarbeit erfolgt in der Regel in einem zyklischen Prozess, im Bewusstsein, dass verschiedenste Informationskanäle eine Rolle spielen. Neue Gegebenheiten müssen in das Leben der Familie eingeordnet werden, wobei auf individuelle Ressourcen, Vorerfahrungen und Unterstützung im sozialen Umfeld zurückgegriffen wird. Verschiedene Berufsgruppen im Gesundheitsbereich werden miteinbezogen, natürlich wird auch Rat im Internet gesucht. Die Tragweite der Feststellungen wird den Betroffenen meist nur allmählich bewusst, weshalb wiederholte Hilfe, zumindest jedoch Kontinuität in der Begleitung, notwendig ist.

Weiterentwicklung

Ökonomische Analysen haben nachgewiesen, dass Screenings während der Schwangerschaft und nach der Geburt durch das rechtzeitige Ergreifen diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen Kosten für die Gesellschaft vermindern können.1 Es ist aus dieser und aus Sicht der Betroffenen erfreulich, dass die Überarbeitung und Aufwertung des Eltern-Kind-Pass-Programms politisch durchgesetzt wurden. Bis Mitte des Jahres 2026 soll dieser nach Empfehlungen einer multiprofessionellen Kommission weiter aufgewertet werden. Neben einem erweiterten Angebot von Ultraschall- und Neugeborenenuntersuchung sowie einer zusätzlichen Hebammenberatung erhalten psychische Gesundheit, soziale Bedingungen und Ernährung mehr Aufmerksamkeit. Hausärzt:innen kommt mit der in allgemein- und familienmedizinische Untersuchung umbenannten, im Eltern-Kind-Pass verankerten Konsultation weiterhin Bedeutung zu. Sie erhalten Unterstützung durch vermehrt bereitgestellte Gesundheitsinformationen, beispielsweise mit Informationen über Anzeichen von psychischen Erkrankungen, zu Beratungszentren und therapeutischen Diensten, zu Ratschlägen für den Umgang mit Stress und mentalen Belastungen sowie auch zur Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung.
Zusätzlich ist die neu entwickelte digitale Version ein wichtiger Beitrag für die präventive Wirkung durch Erinnerungsfunktionen und Vereinfachung des Datenaustausches unter den verschiedenen Gesundheitsdiensten.

Meilenstein des Gesundheitssystems

Dass die Inanspruchnahme des Passes bei 99,9 % liegt, hat einerseits mit dem finanziellen Anreizsystem mit Koppelung der Höhe des Kinderbetreuungsgeldes an den Nachweis der ersten zehn Untersuchungen (fünf der Mutter und des ungeborenen Kindes während der Schwangerschaft und fünf des Kindes nach der Geburt) zu tun, andererseits mit der Selbstverständlichkeit, mit der dieser mittlerweile im Gesundheitssystem und im gesellschaftlichen Verständnis etabliert ist. Auch wenn die Inanspruchnahme der Untersuchungen mit fortschreitendem Alter des Kindes geringer wird, bleibt dies im Vergleich zu anderen Vorsorgeuntersuchungen in Österreich hoch. Der Eltern-Kind-Pass ist ein Meilenstein des österreichischen Gesundheitssystems, auf den wir als Mitwirkende stolz sein dürfen und uns freuen können, dieses Projekt auch in Zukunft mitzutragen.