Akuttherapie und Prophylaxe

Heutzutage sind wir in der Lage, die Lebensqualität unserer Patient:innen mit Migräne durch ein multidisziplinäres Management enorm zu verbessern. Es gilt jedoch, dass wir alle – Hausärzt:innen, Fachärzt:innen und Therapeut:innen – ineinandergreifend kooperieren müssen. Auch die Patient:innen selbst sind hier zu nennen, die ärztliche Hilfe unbedingt aufsuchen sollen und ihre Erkrankung nicht hinnehmen müssen. Sie selbst kennen ihre Anfälle und ihre bestmögliche medikamentöse Therapie und nehmen idealerweise auch nichtmedikamentöse Maßnahmen ernst.

Akuttherapie der Migräne

Die Empfehlungen der Leitlinie der European Headache Federation 2022 und der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2022 sind weitgehend ident: 1. Wahl sind Analgetika/NSAR in ausreichend hoher Dosierung:

  • Acetylsalicylsäure (ASS) (1.000 mg oder 900 mg + Metoclopramid [MCP] 10 mg)
  • Ibuprofen (200–600 mg)
  • Diclofenac-Kalium (50–100 mg)
  • Naproxen (500 mg)
  • Phenazon (500–1.000 mg) bzw. Kombinationsanalgetika: 2 Tabletten ASS 250/265mg + Paracetamol 200/265 mg + Koffein (50/65 mg)
  • Bei Kontraindikationen gegen NSAR werden Paracetamol (1.000 mg), Metamizol (1.000 mg) oder Phenazon (500–1.000 mg) empfohlen.

Bei (mittel-)schweren Migräneattacken und bei (bekanntem) fehlendem Ansprechen der Medikamente der 1. Wahl wird eine Triptan-Therapie empfohlen. Triptane zeichnen sich durch einen schnellen Wirkeintritt aus und zeigen in Studien ein gutes Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil. Eine Analyse des Migräneregisters mit Daten von mehr als 60.000 Patient:innen bestätigt, dass Triptane weder das Risiko für Schlaganfall und Myokardinfarkt noch für kardiovaskularen Tod oder die Gesamtmortalität erhöhen.

Bei Migräne mit Aura sollen Triptane erst nach Abklingen der Aura eingenommen werden. In Österreich sind 4 Triptane – Eletriptan, Frovatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan – aus der Grünen Box verschreibbar. Aufgrund unterschiedlicher pharmakokinetischer Profile der einzelnen Triptane und der verschiedenen Darreichungsformen sollte die Wahl des geeigneten Triptans entsprechend der Phänomenologie der Migräneattacken erfolgen und auf die individuellen Bedürfnisse der Patient:innen abgestimmt sein. Kontraindikationen für Triptane sind vaskuläre Erkrankungen, nichteingestellte Hypertonie, koronare Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Schlaganfall oder Myokardinfarkt, Basilaris-Migräne, hemiplegische Migräne sowie die gleichzeitige Einnahme von Ergotaminen. Mögliche unerwünschte Wirkungen sind Myalgie und Arthralgie, Nackenschwere, warme Sensationen, Dysästhesie, Kältegefühl, Übelkeit, thorakale Beengung sowie (Pseudo-)Stenokardie. Die Kombination von Triptanen mit Naproxen ist wirksamer als die Monotherapie, allerdings sind die zusätzlichen Therapieeffekte nicht sehr groß, dafür die Nebenwirkungsraten erhöht.

Seit August 2022 ist Lasmiditan in Österreich zugelassen. Es gehört zur Substanzgruppe der Ditane und kommt speziell für Patient:innen in Frage, die ein hohes kardiovaskuläres Risiko haben, da Lasmiditan im Gegensatz zu etwa Triptanen die Blutgefäße nicht verengt. Lasmiditan wird derzeit allerdings nicht erstattet, ohne Chefarztbewilligung müssen die Patient:innen selbst dafür bezahlen.

Eine ähnliche Problematik zeigt sich bei einer weiteren neuen Substanz: Rimegepant aus der Wirkstoffgruppe der Gepante ist seit April 2022 von der EMA als erstes Migränemittel zugelassen, das sowohl in der Akuttherapie als auch in der Prophylaxe eingesetzt werden kann. Bisherige Ergebnisse zeigten eine gute Verträglichkeit und Sicherheit, Langzeitdaten fehlen noch. Ansatzpunkt der spezifischen Wirkung ist der CGRP-Rezeptor, den wir bereits von den monoklonalen CGRP-Antikörpern kennen. In Österreich ist Rimegepant seit Jänner 2024 in der No-Box und daher nur nach Einholen einer chefärztlichen Bewilligung erstattbar.
Hier gilt es abzuwarten, wie sich dies – hoffentlich noch positiv im Sinne unserer Patient:innen – entwickeln wird.

Migräneprophylaxe

Ziel der Migräneprophylaxe ist die Reduktion der Migränetage-Frequenz und somit eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität. Von einer erfolgreichen Prophylaxe wird gesprochen, wenn sich die monatlichen Migränetage in der episodischen Form zumindest halbieren bzw. in der chronischen Form um zumindest 30 % reduzieren.
In der Prophylaxe der episodischen Migräne haben sich Betablocker, Topiramat, Flunarizin (ist nicht mehr lieferbar, nur mehr Restbestände erhältlich) und Amitriptylin als Standard etabliert. Topiramat und Valproinsäure dürfen bei Frauen im gebärfähigen Alter nicht oder nur mit besonderen Vorsichtsmaßnahmen wie doppeltem Verhütungsschutz gegeben werden (Rote-Hand-Brief!). Für Valproinsäure existiert auch ein rezenter Rote-Hand-Brief für Männer, sodass die Substanz 3 Monate vor einer Zeugung abgesetzt werden muss. Zur Prophylaxe der chronischen Migräne wird u.a. OnabotulinumtoxinA eingesetzt.

Seit einigen Jahren stehen auch monoklonale Antikörper gegen das Neuropeptid Calcitonin Gene-related Peptide (CGRP) oder den CGRP-Rezeptor zur Prophylaxe der chronischen und episodischen Migräne (mind. 4Tage/Monat) zur Verfügung. Vier Präparate haben bis dato in der EU die Zulassung zur Migräneprophylaxe bei Erwachsenen erhalten: Eptinezumab (intravenöse Verabreichung, alle 3 Monate), Erenumab (s.c. alle 28 Tage), Fremanezumab (s.c. einmal pro Monat) und Galcanezumab (s.c. einmal pro Monat). In den Zulassungsstudien und den vorhandenen Real-World-Daten zeigen CGRP-Antikörper eine gute Wirksamkeit und zeichnen sich vor allem durch eine gute Verträglichkeit bei geringer Nebenwirkungsrate aus. Es wurden keine harten Kontraindikationen beschrieben. Es bedarf einer Berücksichtigung eines Regeltextes und der fachärztlichen Erstverordnung sowie regelmäßiger Kontrollen. Neuere Daten konnten zeigen, dass monoklonale CGRP-Antikörper begleitende Depressionen auch unabhängig von der Reduktion der Migränetage verbessern können, gemeinsame pathophysiologische Grundlagen erklären dies gut. Wie bereits erwähnt, ist auch Rimegepant als Vertreter der Gepante für die Prophylaxe der Migräne zugelassen.Hier haben wir im Unterschied zu den Antikörpern eine perorale Verabreichungsform jeden 2. Tag. Ein weiteres Gepant, Atogepant, ist ebenso zugelassen, jedoch in der gleichen Nichterstattungssituation wie der bereits erwähnte Vertreter.

Nichtmedikamentöse Maßnahmen

Unerwähnt darf nicht sein, dass auch nichtmedikamentöse Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken, Ausdauersport sowie generell das Einhalten von Lebensstilmaßnahmen zu einer Verbesserung der Erkrankung und damit präventiv zu einer Reduktion der Migränetage beitragen können, sodass diese Therapiesäule die Basis jeder Migräneprophylaxe sein muss. Gezielte Psychotherapie in Anbetracht potenzieller psychiatrischer Komorbiditäten ist ebenso wie eine spezifische Pharmakotherapie bei stark ausgeprägter Depression oder Angsterkrankung notwendig, eventuell auch das Beiziehen fachärztlicher psychiatrischer Expertise.