Christoph Dungl, MA, LL.M und Alexander Morgner geben anlässlich der Gründung der Branchengruppe Klinische Ernährung Einblick in Ziele, Innovationen und Herausforderungen.
Warum wurde die Branchengruppe geründet?
Dungl: Die zentrale Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit und das Wohlbefinden ist zwar gut erforscht, findet jedoch im öffentlichen und fachlichen Diskurs oft zu wenig Eingang. Wir möchten uns als Industrie dafür einsetzen, hochqualitative Produkte einer möglichst großen Gruppe von Patientinnen und Patienten zugänglich zu machen. Darüber hinaus möchten wir eine Plattform schaffen, um auch die Förderung und Weiterentwicklung der Ernährungsmedizin und -forschung voranzutreiben.
Morgner: Den Stellenwert der Ernährungsmedizin zu verbessern, gelingt besser gemeinsam als im Alleingang. Dazu bündeln wir unsere Ideen und verstärken die Zusammenarbeit.
Welche Ziele verfolgt die Branchengruppe?
Dungl: Die Förderung der Wissensvermittlung, des Diskurses in der Fachwelt und der Öffentlichkeit sind die Basis unserer Tätigkeit. Gleichzeitig ist es wichtig, die Zugänglichkeit von Therapien und Produkten zu erhöhen. Wir setzen uns daher für einheitliche und transparente Kriterien für die Kostenübernahme durch die Krankenversicherungsträger sowie für die dafür notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen ein. Voraussetzung dafür ist unter anderem die stärkere Beachtung von Mangelernährung als eigene Diagnose mit ICD-10 Codierung.
Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell im Bereich der klinischen Ernährung?
Morgner: Aufgrund der demografischen Entwicklung und der fehlenden Fachkräfte im Pflegesektor wird es immer wichtiger, den Ernährungszustand von Patientinnen und Patienten zu verbessern und zu erhalten. Das reduziert die Pflegebedürftigkeit und ermöglicht mitunter, länger im häuslichen Umfeld selbstständig zu leben.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Versorgungslage und das Bewusstsein für klinische Ernährung im Krankenhaus und Pflegeeinrichtungen?
Morgner: Das ist sehr unterschiedlich und hängt oft vom Engagement der handelnden Personen ab. Aufgrund der Bedeutung der klinischen Ernährung wäre es wünschenswert, dass wir standardisierte Prozesse inklusive einer verpflichtenden Ernährungsanamnese hätten.
Welche Innovationen halten Sie für besonders zukunftsweisend?
Dungl: Hersteller arbeiten laufend an der Optimierung der Formulierungen ihrer Produkte sowie Verabreichungshilfen für eine einfachere Handhabung. Personalisierte und bedarfsgerechte Ernährung ist ein Bereich, in dem es viele Entwicklungen gibt. Die Forschung zum Thema „Quality of Life“ im Hinblick auf klinische Ernährung halte ich ebenso für sehr wichtig.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der klinischen Ernährung?
Dungl: Daten stellen die Basis einer besseren interdisziplinären Zusammenarbeit dar. Wenn die Dokumentationen und Therapiepläne aller Berufsgruppen vernetzt und verfügbar sind, können die Diagnose sowie auch die Compliance verbessert werden. In Teilbereichen der Ernährungsmedizin, gerade in der Prävention, können digitale Gesundheitsanwendungen wichtige Bausteine sein.
Bei der Verabreichung von klinischer Ernährung verbessern vernetzte Infusionspumpen und Geräte die Effizienz enorm und helfen gleichzeitig, Fehlmedikationen oder Probleme aufgrund von Arzneimittelinkompatibilitäten zu verhindern.
Und was zu oft vergessen wird: Digitalisierung soll unter anderem ja auch dem medizinischen Personal kostbare Zeit einsparen, die es dann wiederum den Patientinnen und Patienten widmen kann. Kurzum: Digitalisierung braucht es in der klinischen Ernährung.
Wie wollen Sie den Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis fördern?
Morgner: Es braucht vor allem den fächerübergreifenden Austausch. Veranstaltungen wie die Tagungen der Arbeitsgemeinschaft für klinische Ernährung oder europäische Kongresse wie je-ner von ESPEN, der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism, sind wichtige Plattformen. Aber auch kleinere, lokale Projekte und Arbeitsgruppen gilt es aus unserer Sicht zu fördern. Wir stehen Fachgesellschaften gerne beratend und fördernd zur Verfügung.
Was begeistert Sie persönlich an der klinischen Ernährung?
Dungl: Klinische Ernährung als lebenserhaltende Maßnahme in der Palliativmedizin war früher mein Bild dazu. Durch die Arbeit in einem Unternehmen, das sich diesem Thema widmet, konnte ich die verschiedenen Facetten und den Nutzen klinischer Ernährung erst richtig kennenlernen. Nicht zuletzt auch eine Erfahrung aus dem privaten Umfeld machte mich schlussendlich zum wirklichen „Fan“ von klinischer Ernährung. Es ging dabei um einen Patienten, der nach einer Darmresektion auf klinische Ernährung angewiesen war und ist. Nur die Verfügbarkeit dieser Therapie stellte zunächst ein Überleben vor und kurz nach der Operation sicher und auch im Rahmen der laufenden Ernährung ist die künstliche Ernährung zum Erhalt der Lebensqualität nicht wegzudenken.
Morgner: Mich begeistert das Potenzial der Ernährungstherapie sowohl in der Prävention als auch begleitend bei Erkrankungen. Wir haben im Laufe der Jahre viele Beispiele miterlebt, wo Betroffene eine deutliche Verbesserung ihres Allgemeinzustandes erfuhren. Das motiviert uns und treibt uns weiter an.