Krankenhaushygiene: Hausaufgaben sind zu machen

Das macht nosokomiale Infektionen zu einer ernstzunehmenden Gefahr für die Patientensicherheit. Die Verbreitung der Keime muss deshalb in allen Gesundheitseinrichtungen durch wirksame Präventionsmaßnahmen verhindert werden. Österreich gilt in diesem Zusammenhang nicht unbedingt als Musterland. „Wir benötigen dringend eine nationale Strategie, aber auch den internationalen Austausch, um abgestimmte, moderne und evidenzbasierte Konzepte umzusetzen. Das geht nicht ohne Expertinnen und Experten, die alle Grundlagen der Infektiologie, Mikrobiologie und Hygiene beherrschen“, sagt Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian, MSc, DTMH, Ärztlicher Direktor des Landesklinikums Wiener Neustadt. Die Österreichische Gesellschaft für Krankenhaushygiene hat im Auftrag der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) und des Bundesministeriums bereits vor zehn Jahren ein Curriculum für die Ausbildung von Hygienefachkräften erarbeitet, das sich an moderne Ausbildungskonzepte richtet. „Ich habe dazu mit mehr als zehn Gesundheitsministerinnen und -ministern gesprochen, weitergekommen sind wir aber nicht“, betont Assadian. Er fordert einen geplanten und evidenzbasierten Einsatz von Ressourcen und nimmt auch die kommende Regierung in die Pflicht: „Die Expertise in unserem Land ist vorhanden, wir benötigen aber auch die passende Gesetzgebung für die Umsetzung.“ Er fordert, dass das neue Gesundheitsministerium rasch eine Arbeitsgruppe zur Krankenhaushygiene einsetzen muss, die bundesweit verpflichtende Standards erarbeitet.

Prof.in PD.in DI.in Dr.in Miranda Suchomel (ÖGHMP), Dr.in Brigitte Ettl (Österreichische Plattform Patient:innensicherheit), Univ.-Prof. Dr. Ojan Assadian, MSc (Landesklinikum Wiener Neustadt); © Foto: Austromed/APA-Fotoservice/Roland Rudolph

Prävention ist eine gesellschaftliche Aufgabe

Krankenhausinfektionen bergen einerseits hohe Risiken für Betroffene und stellen andererseits eine vermeidbare wirtschaftliche Belastung für das Gesundheitswesen dar. „Bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen handelt es sich deshalb nicht nur um eine patientenindividuelle, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung“, sagt Mag. Philipp Lindinger, Geschäftsführer der AUSTROMED, die mit der Branchengruppe „Desinfektion & Hygiene“ für einen wirksamen Infektionsschutz im Krankenhaus eintritt. „In Österreich gehören Harnwegsinfektionen, postoperative Wundinfektionen, Atemwegsinfektionen und Sepsis zu den häufigsten im Krankenhaus erworbenen Infektionen. Qualitativ hochwertige und innovative Desinfektions- und Hygieneprodukte der Medizinprodukte-Branche sind integraler Bestandteil von Strategien zur Erhöhung der Patientensicherheit“, sagt Lindinger.

Eines der dringendsten Probleme spricht Assadian an: „Wir laborieren in Österreich bundesweit daran, dass der Stellenwert des Hygienefachpersonals im Gegensatz zu anderen Industrieländern nicht ausreichend anerkannt wird. Der Einsatz von ausreichend Hygienefachpersonal ist zwar schon jetzt vorgeschrieben, wird in der Praxis aber oft nicht eingehalten.“ Daher werden Mindestanforderungen an die Krankenhaushygiene im Sinne eines verbindlichen Schlüssels für Hygienefachkräfte bzw. qualifiziertes professionelles Personal im Gesundheitsbereich gefordert. Für Patientinnen und Patienten können die Folgen nosokomialer Infektionen von längeren stationären Aufenthalten über vermeidbare chirurgische Eingriffe bis zur Aufnahme auf der Intensivstation oder gar eine höhere Sterblichkeit reichen. „Rechtzeitiges Handeln vermeidet persönliches Leid und Kosten für das Gesundheitssystem“, sagt Assadian. Dass dadurch auch eine Entlastung des Spitalswesens möglich ist, liegt auf der Hand: Bettenkapazitäten werden frei, die für andere Patientinnen und Patienten dringend benötigt werden. Eine Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) hat berechnet, dass 38.500 nosokomiale Infektionen zu 131.000 zusätzlichen Behandlungstagen in Krankenhäusern auf Normalstationen und insgesamt jährlichen Mehrkosten in Höhe von 281 Millionen Euro führen. Klar ist, dass auch mehr Transparenz in diesem Bereich notwendig ist, denn aufgrund der mangelhaften Datenverfügbarkeit konnten nur die direkten Kosten des stationären Bereichs dargestellt werden.

Hygiene ist keine Nebenbeschäftigung

„Es wird bei Weitem nicht ausreichend getan, um das Infektionsrisiko zu minimieren und damit Leben zu retten“, stellt auch Dr.in Brigitte Ettl, ehemalige Ärztliche Direktorin der Klinik Hietzing und Präsidentin der Österreichischen Plattform Patient:innensicherheit, fest. „Wenn ich die Jahre 2004 mit 2024 im Hinblick auf Krankenhausinfektionen vergleiche, so sehe ich zwar mehr Regelungen, aber nach wie vor wenig Engagement in der Umsetzung. Nach Angaben der WHO ist jede zehnte Person, die eine Gesundheitseinrichtung aufsucht, gefährdet und wir wissen auch, dass etwa die Hälfte der Krankenhausinfektionen verhindert werden könnte“, sagt Ettl. Voraussetzung sind für die Expertin das qualifizierte Personal und die passende Sicherheitskultur, aber auch die Durchsetzung der Rechte der Betroffenen. „Immer noch liegt die Beweislast bei den Betroffenen und wir wissen alle, wie schwierig es ist, ein Fehlverhalten in einer Gesundheitseinrichtung nachzuweisen“, sagt Ettl. Sie fordert, Prozesse über einheitliche Dokumentation und Monitoring so abzusichern, dass Fehler vermieden sowie Risiken und damit das Ausmaß von Schäden reduziert werden.

Prof.in PD.in DI.in Dr.in Miranda Suchomel, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin (ÖGHMP) und Professorin am Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie am Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der Medizinischen Universität Wien, unterstreicht die Bedeutung der Prävention: „Ziel muss es sein, eine Therapie gar nicht erst notwendig zu machen. Dennoch werden Händehygienemaßnahmen aus Zeitgründen gerne ausgelassen. Wenn wir nicht umdenken, verlieren wir bei schwer oder nicht mehr behandelbaren Erregern unsere Therapieoptionen.“ Sie weist auch auf den zunehmenden Fachkräftemangel hin: „Viele der Hygienefachkräfte stehen derzeit vor der Pensionierung und es kommen keine nach. Wir brauchen dringend qualifiziertes professionelles Personal im Gesundheitsbereich!“