100 Tage als Benannte Stelle

Dr.in Anni Koubek, Geschäftsführerin von QMD Services, Ing. Florian Heffeter, BSc LL.M, Co-Geschäftsführung der QMD; © Foto: Jana Madzigon

Wie würden Sie die ersten 100 Tage Ihres Bestehens als Benannte Stelle zusammenfassen?
Koubek: Lassen Sie es mich mit drei Wörtern charakterisieren: spannend, dynamisch, erfüllend. Nach einer so langen Aufbauzeit war es für uns extrem erfüllend, endlich mit den Kundenprojekten starten zu können. Und es ging gleich dynamisch los, wir hatten ja nur knapp zwei Wochen Zeit, um Kundinnen und Kunden, welche die Übergangsfrist noch nutzen wollten, unterstützen zu können. In der Zwischenzeit bekommen wir viele Anfragen, vor allem für die Zertifizierung von neuen, innovativen Produkten. Das ist genau das, wofür wir QMD Services aufgebaut haben!

Was waren die größten Herausforderungen, denen Sie sich in dieser Anfangszeit gestellt haben?
Heffeter: Nach erfolgter Benennung beschäftigten uns vor allem die häufigen Fristenverlagerungen. Sie brachten eine Unsicherheit für die Hersteller und wirkten sich auch auf unsere Wirtschaftslage aus: Expertenressourcen konnten schlichtweg nicht mehr ausgelastet werden.

Welche Erfolge konnten Sie bereits verbuchen?
Heffeter: Ich selbst bin kurz vor unserer Benennung gemäß MDR im Mai 2024 bei der QMD als Geschäftsführer angetreten. Wir hatten nur sieben Werktage ab der Benennung, um die Übergangsfristen der MDR zu bedienen. Sieben Tage mit sieben Neuverträgen. Eine aufregende Zeit. In der IVDR konnten wir in 20 Monaten bereits vier Zertifikate ausstellen. Eines davon sogar in einer Rekordzeit von knapp neun Monaten, da der Hersteller perfekt vorbereitet war.

Wie ist das Team aufgestellt?
Koubek: Wir sind sehr stolz auf unser Team: Sowohl im Bereich Medizinprodukte als auch In-vitro-Diagnostika konnten wir Spitzenexpertinnen und -experten für die QMD verpflichten. Viele davon haben schon bei Benannten Stellen gearbeitet. Dies hilft uns jetzt, unsere Bewertungsprozesse effizient aufzubauen, und wir sind in der Lage, auch innovative Produkte zu bewerten.

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den Herstellern von Medizinprodukten in dieser Anfangszeit gestaltet?
Heffeter: Wir haben uns von Anfang an sehr herstellerorientiert aufgestellt: Intensive Kommunikation in der frühen Antragsphase ist uns wichtig, damit die Hersteller gut auf den regulatorischen Prozess vorbereitet sind. Wir reduzieren Unklarheiten und schaffen Sicherheit auf beiden Seiten. Viele sehen die regulatorischen Anforderungen primär als Hindernis und verstehen den Schutzzweck der Normen wenig. Es geht um die Wahrung der Patientensicherheit auf gleichartige Weise in der gesamten Europäischen Union.

Gab es Rückmeldungen von Unternehmen oder Partnern, die Sie besonders beeinflusst haben?
Heffeter: Uns freut das positive Feedback hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Herstellern und QMD. Durch unsere gute und aktive Kommunikation heben wir uns deutlich von anderen „großen Benannten Stellen“ ab. Auch die Wartezeit auf die Kontaktaufnahme ist bei uns deutlich kürzer als bei anderen, so wird uns berichtet.

Wie beurteilen Sie die Umsetzung der MDR/IVDR-Anforderungen nach dem ersten Praxistest?
Koubek: Der Praxistest hat das bestätigt, was wir schon in der Vorbereitung erlebt haben: Die Anforderungen der MDR und IVDR sind sehr detailliert und erfordern viele Einzelschritte und Dokumentation. Das führt zu langen Verfahrensdauern. Dies stimmt mich nachdenklich, weil wir ja in Europa weiterhin führend in der Innovation von Medizinprodukten bleiben wollen.

Gibt es spezielle Projekte oder Prüfungen, die für Sie in den ersten 100 Tagen besonders prägend waren?
Koubek: Jedes neue Produkt ist spannend. Da möchte ich keines hervorheben. Es ist toll zu sehen, wie speziell unsere heimischen Hersteller neue Produkte entwickeln und auf den Markt bringen, die auch international erfolgreich sind. Wir sind stolz, dass wir hier einen Beitrag leisten können, sichere und innovative Produkte dem Gesundheitssystem zur Verfügung zu stellen.

Welche Learnings konnten Sie aus diesen Erfahrungen ziehen, die Sie in die zukünftige Arbeit einfließen lassen?
Koubek: Die wichtigste Aufgabe für uns ist es, die Verfahren möglichst zügig abzuwickeln. Dies ist bei den vielen Vorgaben, die hier zu berücksichtigen sind, gar nicht so einfach. Aber für Hersteller ist es enorm wichtig, ihre neuen Produkte möglichst rasch auf den Markt zu bekommen. Da sind die durchschnittlichen Verfahrensdauern von neun bis zwölf Monaten bzw. auch länger, wie etwa bei Hochrisikoprodukten, ein wirkliches Problem.

Welche Ziele haben Sie für 2025 gesetzt?
Heffeter: Der Kurs als kundenorientierte und innovationsfreundliche Benannte Stelle geht weiter – entlang des Prozesses und hinsichtlich der angebotenen Fachexpertise. Das ist uns wichtig.

Welche Trends oder technologischen Entwicklungen in der Medizinproduktebranche erwarten Sie, und wie planen Sie darauf zu reagieren?
Heffeter: Es gibt so gut wie kein Medizinprodukt mehr ohne Softwarekomponente. Die Technologien werden intelligenter und komplexer. Dieser Entwicklung sind wir von Beginn an gerecht geworden und haben entsprechende Expertise im Team. KI ist bereits allgegenwärtig und ein wichtiges Zukunftsthema für uns.

Welche Chancen sehen Sie, in Bezug auf die Rolle der Benannten Stelle?
Koubek: Einerseits läuft hier gerade die Evaluierung der MDR auf europäischer Ebene. Ich gehe davon aus, dass es zu einigen Nachjustierungen kommen wird. Auf der anderen Seite bekommen wir als Benannte Stellen gerade zusätzliche Aufgaben, zum Beispiel in Bezug auf den AI Act, wo wir die Prüfung von AI-Medizinprodukten übernehmen sollen. Damit müssen Hersteller nur ein Verfahren durchlaufen, und nicht zwei parallele Konformitätsbewertungen. Auch hier geht es darum, möglichst effiziente Verfahren zu gestalten, damit sichere, innovative Produkte rasch den Nutzerinnen und Nutzer zur Verfügung gestellt werden können.

Wenn Sie auf die ersten 100 Tage zurückblicken: Gibt es Dinge, die Sie anders gemacht hätten? Worauf sind Sie besonders stolz?
Heffeter: Ich glaube, dass Anni Koubek und das Gründungsteam eine außerordentliche Leistung vollbracht haben. Nicht abzuschätzen war der unglaublich hohe zeitliche und finanzielle Aufwand. Das ist schon beachtlich, dass unsere Eigentümer und Förderer sich das zugetraut haben.
Koubek: Die QMD als Benannte Stelle ist eine Zukunftsinvestition in den Wirtschaftsstandort Österreich und ein positives Zeichen für ganz Europa. Wir können einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, dass innovative österreichische und europäische Produkte dem Gesundheitssystem zur Verfügung stehen. Das treibt uns an und macht uns stolz.