Tipps fürs Nebenwirkungsmanagement

Opioide sind Analgetika der WHO-Stufen II und III mit breitem Wirkungsspektrum, die eine Vielzahl von Organsystemen und eine große Anzahl von Körperfunktionen beeinflussen. Wegen der erheblichen Anzahl an Nebenwirkungen und Komplikationen ist ihre Rolle bei der Langzeitbehandlung von chronischen, nichttumorbedingten Schmerzen umstritten. Einer der Hauptgründe ist das bekannte Phänomen der psychischen Abhängigkeit, die bei der Einnahme dieser Medikamente auftreten und zu Missbrauch führen kann. Auch ist das Ausmaß ihrer Wirksamkeit bei der Behandlung von Schmerzen bei chronischer Anwendung nicht endgültig bewiesen.

Verstopfung und Übelkeit, die häufigsten Nebenwirkungen, können oft schwer behandelbar sein. Oftmals entwickelt sich keine Toleranz ihnen gegenüber, dies gilt insbesondere für die Verstopfung. Sie können so schwerwiegend sein, dass ein Absetzen des Opioids erforderlich ist, und zu Unterdosierung und unzureichender Analgesie beitragen. Eine Rotation des Opioids und/oder der Verabreichungsart kann Nebenwirkungen minimieren. Deswegen ist vor einer Opioideinstellung eine ordnungsgemäße Anamnese, Krankenuntersuchung, Aufklärung und präventive Behandlung potenzieller Nebenwirkungen unbedingt durchzuführen. So wird die Wirksamkeit erhöht und gleichzeitig die Schwere der Nebenwirkungen und unerwünschten Ereignisse verringert.

Opioidinduzierte Nausea und Emesis

Eine Reihe von Mechanismen, durch die Opioide Übelkeit und Erbrechen hervorrufen, wurden identifiziert. Sie betreffen sowohl zentrale als auch periphere Stellen, einschließlich des Brechzentrums, der Chemorezeptor-Triggerzonen (CTZ), der Großhirnrinde und des vestibulären Apparates des Gehirns sowie des Magen-Darm-Traktes selbst. Eine Opioidstimulation der CTZ kann mit Dopamin-Rezeptorantagonisten behandelt werden, obwohl diese Mittel eine Reihe von Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit, Verstopfung, Dystonie, Parkinsonismus, Spätdyskinesie, Torsades de pointes und malignes neuroleptisches Syndrom verursachen können. Serotonin-Rezeptorantagonisten sind ebenfalls wirksam bei der Vorbeugung von Übelkeit und Erbrechen, die durch eine Opioidstimulation der CTZ verursacht werden, und weisen ein gutes Verträglichkeitsprofil auf. Metoclopramid wird häufig als Erstlinientherapie bei opioidbedingter Übelkeit aufgrund seines Nebenwirkungsprofils und Wirkmechanismus empfohlen. Metoclopramid verkürzt die Darmpassagezeit durch eine Verstärkung der Acetylcholinreaktion im Magen-Darm-Trakt und ist daher für Patient:innen mit Übelkeit in Verbindung mit Verstopfung von Vorteil. Histaminantagonisten (z. B. Cyclizin) wirken sowohl im Brechzentrum als auch im Vestibularapparat, was sie bei der Behandlung von Übelkeit in Verbindung mit Bewegung oder Schwindel wertvoll macht. Im Gegensatz dazu üben Anticholinergika (z. B. Scopolamin) eine antiemetische Wirkung aus, indem sie die Acetylcholin-Signalisierung direkt im Brechzentrum hemmen.

In manchen Fällen kann ein einziges Antiemetikum ausreichen, um Übelkeit und Erbrechen zu lindern, und manchmal kann die Kombination mehrerer Antiemetika notwendig sein. Beispielsweise kann die kombinierte Blockade von Dopamin- und Serotoninrezeptoren durch Haloperidol bzw. Ondansetron erforderlich sein, um hartnäckige Übelkeit und Erbrechen zu lindern. Zu den alternativen Optionen gehören der Wechsel zu einem anderen Antiemetikum oder einem alternativen Opioid, die Verwendung niedriger Dosen eines Opioid-Rezeptorantagonisten wie Naloxon sowie nichtpharmakologische Interventionen (frische Luft, Ablenkung, Entspannungstechniken). Bei therapierefraktären Erbrechen sind Dronabinoltropfen als zusätzliche Option zu erwähnen.

Opioidinduzierte Obstipation

Verstopfung tritt bei 40 bis 95 % der mit Opioiden behandelten Patient:innen auf und kann sogar bei einer Einzeldosis Morphin vorkommen. Langfristige Folgen können zu erheblicher Morbidität und Mortalität führen und sich negativ auf die Lebensqualität auswirken. Schwere Obstipation kann Patient:innen dazu zwingen, die Opioiddosis zu reduzieren, was zu einer verminderten Analgesie führt. Chronische Verstopfung kann zu Hämorrhoidenbildung, Schmerzen und Brennen im Rektum, Ileus und möglicherweise zu Darmrupturen und Tod führen.

Opioide aktivieren sowohl über eine vaskuläre Verteilung als auch bei lokaler Anwendung im Darm µ-Rezeptoren im Gastrointestinaltrakt, die für die Darmmotilität verantwortlich sind. Loperamid, ein Opioid-Rezeptoragonist mit eingeschränkter Fähigkeit, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, wird klinisch zur Behandlung von Durchfall eingesetzt, was darauf hindeutet, dass Opioide eine direktere lokale Verstopfungswirkung haben. Im Gegensatz zu vielen anderen Opioid-Nebenwirkungen bessert sich die Verstopfung nicht mit der Zeit und muss daher während der gesamten Behandlungsdauer überwacht werden. Die Obstipation wird teilweise durch die Verwendung verschiedener Arten von Opioid-Verbindungen oder Verabreichungswegen oder die Kombination von Opioiden mit anderen Medikamenten gemildert. Zusätzliche Prävention wie natürliche und spaltbare/lösliche Ballaststoffe können die Entstehung einer Obstipation positiv beeinflussen sowie den Bedarf an Laxanzien reduzieren, Bewegung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr unterstützen ihre Wirkung. Es kann jedoch immer noch zu einer hartnäckigen Verstopfung kommen, und Opioid-Antagonisten können in dieser Hinsicht eine wichtige therapeutische Rolle spielen. Die Antagonisierung der gastrointestinalen μ-Rezeptoren ist die Grundlage vieler Medikamente zur Behandlung der opioidbedingten Verstopfung (z. B. Methylnaltrexon, Naloxegol). Sie blockieren die peripheren Wirkungen von Opioiden, während zentrale analgetische Effekte ausgespart werden, und kehren die darmverlangsamende Wirkung um.

Prinzipiell ist anzuraten, mit Beginn einer Opiodtherapie ein Laxans als Begleitmedikation zu verschreiben. Unter den konventionellen Laxanzien sollten Macrogol (Polyethylenglykol), Bisacodyl, Natriumpicosulfat und Sennapräparate als Arzneimittel der ersten Wahl zum Einsatz gelangen. Bei individuell nachgewiesener guter Wirksamkeit ist eine Begrenzung des Einnahmezeitraums von Macrogol unbegründet. Ihre Wirkung entfalten diese Arzneimittel in der Regel entweder über eine Erhöhung des Wassergehaltes des Darminhaltes oder als osmotische Quellstoffe, die über die dadurch bedingte Verflüssigung des Stuhls und die hiermit einhergehende Volumenzunahme sekundär Darmwanddehnungen auslösen, die reflektorisch zu einer Erhöhung peristaltischer Kontraktionen führen.

Fazit

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Opioide bei der Behandlung einer Vielzahl chronischer Schmerzzustände wirksam sein können, jedoch können sie mit Nebenwirkungen und Komplikationen einhergehen. Trotz der Zunahme schwerwiegender Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Anwendung von Opioiden, einschließlich Todesfällen im Missbrauchsfall, werden diese Medikamente den meisten Patient:innen mit chronischen Schmerzen weiterhin häufig verschrieben. Richtige Verschreibungspraktiken sowie Aufklärung von Ärzt:innen und Patient:innen können dazu beitragen, Verträglichkeitsprobleme und Nebenwirkungen besser zu bewältigen.