Interdisziplinäre Zusammenarbeit und holistische Ansätze

Der diesjährige ESMO/EONS-Kongress in Barcelona bot eine außergewöhnliche Gelegenheit, die Schnittstellen zwischen Pflege, Onkologie und Patient:innen in den Fokus zu rücken. Als Referentin in einem zentralen Symposium durfte ich neben Prof. Andreas Charalambous, Dr.in Cristina Saura und María Lapuente innovative Ansätze vorstellen, welche die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit und des holistischen Patientenmanagements hervorhoben.
Prof. Andreas Charalambous’ einleitende Worte betonten eindringlich, wie wichtig Pflegekräfte für eine erfolgreiche Krebstherapie sind: Wir sind das Bindeglied, das Patient:innen Orientierung und Stabilität gibt, während wir zugleich komplexe Behandlungspläne umsetzen und mitgestalten.

Nebenwirkungsmanagement

Ein zentrales Thema des Symposiums war das Nebenwirkungsmanagement bei Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC). Diese innovativen Wirkstoffe haben die Behandlung von HER2-positivem und HER2-low-Brustkrebs revolutioniert, bringen jedoch Herausforderungen mit sich. Dr.in Cristina Saura verdeutlichte, wie entscheidend es ist, auch seltene, aber lebensbedrohliche Nebenwirkungen wie interstitielle Lungenerkrankung (ILD) frühzeitig zu erkennen. Atemnot, Husten, aber auch unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Schwäche, Brustschmerzen und Fieber müssen sowohl von Ärzt:innen als auch Pflegekräften schnellstmöglich eingeordnet und kommuniziert werden, um Patient:innen rechtzeitig zu schützen. Hierfür ist das Schaffen von Bewusstsein dafür durch gezielte Wissensvermittlung essenziell.
Das Management von Neutropenie, einer häufigen Nebenwirkung bei ADC-Therapien, war ein weiterer Schwerpunkt. Präventive Maßnahmen wie der Einsatz von granulozytenkoloniestimulierendem Faktor (G-CSF), einem Wirkstoff zur Förderung der weißen Blutkörperchen, können das Infektionsrisiko erheblich senken. Pflegekräfte spielen eine Schlüsselrolle, indem sie frühzeitig Symptome wie Fieber oder Schwäche erkennen und die Anwendung von G-CSF eng begleiten.

Holistische Dimension der Pflege

María Lapuente brachte mit ihrem Vortrag die holistische Dimension der Pflege in den Fokus. Ein ganzheitlicher Ansatz, der nicht nur die medizinische, sondern auch die psychologische und soziale Ebene von Betroffenen berücksichtigt, war der rote Faden ihrer Ausführungen. Sie erinnerte daran, dass Pflege weit mehr ist als die reine Umsetzung von Anweisungen. Als Pflegekräfte gestalten wir aktiv mit, begleiten Patient:innen durch schwere Phasen und fördern ihre Lebensqualität.
Ein Thema, das mir persönlich besonders am Herzen liegt, ist die spezialisierte Ausbildung von Pflegekräften in der Onkologie. In meinem Vortrag habe ich gezeigt, wie wichtig die Rolle der Cancer Nurse ist, um den gestiegenen Anforderungen in der Versorgung von Krebsbetroffenen gerecht zu werden. Die Kombination aus fundiertem Wissen, praktischer Erfahrung und Empathie macht diese zu einem unverzichtbaren Teil eines multidisziplinären Teams. Spezialisierung, wie die der Cancer Nurse, muss stärker gefördert und anerkannt werden, um die Versorgung weiter zu verbessern.
Der Kongress bot darüber hinaus spannende Einblicke in die Zukunft der onkologischen Pflege. Themen wie patientenzentrierte Ansätze, die Stärkung der Resilienz von Pflegekräften und innovative Technologien waren immer wieder präsent.
Besonders beeindruckt hat mich, wie intensiv über die Rolle der Pflege in der onkologischen Forschung diskutiert wurde. Wir sind nicht nur Umsetzende, sondern auch Treibende, die Forschungsergebnisse in die Praxis bringen.

Resümee

Zusammenfassend hat der ESMO/EONS-Kongress 2024 gezeigt, wie bedeutend die Pflege in der modernen Onkologie ist. Unsere Arbeit endet nicht am Patientenbett – wir sind Wissensvermittler:innen, Koordinator:innen und Mitgestaltende in einem hochkomplexen System. Diese Erkenntnisse motivieren, weiter daran zu arbeiten, die Pflegepraxis aktiv mitzugestalten und die Bedürfnisse unserer Patient:innen in den Mittelpunkt zu stellen.