Das Gesundheitswesen zittert: Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien wird die Forderung nach Abschiebungen laut. Das würde Medizin, Pflege und auch Apotheken betreffen.
Kaum wurde Anfang Dezember bekannt, dass das grausame Assad-Regime in Syrien gestürzt wurde, verlautbarten vor allem konservative und rechte Politiker:innen in Europa, wie auch Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), man müsse Asylverfahren aussetzen und bestehende -bescheide prüfen. Im Rahmen eines EU-Gipfels befürwortete Nehammer nun eine gemeinsame europäische „Syrien-Strategie“. Übersehen wurden dabei jene vertriebenen Syrer:innen, die bereits in Österreich arbeiten und Steuern zahlen – viele davon im Gesundheits- und Sozialwesen. Laut Integrationsfonds arbeiten rund 4.000 Menschen aus Syrien in diesem Sektor. Ohne sie würden der Personalmangel weiter verstärkt, aber auch Arbeitsplätze vernichtet werden. RELATUS PHARM hat darüber mit der Apothekerin Shaveen Alali gesprochen.
Wie geht es Ihnen in Anbetracht der Geschehnisse in Syrien und der Aussagen österreichischer Politiker? Das Assad-Regime hat Syrien 55 Jahre lang mit Gewalt und Schrecken regiert. Dass wir heute miterleben, wie ein solch brutales Regime möglicherweise fällt, ist ein historisches Ereignis – nicht nur für die Syrer:innen, sondern für die gesamte Welt. Dieses Regime hat über zwei Millionen Menschen getötet und mehr als 13 Millionen in die Flucht getrieben. In diesem Kontext finde ich die Aussagen österreichischer Politiker:innen schwierig, denn sie schüren bei syrischen Flüchtlingen zusätzliche Ängste. Die Situation in Syrien ist noch völlig unklar. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind katastrophal, und ein sicheres Leben ist dort noch lange nicht möglich. Viele Menschen würden vermutlich freiwillig zurückkehren, wenn die Umstände es erlauben. Doch für diejenigen, die hier ein neues Leben aufgebaut haben, ist es nicht einfach, wieder bei Null anzufangen. Ich bin der Meinung, dass diese Entscheidung ausschließlich von den Betroffenen selbst getroffen werden sollte – nicht von Politikern, die die tatsächliche Lage vor Ort nicht persönlich erleben müssen.
Was möchten Sie der Politik also ausrichten? Das Assad-Regime hat uns schon einmal in die Flucht getrieben. Wir mussten unsere Heimat, unsere Familien, Freunde und all das, was wir erreicht hatten, zurücklassen. Bitte zwingen Sie uns nicht dazu, diesen Schmerz ein zweites Mal zu erleben. Viele von uns haben hier von Null angefangen. Es hat uns viel Zeit, Kraft und Mut gekostet, ein neues Leben aufzubauen. Wir wünschen uns Stabilität und die Möglichkeit, ein Teil dieser Gesellschaft zu sein, ohne ständig in Angst vor neuen Entscheidungen leben zu müssen. Geflüchtete und Asylsuchende sind außerdem, keine Zahlen oder Statistiken, sondern Menschen mit Geschichten, Hoffnungen und oft traumatischen Erlebnissen. Österreich hat eine lange Tradition als Land, das Hilfe leistet – an diese Tradition sollten wir uns erinnern. Es wäre wichtig, statt Härte mehr auf Integration und gegenseitiges Verständnis zu setzen. Langfristig profitieren alle von einer offenen und solidarischen Gesellschaft. (kagr)