Uraltes Herzmedikament verhindert Metastasen

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Schweizer Forschende haben eine spannende Entdeckung gemacht: Eines der ältesten Herzmedikamente erzielte gute Resultate bei Krebspatient:innen. 

Digoxin, seit etwa 1930 als erstes wirksames Medikament zur Behandlung von chronischer Herzschwäche eingesetzt, kann die Bildung von Metastasen bei Brustkrebs verhindern. Das zeigt eine Untersuchung der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETH) und der Uni-Kliniken in Basel und Zürich. Der ursprünglich aus dem Fingerhut (Digitalis) isolierte Wirkstoff verkleinert Tumorzellklumpen, welche im Blut zirkulieren und Tochtergeschwülste bilden. „Dass Digoxin auch im Zusammenhang mit Brustkrebs wirksam sein könnte, entdeckten die Wissenschaftler:innen im Jahr 2019. Sie führten ein umfangreiches Screening durch, bei dem sie mehr als 2.400 verschiedene Substanzen systematisch in Zellkulturen testeten, um aktive Wirkstoffe gegen Cluster von zirkulierenden Tumorzellen (CTC) zu finden“, heißt es in einer Aussendung der ETH Zürich. 

Danach folgte eine erste klinische Studie. Neun Patientinnen mit metastasierendem Brustkrebs bekamen eine Woche Digoxin in niedriger und sicherer Dosierung. Die Digitalis-Präparate werden bei Herzkranken vor allem wegen der möglichen Nebenwirkungen kaum mehr verwendet. Es gibt mittlerweile wirksamere und besser verträgliche Arzneimittel zur Therapie der chronischen Herzschwäche. Doch bei den Mammakarzinom-Patientinnen zeigten sich gute Resultate: Die Zahl der Zellen pro Tumorzell-Cluster nahm signifikant ab – im Durchschnitt um 2,2 Zellen. Angesichts der typischen Clustergrößen von nur einer Handvoll Zellen bedeutete dies eine deutliche Reduktion des Metastasenrisikos. Je kleiner die Cluster sind, desto weniger sind sie in der Lage, erfolgreich Metastasen hervorzubringen. 

Den Schweizer Expert:innen gelang es auch, den dahintersteckenden Mechanismus aufzuklären: „Die Achillesferse der CTC-Cluster sind die ‚Natrium-Kalium-Pumpen‘, die in den Membranen der Tumorzellen sitzen und dafür verantwortlich sind, dass Natrium aus den Zellen und Kalium in die Zellen befördert wird. Digoxin blockiert diese Ionen-Pumpen und unterdrückt somit den Ionenaustausch. Die Zellen nehmen deshalb verstärkt Kalzium von der Außenseite der Zellmembran in sich auf“, schreiben sie. Dies schwäche den Zusammenhalt der Krebszellen-Zusammenballungen, sie fielen auseinander. 

Die Studienergebnisse sind allerdings erst ein weiterer Schritt für die Nutzbarmachung des Prinzips von Digoxin in Sachen Tumorzellen. Ein Spin-Off-Unternehmen der ETH Zürich (Page Therapeutics) arbeitet bereits an der Entwicklung neuer Wirkstoffmoleküle mit erhöhter Effektivität. Währenddessen wurden an der Schweizer Hochschule Laborversuche zu anderen Karzinomerkrankungen gestartet, welche speziell durch Metastasenbildung gefährlich sind: Prostata-, Darm-, Pankreaskrebs sowie das Melanom. Die Wissenschaftler:innen haben ihre Erkenntnisse jetzt in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht. (red/APA) 

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