Diagnosekriterien neu definiert

Adipositas ist eine komplexe, chronische Erkrankung. Eine rein BMI-basierte Diagnose kann sowohl zur Über- als auch zur Unterschätzung des Gesundheitsrisikos führen. Direkte Messungen des Körperfetts und ergänzende Kriterien wie der Taillenumfang oder das Verhältnis von Taille zu Hüfte sollten in die Bewertung miteinbezogen werden, raten Fachleute. Die konsensbasierten Managementempfehlungen einer internationalen Kommission wurden rezent in der Fachzeitschrift The Lancet Diabetes & Endocrinology veröffentlicht. Für Kinder und Erwachsene wurden altersabhängige Diagnosekriterien festgelegt.

Unterscheidung in präklinische und klinische Adipositas

In den neuen Empfehlungen wird klar zwischen präklinischer und klinischer Adipositas differenziert (Abb.): Während die präklinische Ausprägung durch eine erhöhte Fettansammlung ohne funktionelle Beeinträchtigung der Organe charakterisiert ist, kann die klinische Adipositas Schäden in Geweben und Organen hervorrufen, die zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenversagen führen können. Gezielte Präventionsmaßnahmen sollen bereits bei präklinischer Adipositas gesetzt werden, um die Progression der Erkrankung zu verhindern. Der zeitnahe Einsatz von evidenzbasierten Therapien bei klinischer Adipositas ist essenziell, um Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität zu verbessern. „Die neuen Empfehlungen bieten einen wichtigen Fortschritt, indem sie Adipositas als chronische Erkrankung anerkennen und die Diagnose auf umfassendere Kriterien stützen. Dies ermöglicht eine individuellere und effektivere Behandlung“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak, Koautor der Publikation.

Abb.: Vergleich von alten und neuen Diagnosekriterien für Adipositas

Bessere medizinische Versorgung und soziale Entstigmatisierung

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die gesellschaftliche Awareness für Adipositas, um bestehende Vorurteile und Stigmata zu verringern. Die Kommission fordert politische Entscheidungsträger:innen auf, den Zugang zu Diagnostik und Behandlung für Betroffene sicherzustellen. Public-Health-Strategien sollten nicht ausschließlich die Eigenverantwortung betonen, sondern ein evidenzbasiertes Vorgehen unterstützen. Die Österreichische Adipositas Gesellschaft und die Österreichische Adipositas Allianz begrüßen das Expertenstatement. Beide Organisationen engagieren sich für eine bessere medizinische Versorgung und die gesellschaftliche Entstigmatisierung von Adipositas. Sie vernetzen Expert:innen und bieten Fortbildungen für Gesundheitspersonal sowie Unterstützung für Betroffene an. Die neuen Empfehlungen sollen zu einem grundlegenden Umdenken im Umgang mit Adipositas führen und die Situation für Betroffene entscheidend verbessern.