Oft seien Angebotsverknappungen, wie man sie derzeit im Gesundheitswesen beobachte, „unvernünftigen politischen Konzepten wie dem sogenannten Kostendämpfungspfad geschuldet“, sagt MR Dr. Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer und Kammer für Ärztinnen und Ärzte in Wien.
„Diese Sprachschöpfung der Politik tut so, als könnte man bei den Gesundheitsausgaben in der aktuellen demografischen Situation tatsächlich Kosten einsparen, ohne dass es die Qualität und Quantität der Versorgungsleistungen gefährden würde.“ Steinhart ist einer von mehreren Gesprächspartner:innen von Ärzte Krone-Redakteur Martin Rümmele in seinem neuen Buch „Krank gespart – Wie Konzerne, Berater und Politik unser Gesundheitswesen ausbluten lassen“, das dieser Tage im Ampuls Verlag erscheint. Es beschreibt die Folgen von Spardruck und Liberalisierung im Gesundheitswesen. Und es zeigt Auswege.
„Der Konzernisierung der Gesundheitsversorgung muss ein Riegel vorgeschoben werden – in der Form klarer rechtlicher Vorgaben. Heuschrecken müssen von der Gesundheitsversorgung ferngehalten werden.“
Wachsende Verluste bei den Krankenversicherungen, Lieferengpässe bei Medikamenten, steigende Wartezeiten, unversorgte Patient:innen, Personal am Limit, gesperrte Spitalsbetten und Klinikstationen. Das Gesundheitswesen sei kurz davor, an die Wand gefahren zu werden und zu implodieren, analysiert Rümmele. Das Buch kritisiert unter anderem den Spar- und Optimierungsdruck. Und der werde nicht nur künstlich erzeugt, er öffne auch die Türe für Liberalisierungen, Privatisierungen und eine Konzernisierung, schreibt Rümmele ebenso. Das Gesundheitssystem sei aber keine Autofabrik, in der man einfach das Fließband schneller oder im Mehrschichtbetrieb laufen lassen kann – oder in der man allen Autos den gleichen Motor einbaut. Man könne auch das Gesundheitswesen nicht nach Kosten und Absatzzahlen bewerten. „Die Gesundheit und die Versorgung von Menschen funktionieren deutlich komplexer. Weil Menschen komplexer sind und – gerade Kranke – bedürftig sind“, sagt Rümmele. „Wie immer man diesen gefährlichen Privatisierungstrend auch nennt, ob Kommerzialisierung, investorengesteuerte Gesundheitsversorgung oder eben Konzernisierung, es gibt meiner Überzeugung nach Anlass für zwei zentrale Befürchtungen: Die Versorgung wird gefährdet, und die ärztliche Freiberuflichkeit gerät unter Druck“, sagt Steinhart im Buch. Dass Ärzt:innen in der Wahl der geeigneten Diagnose- und Behandlungsmethoden, aber auch der individuell am besten geeigneten Medikamente frei sind und nicht die am Gewinn orientierten Vorgaben von Betriebswirt:innen und Controller:innen befolgen müssen, halte Steinhart für wichtige zivilisatorische Errungenschaften und für ein hohes Gut für die Patient:innen. Das gelte es zu schützen.
Ein die Verkaufsbereitschaft fördernder Umstand könne aber das Milliardenloch im österreichischen Budget sein, fürchtet Steinhart. „Dieses lässt zum einen ein Sparpaket erwarten, von dem auch die Gesundheitsversorgung nicht verschont bleiben wird. Und zum anderen könnte der/die eine oder andere Politiker:in schon auch auf die Idee kommen, öffentliche Gesundheitseinrichtungen an Private zu verkaufen, um zusätzliches Geld ins Budget zu bekommen.“