Das Hormon Vitamin D3 (VD3) wird häufig als Faktor übersehen, der für eine effektive Wundheilung und Gewebereparatur von entscheidender Bedeutung ist. Für die Bildung von VD3 benötigt der Körper Sonnenlicht (UVB-Strahlung), das direkt in Keratinozyten zu aktivem VD3 verstoffwechselt werden kann. VD3 wirkt hier als Promotor der Wundheilung, indem es u. a. die Produktion von antimikrobiellen Peptiden induziert, die als Teil des angeborenen Immunsystems die erste Abwehr gegen Krankheitserreger darstellen.
Rezessiv dystrophe Epidermolysis bullosa (RDEB) ist eine genetisch bedingte Hauterkrankung, die durch Mutationen im Kollagen-VII-Gen (COL7A1) hervorgerufen wird. COL7A1 ist der Hauptbestandteil der Ankerfibrillen, die den Zusammenhalt der Epidermis mit der darunterliegenden Dermis bewerkstelligen. Aufgrund dieses genetischen Defekts kommt es zur Bildung von Blasen, die sich zu großflächigen und nichtheilenden Wunden entwickeln. Diese Wunden sind sehr anfällig für Infektionen mit Mikroorganismen, die mitunter zur schlechten Abheilung und Entstehung von Hauttumoren mit schlechter Prognose beitragen können. Durch eingeschränkte Sonneneinstrahlung aufgrund der Wundauflagen und einer verminderten Aktivität der Patienten im Freien kann es zu einem lokalen VD3-Mangel in der Haut kommen. Deshalb überprüften wir in der vorliegenden Studie, ob eine lokale Erhöhung des VD3-Levels in Wundarealen von RDEB-Patienten den Heilungsprozess verbessern kann.
Für unsere Versuche verwendeten wir das VD3-Analog Calcipotriol, da dieser Wirkstoff bereits für die Behandlung von Psoriasis zugelassen ist und bei einem Nachweis einer positiven Wirkung auf die Wundheilung eine Verwendung des Wirkstoffs außerhalb der Zulassung erzielt werden kann.
Unsere präklinischen Studien zeigten, dass durch die Gabe von Calcipotriol die Produktion des antimikrobiellen Peptids Cathelicidin in Keratinozyten-Kulturen von RDEB-Patienten gefördert und dadurch das Wachstum eines pathogenen Erregers gehemmt wird. Des Weiteren beobachteten wir, dass eine geringe Dosis an Calcipotriol die Proliferation der Keratinozyten nicht negativ beeinflusst und zugleich die Wundheilung im Zellkultur-Modell fördert. In Vorbereitung auf eine mögliche klinische Anwendung von Calcipotriol in nichtheilenden Wunden von EB-Patienten und um mögliche Nebenwirkungen auszuschließen, wurde dessen Effekt auf das Wachstum von RDEB-Tumorzellen untersucht. Die Daten zeigten, dass Calcipotriol das Wachstum der Tumorzellen sogar hemmt, was nicht nur die Sicherheit dieser potenziellen Therapieform für chronische Wunden von RDEB-Patienten untermauert, sondern möglicherweise auch eine protektive Wirkung auf die Entwicklung von Hauttumoren in diesen Patienten hat.
Basierend auf diesen Daten konnte eine erste Anwendungsbeobachtung an einem dominant dystrophen EB-Patienten durchgeführt werden. Durch tägliches Auftragen einer niedrig dosierten Calcipotriol-Salbe auf eine chronisch offene Wunde kam es bereits nach 2 Wochen zu deren gänzlichen Schließung sowie zur Verminderung von Juckreiz und Schmerz. Um den Effekt der Behandlung auf die Besiedelung der Wunde mit Mikroorganismen zu testen, wurden Wund- und Hautabstriche vor und nach der Behandlung mit der Calcipotriol-Salbe abgenommen und das Mikrobiom (= Gesamtheit der Mikroorganismen) auf den betroffenen Hautarealen mittels modernster Sequenzier-Technik bestimmt. Die Analyse zeigte eine reduzierte mikrobielle Diversität in der chronischen Wunde im Vergleich zum intakten Hautareal des Patienten. Bemerkenswert war, dass durch die Behandlung mit der niedrig dosierten Calcipotriol-Salbe die Diversität wieder erhöht und der vorherrschende Keim, Staphylococcus aureus, in der Wunde beseitigt werden konnte.
Klinische Studie unterwegs: Diese Ergebnisse initiierten die Durchführung einer klinischen Studie an DEB-Patienten, um den Effekt einer niedrig dosierten Calcipotriol-Salbe bei topischer Gabe auf offenen Wunden im Vergleich mit Placebo zu untersuchen (EUDRANET: 2016-001967-35).