Die chronische Niereninsuffizienz (CNI) stellt weltweit ein bedeutendes Gesundheitsproblem dar. Herzkrankheiten sind die Todesursache Nummer eins (über 50 %) bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. 1 Patienten mit chronischer Nierenerkrankung sind einer bis zu 30-fach höheren Mortalität durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgesetzt als die allgemeine Bevölkerung.2 Da sowohl für Herz- als auch für Niereninsuffizienz gemeinsame Risikofaktoren (Hypertonie, Diabetes mellitus, Alter, Albuminurie etc.) bestehen, ist die gegenseitige Beeinflussung der betroffenen Organe meist schwer trennbar. Dennoch ist auch oft ein kausaler Zusammenhang nachweisbar. Infolge der Progredienz beider Entitäten kommt es zur Entwicklung eines Circulus vitiosus mit gegenseitiger Beeinflussung, wobei als pathophysiologisches Bindeglied zwischen renalen und kardialen Schadigungen bei Herzpatienten die neurohumorale Aktivierung fungiert.
Die Mechanismen, die zur massiven Beeinflussung des Outcomes nach Herzoperationen durch die eingeschränkte Nierenfunktion führen, sind komplex. Die Nierenleistung nimmt mit zunehmendem Alter ab und wird durch eine Reihe von kardiovaskulären Risikofaktoren zusätzlich negativ beeinflusst. Außerdem ist eine Nierenfunktionsstörung eine häufige Konsequenz von herabgesetzter Linksventrikelfunktion, Linksherzhypertrophie und Herzinsuffizienz.
Wenn es schließlich darum geht, inwieweit eine geschädigte Niere den negativen Auswirkungen der Perfusion mit der Herz-Lungen- Maschine während der Herzoperation widerstehen kann, hängt dies sehr davon ab, wie der präoperative Zustand der Niere ist. Die hohe Inzidenz des akuten Nierenversagens unter herzchirurgischen Patienten spiegelt den Einfluss der Herz-Lungen-Maschine auf die Nierenfunktion wider. Dies wird durch intraoperative Risikofaktoren wie Perfusionsdruck, Flussrate, Aortenklemmzeit und Bypassdauer begründet.3 Aufgrund der Reduzierung des renalen Plasmaflusses während des normothermen Bypasses um bis zu 80 % muss davon ausgegangen werden, dass durch die Minderperfusion der Nieren ein manifester Nierenschaden gesetzt werden kann.4
Im Speziellen werden besonders Erkrankungen des Herzklappenapparats zunehmend sowohl als Ursache wie auch Indikatoren von Morbidität und Mortalität bei dieser Patientengruppe angesehen.5 Frühzeitige und beschleunigte Degeneration inklusive Verkalkung der Mitralund Aortenklappe manifestieren sich als Mitralannulusverkalkung und Aortenstenose. Mitralannulusverkalkung tritt bei 30–50 % der dialysepflichtigen Patienten auf, ist aber auch bei früheren Stadien der CNI häufig.6
Eine Aortenstenose ist sehr häufig bei Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz zu beobachten und hat eine Inzidenz von 28 bis 55 %. Patienten an der Dialyse zeigen eine Verkalkung der Aortenklappen um 10–20 Jahre früher als die Normalbevölkerung und in weiterer Folge zeigt diese Aortenklappenstenose eine raschere Progredienz. Somit ergibt sich eine erwartete Inzidenz von 3,3 % pro Jahr bei Dialysepatienten. Die Präsenz der Verkalkungen stellt einen Hochrisikofaktor für Morbidität und Mortalität bei diesen Patienten dar, da das 1-JahresÜberleben bei Patienten mit valvulären Kalkeinlagerungen bei 70 % liegt, während es bei denen ohne Verkalkungen mit immerhin 93 % angegeben wird.
Patienten mit einer terminalen dialysepflichtigen Niereninsuffizienz sind für den Herzchirurgen eine inhomogene Population in Hinblick auf die Ätiologie, die Dialysedauer vor der Herzoperation, die kardiale Grunderkrankung sowie in Hinblick auf Begleiterkrankungen.7 Aus diesen Gründen ist die cNI als wichtiger Risikofaktorenkomplex für Patienten anzusehen, bei denen eine Herzoperation während extrakorporaler Zirkulation bei Anwendung der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt werden muss. Insbesondere die mit der extrakorporalen Zirkulation assoziierten Probleme wie Flüssigkeits- und Elektrolythomöostase, Hämodilution, Antikoagulation und Blutgerinnungsstörungen erfordern ein optimales perioperatives Management dieser Patienten. Es gibt zumindest vier klinische Parametergruppen, die für die Indikation und die Behandlung von herzchirurgischen Patienten wichtig sind: Mortalität, bedeutende nicht-letale Komorbidität, Verwendung von Ressourcen und Patientenzufriedenheit.8 Welche Patientenfaktoren bei der Entscheidung der Behandlungsstrategie zum Tragen kommen, hängt letztlich von der Gewichtung und Stratifizierung der Risikofaktoren ab.
Generell spiegeln Risikofaktoren, die mit der Mortalität verlinkt sind, krankheitsspezifische Variablen wider9, während Faktoren, die mit vermehrter Verwendung von Ressourcen verbunden sind, entscheidende Komorbidität reflektieren10, wie z. B. periphere arterielle Verschlusskrankheit, chronisch obstruktive Lungeerkrankung und eben chronische Niereninsuffizienz.
Nach wie vor ist das akute perioperative Nierenversagen ein bedrohliches Problem, das zum einen mit verlängerten Intensivaufenthalten, längerer Krankenhausverweildauer, eingeschränkter Lebensqualität und mit deutlichen Mehrkosten für das Gesundheitssystem einhergeht, allem voran aber die Mortalität deutlich erhöht. Auch wenn früher noch das dialysepflichtige Nierenversagen in fast 90 % der Fälle tödlich endete und sich mittlerweile bedeutende Fortschritte in der Intensivmedizin und der Dialysetechnik eingestellt haben, so ist es dennoch bis heute ein ernstzunehmendes Problem, das noch immer mit einer Mortalität von ca. 60 % verbunden ist. Selbst das nicht-dialysepflichtige Nierenversagen zeigt eine deutlich höhere Mortalitätsrate von bis zu 20 %, verglichen mit einer Gesamtmortalität aller Patienten ohne renale Komplikationen von bis zu 4 %. Das Auftreten eines akuten Nierenversagens mit weiteren postoperativen Komplikationen ist mit einem 27-fachen Anstieg der Mortalität verbunden.
„Klassische Klappenchirurgie“: Die in der Literatur angegebene Mortalitätsraten für dialysepflichtige Patienten, die sich einer Klappenoperation unterziehen müssen, sind hoch: 17 % für isolierten Aortenklappenersatz, 22 % für isolierten Mitralklappenersatz, 25 % für Aortenklappenersatz mit Bypasschirurgie und 36 % für Mitralklappenersatz mit CABG.
Prothesenwahl in der Klappenchirurgie: Metaanalysen internationaler Studien zeigen keine Abhängigkeit der mittelfristigen Ergebnisse abhängig von der Wahl der Klappenprothese. Trotzdem scheint sich ein Trend zu zeigen, dass Patienten mit Bioprothese weniger klappenabhängige Komplikationen haben. Insofern sollten Patienten mit Niereninsuffizienz und vor allem mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz mit biologischen Klappen versorgt werden.11
Alternative Methoden – TAVI und PAVI: Mit einer immer älter werdenden Bevölkerung wird das Problem von Patienten mit kritischer Aortenklappenstenose, die zahlreiche Begleiterkrankungen aufweisen und daher ungeeignet für eine klassische Klappenoperation sind, klinisch bedeutsam. Laut Euro Heart Survey erhalten mehr als 30 % aller Patienten mit Klappenerkrankungen keine chirurgische Behandlung wegen eben dieser erwähnten Komorbiditäten. Natürlich ist die Prognose dieser Patienten sehr schlecht, wenn sie konservativ geführt werden.12
Durch Einführung der perkutanen Aortenklappenimplantation (PAVI), aber auch der chirurgisch transapikalen TAVI können heute auch Patienten behandelt werden, die aufgrund der Komorbiditäten keine geeigneten Kandidaten für die klassische offene Herzoperation sind. Weitere wichtige Hochrisikofaktoren, die die Entscheidung pro Alternativweg beeinflussen, sind: Vorbestrahlung des Thorax oder eine Porzellanaorta, höheres Alter (> 80-jährig), vorgängige Bypassoperation, relevante Mitralklappeninsuffizienz, schwer reduzierte systolische, links- oder rechtsventrikuläre Funktion, schwere pulmonale Hypertonie, Niereninsuffizienz sowie Demenz bzw. Fragilität des Patienten. Es kann nicht genügend darauf hingewiesen werden, dass die Beurteilung der Operabilität oder der Eignung nicht nur von Risiko- Scores abhängt, sondern einer individuellen Patienteneinschätzung bedarf. In ersten retrospektiven Studien zeigt sich ein Auftreten von akutem Nierenversagen nach TAVI in ungefähr 15 % und Dialysepflichtigkeit in ca. 2 %, was einen deutlichen Fortschritt im Vergleich zur konventionellen Vorgangsweise verspricht.
FACT-BOX
Patienten mit renaler Dysfunktion und valvulärer Herzerkrankung müssen mit einer deutlich erhöhten Morbidität und Mortalität rechnen, unabhängig von der Art der Behandlung. es muss daher im Prozess der Entscheidungsfindung sorgfältig abgewogen werden, ob und, wenn ja, welcher eingriff dem Patienten zu gemutet werden kann.13 Wenn die Wahl auf einen Klappenersatz gefallen ist, stehen neben klassischen chirurgischen verfahren nun auch weniger invasive, interventionelle Behandlungsmethoden zur Verfügung.
1 Sidhu M.S. et al., Adv Perit Dial 2010; 26:47-52. Review
2 Schoppet M. et al., Kidney Int 2008; 73:384-390
3 Ascione R. et al., Ann Thorac Surg 2001; 72:2020-5
4 Andersson L.G. et al., Eur J Cardiothorac Surg 1994; 8:597-602
5 Umana E. et al., Am J Med Sci 2003; 23:237-42
6 Shastri S. et al., American Journal of Kidney Diseases 2010; 56:399-417
7 Mehlhorn U. et al., Dtsch Arztebl 2002; 99:2774
8 Ferraris V.A. et al, J Thorac Cardiovasc Surg 1998; 115:593
9 Ferraris V.A. et al., J Thorac Cardiovasc Surg 1996; 111:731
10 Riordan C.J. et al, Ann Thorac Surg 2000; 69:1092
11 Chan V. et al, Heart 2011; 97:2033-2037
12 Lung B. et al., Eur Heart J 2003;2 4:1231-43
13 Hedley A.J. et al., Heart Lung Circ 2010; 19:453-9. Epub 2010 Apr 24