Die Koronarangiografie mit eventuell folgender Koronarintervention und Stentplatzierung birgt bei niereninsuffizienten Patienten die Gefahr der Ausbildung einer Kontrastmittel- induzierten Nephropathie, was mit erhöhter Morbidität und Letalität verbunden ist. Verlängerter Krankenhausaufenthalt und zusätzliche Therapiemaßnahmen haben auch ungünstige Auswirkungen auf die Kosten des Gesundheitssystems. Daher sollte besonders auf die Prävention der Kontrastmittel-induzierten Nephropathie geachtet werden.
Die bildgebende Diagnostik der Kranzarterien in Form der Koronarangiografie als Goldstandard oder in Form des Koronar-CT erfordert die Gabe von Kontrastmittel. In Österreich werden bei ca. 40 % der Patienten nach einer diagnostischen Koronarangiografie auch perkutane Koronarinterventionen (PCI) zur Sanierung von Stenosen durchgeführt, was die Gesamtmenge an verabreichtem Kontrastmittel deutlich erhöht. Zirka ein Drittel der PCIs erfolgen als primäre PCI, das heißt als Akuteingriffe im Rahmen eines akuten Myokardinfarkts. Da in den ersten Stunden eines STHebungs- Infarkts die Chance, bedrohtes Myokard retten zu können, besonders hoch ist, werden primäre PCIs möglichst rasch und in den meisten Fällen ohne vorherige Kenntnis der Nierenfunktion durchgeführt. Dies birgt ein erhöhtes Risiko für die Entstehung einer Kontrastmittel- induzierten Nephropathie, insbesondere bei Vorliegen einer chronischen Niereninsuffizienz.
Auch die Komplikationsrate nach Stentimplantation steigt bei chronischer Niereninsuffizienz an. So treten späte Stentthrombosen und Restenosen besonders bei komplexen kalzifizierten Läsionen häufiger auf. Hier ist die Implantation von medikamentenbeschichteten Stents der von herkömmlichen Bare-Metal- Stents etwas überlegen. Dabei muss aber der Nachteil der längeren Gabe einer dualen Antiplättchentherapie beachtet werden. Beim niereninsuffizienten Patienten ist die aortokoronare Bypassoperation bezüglich Langzeiterfolg der PCI überlegen; allerdings kann die aortokoronare Bypassoperation per se auch eine Verschlechterung der Nierenfunktion bewirken, und sie weist eine höhere Krankenhausmortalität als die PCI auf.
Eine akute Verschlechterung der Nierenfunktion nach intravenöser Gabe von Röntgenkontrastmittel wird als Kontrastmittel-induzierte Nephropathie (Contrast-induced Nephropathy – CIN) bezeichnet. In der Literatur wird im Allgemeinen ein Anstieg des Serumkreatininspiegels um mehr als 0,5 mg/dl oder um mehr als 25 % des Ausgangswerts innerhalb von 48 Stunden nach Kontrastmittelgabe als Kriterium für die Diagnose dieses Krankheitsbildes gefordert.
Die Kontrastmittel-induzierte Nephropathie tritt selten bei Patienten mit normaler Nierenfunktion und einer Kontrastmittelmenge von weniger als 100 ml auf. Unter einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von 60 ml/min steigt das Risiko für eine Kontrastmittel-induzierte Nephropathie in Abhängigkeit von der Menge und Art des applizierten Kontrastmittels sowie von weiteren Risikofaktoren (Tab. 1). Als absolut kritische Menge an Kontrastmittel wird in den ESC/EACTS-Guidelines eine Gesamtmenge von 350 ml bzw. 4 ml/kg Körpergewicht gesehen. Andere Richtlinien sehen eine KM-Menge von 4-mal die GFR in ml/min als zu verabreichende Obergrenze an.
Präventionsmaßnahmen
Moderne Kontrastmittel:Die Prävention der CIN sollte bereits bei der Planung einer Koronarangiografie beginnen.
Dabei stehen Art und Menge des Kontrastmittels sowie ausreichende Volumengabe im Vordergrund. Die Kontrastmittel der ersten Generation waren hochosmolar sowie ionisch und mehr nephrotoxisch. Die heutzutage für Niereninsuffiziente verwendeten modernen KM sollten nicht-ionisch und isoosmolar sein. Bei bekannter Niereninsuffizienz sollte die Gesamtmenge an verabreichtem KM möglichst klein gehalten werden. Das kann man erreichen, indem die Zahl der Angiografieserien auf ein Minimum beschränkt und auf Laevokardiografien verzichtet wird. Bei planbaren PCIs können diagnostische Koronarangiografie und Koronarintervention zweizeitig erfolgen und so die gesamte Kontrastmittelmenge auf einen längeren Zeitraum verteilt werden. Bei Ad-hoc-PCIs erhöht sich das Risiko für eine CIN deutlich, wenn das Verhältnis von KM-Menge zu GFR den Wert von 3,7 übersteigt. Auch eine biplane Angiografieanlage hilft beim Sparen von Kontrastmittel.
Volumengabe: Alle Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz, die sich einer Koronarangiografie unterziehen müssen, sollten eine präventive intravenöse Volumengabe mit isotoner Kochsalzlösung erhalten. Diese sollte mindestens 12 Stunden vor der Angiografie begonnen und zumindest 24 Stunden danach fortgesetzt werden. In den ESC/EACTS-Guidelines wird die Infusion von 1 ml 0,9 % NaCl pro kg Körpergewicht und Stunde vorgeschlagen. Bei schwerer Herzinsuffizienz wird empfohlen, die halbe Menge an Kochsalzlösung (0,5 ml/kg/h) zu infundieren. Das ist neben optimaler medikamentöser Therapie (Statine, Betablocker, ACE-Hemmer oder Sartane) und Verwenden von isoosmolarer KM die einzige Klasse-1/Level-A-Empfehlung zur Prävention der CIN bei Niereninsuffizienten mit Koronarangiografie. Auch die ACC/AHA-Guidelines unterstreichen die ausreichende Hydratation und Kontrastmittelreduktion als Hauptmaßnahmen zur Prävention der CIN.
Zusätze zur Infusionstherapie: Es wurden verschiedene Zusätze zur Infusionstherapie untersucht, davon zwei Substanzen in relativ vielen Studien. Diverse Auswertungen inklusive Metaanalysen mit N-Acetylcystein bzw. Natriumbikarbonat erbrachten widersprüchliche Ergebnisse. Ein eindeutiger Nutzen zur Prävention der CIN ist derzeit nicht belegt. Beide Substanzen haben eine Klasse-IIb-Empfehlung der ESC.
Falls das fraglich nützliche, gut verträgliche, relativ billige N-Acetylcystein verwendet wird, sollte es unbedingt mit reichlich i. v. Flüssigkeitszufuhr erfolgen. Die bevorzugte Dosis beträgt (600–)1.200 mg. Die Studienlage bezüglich Natriumbikarbonat ist ebenfalls nicht eindeutig, obwohl es Daten gibt, die eine Überlegenheit im Vergleich zu Infusionen mit Kochsalzlösung zeigen. Die empfohlene Dosis ist 3 ml isotones Bikarbonat/kg Körpergewicht 1 Stunde vor Beginn der Koronarangiografie, gefolgt von 1 ml/kg über 6 Stunden nach dem Eingriff.
Das „RenalGuard System“ wurde in zwei Studien mit NaCl-Infusionen verglichen und zeigte gute Ergebnisse. Dabei wird eine Furosemidinduzierte, forcierte Diurese betrieben und gleichzeitig eine der Harnproduktion entsprechende Volumenzufuhr mit Kochsalzlösung getätigt. Volumenüberladung und Hypokaliämie als mögliche Nebenwirkungen werden von Kritikern ins Treffen geführt. Jedenfalls sind für den breiten Einsatz dieses Systems noch weitere Studien erforderlich.
In einer Analyse von über 33.000 Patienten in den USA mit akutem Koronarsyndrom zeigte sich seit dem Jahr 2000 eine Abnahme der Inzidenz von Niereninsuffizienz und auch der CIN trotz zunehmendem Durchschnittsalter der Patienten. Die Autoren dieser Studie führen diese Entwicklung auf eine gesteigerte Sensibilisierung der Ärzte, eine bessere Risikostratifizierung sowie vermehrte Anwendung von Präventionsmaßnahmen zurück.