Reflux als mögliche Hustenursache

Der gemäß Häufigkeit der Ursachen, Invasivität und ökonomischen Überlegungen erstellte Stufenplan zur Abklärung von Patienten mit chronischem Husten empfiehlt bei Erstvorstellung umgehend eine breite Anamnese, klinische Untersuchung, Lungenfunktion und ein Thoraxröntgen, um die Richtung der Diagnostik zu bahnen.1 Diese Basisdiagnostik erfasst auch die häufigsten Ursachen von chronischem Husten wie Asthma, COPD, Lungentumore, Tuberkulose, Aspiration und andere. Bei Patienten mit normaler Lungenfunktionsprüfung und normalem Röntgen ist nach Lokalisation der Hustenrezeptoren die gastroösophageale Refluxkrankheit (GORD) nebst Asthma als Hustenäquivalent und Erkrankungen der oberen Atemwege der drittwichtigste differenzialdiagnostische Aspekt. Laut epidemiologischen Studien ist GORD in bis zu 41 % der Erwachsenen mit chronischem Husten assoziiert. Die wohl zu einfache Vorstellung, dass Magensäure Husten über Rezeptoren im unteren Ösophagus oder Larynx triggert und eine Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren (PPIs) dies verhindert, hat uns in den letzten 15 Jahren großzügig, hoch dosiert und lange PPIs verabreichen lassen. Die Ergebnisse einer rezenten Cochrane-Analyse über PPI-Studien bringen jedoch eine Ernüchterung betreffend die Wirksamkeit von PPIs und erfordern eine sehr differenzierte Betrachtung.

Erforderliche Vorabklärungen: Bei Patienten mit normalem Lungenröntgen und normaler Lungenfunktion sollten insbesondere eosinophile Krankheitsbilder wie Husten als Asthmaäquivalent oder eine eosinophile Bronchitis vom Spezialisten für Lungenerkrankungen ausgeschlossen werden. Diese Erkrankungen haben mit Kortikosteroiden inhalativ oder oral eine gute Behandlungsoption. Der Therapieerfolg scheitert jedoch oft an einer mangelnden Compliance oder Fehlern bei der Applikation der inhalativen Therapie und kann daher unnotwendigerweise weitere, zum Teil invasive Abklärungen wegen vermeintlich idiopathischem chronischen Husten zur Folge haben. Bei Warnsymptomen für eine maligne Erkrankung oder Hinweisen für seltene Lungenerkrankungen soll hierbei auch die Notwendigkeit einer früheren Abklärung mit Thorax-CT und Bronchoskopie, die in der Regel am Ende des diagnostischen Algorithmus stehen, definiert werden.

Obere Atemwege: und Hinweise für hohen reflux: Auch Veränderungen im HNO-Bereich können Ursache oder Trigger von chronischem Husten sein und sollten laut Leitlinie vorher abgeklärt werden. Der historische Begriff „Post Nasal Drip Syndrom“ wurde durch das sogenannte „Hustensyndrom der oberen Luftwege“ abgelöst. Häufig liegt eine chronische Rhinosinusitis vor, aber auch Veränderungen im Larynx und der Stimmlippenfunktion können erfasst werden. Unter anderem können bei der Larynxinspektion auch die Folgen eines laryngopharyngealen Refluxes in Form von Rötungen, Schwellungen und Ätzspuren gesehen und eine „Laryngitis gastrica“ diagnostiziert werden. Die laryngealen Symptome sind dadurch erklärbar, dass die teilweise massiven Reizungen und Schleimhautverätzungen besonders auf den Sphinktermechanismus des Kehlkopfes einwirken. Sie erhöhen die Verschlussspannung, bewirken den quälenden Reizhusten und sorgen auch für eine Beeinträchtigung der Stimmfunktion.

Reflux als Ursache für Husten: Erst in der nächsten Abklärungsstufe würde man bei anamnestisch erhobenen Refluxbeschwerden (Sodbrennen, Regurgitation) und chronischem Husten probatorisch einen PPI in doppelter Standarddosis geben. In Abhängigkeit vom Alter des Patienten und Dauer der Symptome wird man in der Regel zu diesem Zeitpunkt bereits eine Gastroskopie empfehlen.
Husten ist als klassisches extraösophageales Symptom bei Reflux beschrieben. Der kausale Zusammenhang ist weiterhin ungeklärt. Es werden in erster Linie zwei Mechanismen als Ursache für Husten postuliert: (a) Bei der Reflextheorie wird Husten auf reflektorischem Wege über Reizung sensibler Vagusfasern im distalen Ösophagus ausgelöst. (b) Bei der Aspirationstheorie, wie im HNO-Bereich bereits erwähnt, reicht die Regurgitation von Flüssigkeit und Mageninhalt bis in den Pharynx. Dies führt lokal zu Reizungen im Bereich der oberen Atemwege und es sind auch echte Flüssigkeitsaspirationen in die unteren Atemwege mit Hustenreaktionen beschrieben. Es husten jedoch keinesfalls alle Refluxpatienten. Laut neuen Erklärungsmodellen wird Reflux als aggravierender und auslösender Faktor betrachtet, der nur dann Husten auslöst, wenn die Reaktivität des Hustenreflexes pathologisch gesteigert ist. Des Weiteren muss in vielen Fällen von einer zufälligen Koexistenz von häufigen Erkrankungen ausgegangen werden. Laut Kohortenstudien kann Reflux-bedingter Husten bei der Hälfte der Patienten auch ohne Sodbrennen auftreten. Um dies zu untersuchen, kann eine weiterführende Refluxdiagnostik mittels Gastroskopie, pH-Metrie und Manometrie erfolgen. Gemäß dem aktuellen Konsensusbericht hat eine breite gastroenterologische Untersuchung bei diesen Patienten jedoch nur eine schwache Evidenz. Nebst der 24-h-pH-Metrie ermöglicht die moderne Impedanz-pH-Metrie/ Manometrie einen präziseren Nachweis der Flüssigkeitsregurgitation (sauer und nicht-sauer!) bis in die proximale Speiseröhre. Computerbasiert kann durch neue Technologien die funktionelle Einheit Magen-Ösophagus-Larynx/ Pharynx in ihrer Gesamtheit besser charakterisiert werden. Es bleibt abzuwarten, welche Daten zum mildsauren Reflux (ph > 6) als mögliche Hustenursache hierbei erhoben werden. Die mechanistische Basis für den mildsauren Reflux sind entsprechende Rezeptoren im laryngotrachealen Bereich.

Therapeutische Möglichkeiten: Prinzipiell gehören zur Behandlung der GORD Lebensstilmodifikation, medikamentöse und chirurgische Therapien. In unkontrollierten Studien sind nebst Besserung von gastrointestinalen Symptomen auch Besserung von Husten für all diese Maßnahmen beschrieben worden. Metaanalysen von randomisierten kontrollierten Studien betreffend GORD und chronischem Husten liegen nur zum Einsatz von PPIs vor. Es bestehen zwar Korrelationen zwischen distalem und laryngopharyngealem Reflux und Säureexposition und Husten, jedoch ist die therapeutische Säuresuppression mit PPIs nicht immer erfolgreich. Eine rezente Cochrane-Metaanalyse mit gepoolten Daten von 6 PPI-Studien bei Erwachsenen mit chronischem Husten, welche PPIs über 2 bis 3 Monate mit Placebo verglichen haben, zeigte betreffend Besserung des chronischen Hustens in der Gesamtheit keinen signifikanten Unterschied, im Gegensatz zu einzelnen Kohortenstudien und Subgruppenanalysen.2 Limitierend müssen kleine Fallzahlen, klinische Heterogenität bzgl. Rekrutierung der Patienten, unterschiedliche Dosierungen und Untersuchungszeiten sowie fehlende Standardisierung der Endpunkte erwähnt werden. Nebst Placebo- Effekten weisen diese Daten mechanistisch auf eine mögliche Bedeutung des mildsauren Refluxes, wie in pathophysiologischen Untersuchungen bereits mehrfach nachgewiesen wurde. Unklar ist auch, ob das Refluxvolumen oder Bestandteile des Refluxes wie beispielsweise Pepsin ätiologisch wichtig sind. Des Weiteren könnte eine gesteigerte zentrale Hustenempfindlichkeit trotz Wegfallens des Triggers fortbestehen, was auch Gegenstand aktueller Studien ist.
Trotz der rezenten Metaanalyse ist aufgrund des Leidensdruckes der Patienten eine empirische Therapie weiterhin gerechtfertigt. Im individuellen Fall ist der Nachweis der Kausalität des Refluxes letztlich der therapeutische Erfolg durch eine Antirefluxbehandlung. Hierzu wird allgemein eine doppelte Standarddosis PPI empfohlen. In der Regel ist bereits nach wenigen Tagen eine maximale Säuresuppression erreicht und die Empfehlung, drei Monate und mehr probatorisch zu behandeln, kontrovers zu sehen. In einigen Studien wurden erste Therapieerfolge nach 5 bis 12 Tagen gesehen, allerdings waren die meisten Studien auf eine Therapiedauer von 8 bis 12 Wochen konzipiert. Eine Antirefluxoperation (laparoskopische Nissen-Fundoplicatio) ist lediglich eine Option, wenn ein einwandfreier Nachweis des pathologischen Refluxes und ein medikamentöses Therapieansprechen über 6 Monate gezeigt wurde. Die Bedeutung des nicht-sauren Refluxes als Hustenursache mit Indikation für eine chirurgische Maßnahme ist nicht ausreichend belegt.

Dieser Beitrag entstammt einer DFP-Veranstaltung zum Thema chronischer Husten, interdisziplinär abgehalten von ao. Univ.-Prof. Dr. C. Kähler, ao. Univ.-Prof. Dr. J. Löffler-Ragg (beide SP Pneumologie, MU Innsbruck), o. Univ.-Prof. Dr. W. Vogel (Gastroenterologie und Hepatologie, MU Innsbruck) und o. Univ.-Prof. Dr. H. Riechelmann (Universitätsklinik f. Hals-Nasen-Ohren- Heilkunde, MU Innsbruck).

FACT-BOX

• GORD und Reflux per se sind mit chronischem Husten assoziiert. es bleibt kontrovers, ob diese Ursache oder Trigger dar stellen.
• Aufgrund der Komplexität der möglichen Ursachen von chronischem Husten empfiehlt sich eine Abklärung laut Leitlinien. Bei Patienten mit normalem Thoraxröntgen und normaler Lungenfunktion sollten insbesondere Krankheitsbilder mit eosinophiler Entzündung in den unteren Atemwegen und Pathologien im HnOBereich ausgeschlossen werden, da diese in der Regel eine gute Behandlungsoption haben.
• die Besserung von chronischem Husten bei Refluxpatienten durch PPIs ist sehr limitiert und kann im Einzelfall durch eine Therapie in doppelter Standarddosis untersucht werden.

1 Kardos P. et al., Pneumologie 2010; 64:336-373
2 Chang A. et al., Cochrane Database Syst Rev 2011 Jan 19; (1):CD004823