Publikationen zufolge ist das Auftreten einer Retinopathie bei Diabetikern nur eine Frage der Zeit. Je später die Stoffwechselerkrankung manifest wird, umso später kann sie zu einem den Visus beeinträchtigenden Problem werden (Abb. 1). Die Entstehung einer Katarakt beobachtet man bei Diabetikern wesentlich früher als bei Gesunden. Das richtige Management der Vielzahl von möglichen Augenveränderungen, die mit zunehmendem Alter zusätzlich auftreten können, stellt Ophthalmologen vor eine Herausforderung.
Immer noch zählen Veränderungen am Augenhintergrund zu den häufigsten Komplikationen von Diabetes mellitus. Eine in Wisconsin durchgeführte epidemiologische Studie fand bei Diabetikern beispielsweise für das diabetische Makulaödem eine 10-Jahres-Inzidenz zwischen 13,9 % und 25,4 % (Klein et al., Ophthalmology 1995). Im klinischen Alltag stellt die Therapie der verschiedenen Formen der diabetischen Makulopathie für den Augenarzt immer wieder eine große Herausforderung dar, handelt es sich doch um nur eine spezifische Ausprägung einer komplexen, systemischen Erkrankung. Neue Entdeckungen im Bereich der bildgebenden Diagnostik ermöglichen inzwischen die Früherkennung von beginnenden diabetischen Veränderungen der Netzhaut, andererseits bieten neue Therapieansätze die Möglichkeit, verschiedene Formen der diabetischen Makulopathie individuell und gezielt zu behandeln.
Ursache der diabetischen Makulopathie ist – wie in allen anderen Organen – die Glykosilierung der Basalmembran der Gefäße, die einerseits zur Ischämie des umgebenden Gewebes, andererseits zum Ablauf von Entzündungskaskaden führt. Erste Opfer der Ischämie sind die die Kapillaren umgebenden Perizyten. Als Folge der Apoptose der Perizyten erweitern sich die betroffenen Gefäße massiv und bilden in der Fundoskopie sichtbare, intraretinale Mikroaneurysmen. Im weiteren Verlauf bricht die Blut-Retina-Schranke lokal zusammen, und es kommt zur Exsudation von Lipiden, Lipoproteinen und Plasma. Aus osmotischen Gründen schwillt die Netzhaut an, Ischämie und entzündliche Prozesse schreiten immer weiter fort und verstärken sich gegenseitig.
Beim diabetischen Makulaödem, einer bereits massiven Ausprägung der diabetischen Makulopathie, kommt es dann durch die massive zystenartige Anschwellung der Netzhaut zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Sehvermögens, die therapeutisch mit zunehmender Dauer immer schwerer in den Griff zu bekommen ist.
Kommt es aufgrund der Ischämie zur Neovaskularisation, besteht immer das Risiko einer Glaskörperblutung oder der Fibrosierung der Gefäße, die im schlimmsten Fall wiederum zu einer traktiven Netzhautabhebung führen kann.
Neben der seit vielen Jahren eingesetzten Angiographie, in der man die Exsudation aus Gefäßen bzw. Aneurysmen exakt beurteilen kann, gewinnt in den letzten Jahren die optische Kohärenztomographie (OCT) in der Diagnostik der diabetischen Makulopathie immer mehr an Bedeutung (Abb. 2). Vereinfacht gesagt ist OCT das optische Pendant zu dem auf der Akustik basierenden Ultraschall. Laserlicht wird in das Auge geschickt, Reflexionen aus dem Auge mit einem Referenzstrahl verglichen und letztendlich ein exaktes, der Histologie ähnliches Schnittbild der Netzhaut durch den Computer errechnet. Auf diese Weise erhält man auch eine dreidimensionale Darstellung des gescannten Bereichs, was vor allem für die Beurteilung und Quantifizierung von Therapieeffekten von großer Bedeutung ist.
Goldstandard in der Therapie des Makulaödems war bis vor Kurzem noch die Lasertherapie. Ziel der Lasertherapie des diabetischen Makulaödems ist die Koagulation von Mikroaneurysmen und eine diskutierte Aktivierung des Pigmentepithels, die insgesamt zu einer gesteigerten Resorption des Ödems führt. Dazu werden mehrere schwachenergetische Laserherde auf Mikroaneurysmen und/oder in ödematös veränderte Netzhautareale zirkulär um die Fovea gesetzt. Der Effekt setzt erst nach mehreren Tagen bis Woche ein und kann mit dem OCT klinisch verfolgt und quantifiziert werden.
Der neu etablierte Standard ist die intravitreale Medikamentenapplikation (IVOM) von monoklonalen Antikörpern, die an verschiedenen Punkten der Freisetzung und Produktion des Wachstumsfaktors Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) ansetzen. Beim diabetischen Makulaödem führt eine intravitreale Injektion von z. B. Ranibizumab zu einer messbaren signifikanten Abnahme des Ödems. Dieser Effekt ist allerdings in den meisten Fällen nur zeitlich limitiert.
Für diese Indikation noch nicht zugelassen, aber seit längerer Zeit weltweit in klinischer Verwendung sind Kortisoninjektionen, die einen raschen Ödemrückgang bewirken, jedoch Nebenwirkungen, wie z. B. eine Augendruckerhöhung oder die Entwicklung einer Katarakt haben können. Eine multizentrische Studie hat zwar eine Wirkung dieser Therapieform nachweisen können, jedoch gleichzeitig gezeigt, dass hinsichtlich der funktionellen Ergebnisse die Lasertherapie der Kortisontherapie langfristig überlegen ist (Diabetic Retinopathy Clinical Research Network, Ophthalmology 2008).
Im Fall von Komplikationen infolge einer Neovaskularisation stehen inzwischen von einer Entfernung des Glaskörpers bis hin zur Sanierung einer traktiven Netzhautablösung neue chirurgische Verfahren zur Verfügung, die zumindest eine Stabilisierung der Situation bewirken können. Die Prognose für das Sehvermögen ist in derart fortgeschrittenen Fällen jedoch eher eingeschränkt.
Bei Diabetikern tritt offensichtlich aufgrund einer gestörten Stoffwechsellage des Linsengewebes eine Trübung der Linse (Katarakt) wesentlich früher auf als bei Gesunden. Die Operation der Katarakt stellt jedoch angesichts der sehr fortgeschrittenen Verfahren und der ausgereiften chirurgischen Technik kein Problem mehr dar.
Signifikante diabetische Augenveränderungen treten bei Typ-2-Diabetes üblicherweise nicht erst im Alter, sondern in den meisten Fällen ab der vierten Dekade auf. Das bedeutet, dass eher die Dauer der Erkrankung von Bedeutung ist als das Alter des Patienten. Nichtsdestotrotz können angesichts der inzwischen deutlich gestiegenen Lebenserwartung von Diabetikern oder aufgrund der sehr späten Erstmanifestation von Diabetes andere altersassoziierte Augenerkrankungen wie ein Glaukom oder eine altersbedingte Makuladegeneration (AMD) hinzukommen. Ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer AMD infolge von diabetischen Netzhautveränderungen konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.