SPECTRUM ONKOLOGIE: Im Update wird festgehalten, dass Kliniker die Inzidenz der Nausea häufig unterschätzen. Wie gehen Sie dieses Problem in der klinischen Praxis an?
Univ.-Prof. Dr. Thomas Bauernhofer: Es ist aus meiner Sicht richtig, dass Nausea als Nebenwirkung weniger erfasst wird als Emesis. Im klinischen Alltag bildet die Frage nach dem Befinden ein bis drei Wochen nach der Chemotherapie die Wirklichkeit nicht ab, da es den meisten Patienten zu diesem Zeitpunkt wieder gut geht. Es ist daher notwendig, eine genaue Anamnese sowohl hinsichtlich Nausea als auch hinsichtlich Emesis am Tag der Verabreichung sowie in den Tagen unmittelbar danach zu erheben. Nur dadurch ist eine Erfassung von chemotherapieassoziierten Nebenwirkungen möglich.
Welches Vorgehen empfehlen Sie, wenn Nausea und/oder Emesis trotz optimaler Prophylaxe auftreten bzw. anhalten?
Es ist von entscheidender Bedeutung, schon vor der ersten Verabreichung eine Einschätzung des emetischen Risikos der geplanten Therapie (Mono- bzw. Polychemotherapie, Eintages- oder Mehrtagestherapie) vorzunehmen sowie die Anamnese im Hinblick auf ein individuell erhöhtes Risiko (Reiseübelkeit, Hyperemesis gravidarum, Alkoholkonsum, schlechte psychische Verfassung, Angst vor der geplanten Therapie) zu erfassen. Danach sollte die antiemetische Prophylaxe laut ASCO-Guidelines angeboten werden. Bei Patienten mit positiver Anamnese hinsichtlich Nausea und Emesis sollte auch bei moderat emetogenen Substanzen unbedingt die Kombination Aprepitant bzw. Fosaprepitant, 5-HT3- Blocker und Dexamethason am Tag 1 gewählt werden. Bei manchen Patienten hält die Übelkeit trotz optimaler Prophylaxe länger an – dann sollte entweder Aprepitant nach dem Tag 2 weitergegeben oder die Dexamethason-Gabe in absteigender Dosierung verlängert werden.
Wie gestaltet sich das Management der antizipatorischen Nausea/Emesis?
Wichtig ist eine genaue Aufklärung des Patienten über das mögliche Auftreten akuter und verzögerter Symptome sowie über die prophylaktisch wirksamen Medikamente vor Einleitung einer Chemotherapie. Die Präparate sollten bereits vor der ersten Therapie rezeptiert werden, sodass der Patient bei Behandlungsbeginn damit ausgestattet ist und über den Einnahmemodus Bescheid weiß. Wenn möglich sollte bei psychischer Belastung schon vor der Therapieeinleitung eine psychoonkologische Beratung erfolgen. Sollten trotz all dieser Maßnahmen antizipatorische Nausea und Emesis auftreten, hat sich der Einsatz von Benzodiazepinen (z. B. Lorazepam) bereits am Abend vor und am Morgen der geplanten Chemotherapie bewährt. Neuroleptisch und antihista – minisch wirkende Substanzen (z. B. Levo – mepromazin, Nozinan®, oder Hydroxyzin, Atarax®) können in dieser Situation zusätzlich hilfreich sein.