Nach einer jahrelangen Phase eines regelrechten Wettrüstens unter den geburtshilflichen Abteilungen war zuletzt ein deutlicher Rückzug aus der Pränataldiagnostik festzustellen. Dies hatte freilich neben forensischen auch strukturelle Ursachen, verschlingt doch die qualitätsgesicherte PND (flächendeckendes Screening) erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen. Es ist zu erwarten, dass der Ausstieg der größten Einrichtung für Geburtshilfe eine gewisse Signalwirkung für die letzten verbliebenen Abteilungen hat, die PND anbieten. Pränataldiagnostik im Sinne eines Screenings wäre dann reine Privatsache, also ein Vorsorgeprogramm für eine betuchte Klientel, schätzungsweise 10 bis 20 % der Schwangeren würden diese Leistung privat einkaufen.
Spontan neigt man dazu, diese Behauptungen zu bejahen, jedenfalls wollen wir uns in aller Deutlichkeit von derartigen Entwicklungen distanzieren und uns entsprechend zur Wehr setzen, natürlich für unsere Patientinnen.
Spitz formuliert würde es bedeuten, dass ärmere Menschen mehr kranke Kinder hätten, und dieser Schluss wäre zulässig, wenn das Outcome in der gescreenten Population deutlich besser wäre.
In Ermangelung wirklich guter Zahlen für Österreich lässt sich wohl kaum der Nutzen der Pränataldiagnostik für das Gesundheitswesen quantifizieren. Insofern gleichen diesbezügliche Prognosen einer Sturmvorhersage, die keine Aussage darüber machen kann, wie groß am Ende des Tages der Schaden sein wird.
In den letzten Jahren lag unser Fokus rund um PND auf forensischen Implikationen, gestatten Sie mir einmal eine Betrachtung aus einem ganz anderen Blickwinkel. Wer profitiert von Screeninguntersuchungen, die relativ undifferenziert darauf ausgelegt sind, Auffälligkeiten aller Art festzustellen?
Eltern profitieren im Sinne der Patientenautonomie, da PND eine Entscheidungshilfe ist; dies wurde höchstgerichtlich bestätigt und ist außer Streit. Weiters profitieren Eltern und Kinder im Falle einer therapeutischen Konsequenz einer Früherkennung (selten). Der Wert für die Gesellschaft ist nur bescheiden, weil ausschließlich der Benefit der Früherkennung einer behandelbaren Erkrankung ins Kalkül gezogen werden darf.
Eltern, Kind und Gesellschaft profitieren im Rahmen der Sekundärprävention, wenn durch den Einsatz von Ultraschallmarkern die Triage und eine risikoadaptierte Betreuung ermöglicht wird.
„Non compos mentis“ (nicht Herr seiner Sinne) – könnte man meinen. Da führen wir in unserer Machbarkeitseupho- rie seit Jahrzehnten Untersuchungen durch, die möglicherweise am Ende kaum Verbesserungen bringen, und erkennen dies erst, wenn der Geldhahn abgedreht wird.
Nein! So stimmt das natürlich auch nicht, denn eines haben wir übersehen: Beruhigung hat auch einen Wert, einen fundamental wichtigen noch dazu und mit zunehmender Verängstigung steigt der Wert beruhigender Maßnahmen.
Wenn dem so ist, werden wir in Zukunft alle Hände voll zu tun haben, unsere Schwangeren zu beruhigen, denn eines ist uns in zwei Jahrzehnten PND zweifellos gelungen, nämlich Ängste zu verbreiten, die wir (und nur wir!) auch gleich wieder mit geeigneten Untersuchungen auflösen können oder besser gesagt: konnten, denn jetzt scheint ein „Screening“ der Vergangenheit anzugehören. Es wird Zeit, darüber nachzudenken, ob nicht eine „erweiterte Ultraschalluntersuchung“, die deutlich über die Anforderungen an einen MKP-Ultraschall hinausgeht und ebenso deutlich unter den Erwartungen an ein Stufe-II-Screening bleibt, in jeder Praxis angeboten werden sollte, mit dem Ziel, einerseits die entstandene Versorgungslücke zu schließen und andererseits die nötige Beruhigung für die Betroffenen herbeizuführen.
Dr. Michael Elnekheli
*Die Entscheidung wurde kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe zurückgezogen und auf unbestimmte Zeit verschoben