Die primäre Infektion mit VZV verursacht Varizellen, eine weit verbreitete, bei Kindern zumeist komplikationslos verlaufende Erkrankung. Eine Reaktivierung desselben Virus, das in den Ganglien lebenslang persisiert, führt zu Herpes zoster.
VZV-Infektionen sind nur beim Menschen pathogen, die Übertragung des hochkontagiösen Virus erfolgt durch Tröpfcheninfektion. In der Pubertät beträgt der Durchseuchungsgrad bis zu 90 %, in höherem Alter etwa 95 %. Nur bei 5–7 % der Frauen im gebärfähigen Alter (16.–40. Lebensjahr) sind keine VZV-Antikörper zu finden.
Eine VZV-Infektion in der Schwangerschaft ist mit einer Frequenz von 1–5/10.000 Schwangerschaften ein relativ seltenes Ereignis, allerdings ist sie aus mehreren Gründen gefürchtet:
Varizellen in der frühen Schwangerschaft und kongenitales Varizellensyndrom (CVS): Eine mütterliche Varizelleninfektion in der Schwangerschaft hat bei negativem Antikörper ein erhöhtes Risiko eines kongenitalen Varizellensyndroms (CVS). Zwischen SSW 1 bis 12 liegt das Risiko bei 0,4 %, zwischen SSW 13 bis 20 steigt das Risiko auf ca. 2 % an. Das CVS ist ein sehr seltenes Ereignis, jedoch die Schädigungen beim Ungeborenen sind schwerwiegend:
Seronegative Mütter sollten daher bei Varizellenkontakt bis zur 21. SSW (aus Sicherheitsgründen und bei Terminunklarheit bis zur 22./23. SSW) innerhalb von 72 Stunden, längstens jedoch innerhalb von 96 Stunden nach Kontakt eine passive Prophylaxe mit VZV-Immunglobulin erhalten. Aufgrund der hohen Kosten des Immunglobulins soll vor Verabreichung die fehlende VZVImmunität serologisch bestätigt sein. Bei rechtzeitiger Applikation des Immunglobulins können sowohl ein Ausbruch von Varizellen als auch das durch eine mütterliche Infektion gefürchtete kongenitale Varizellensyndrom verhindert werden.
Varizellen in der Schwangerschaft nach der 23. SSW: Bei mütterlicher Infektion nach der 23. SSW ist in der gesamten Weltliteratur kein Fall von konnatalen Varizellensyndrom bekannt. Aus fetaler Indikation sind daher keine Therapiemaßnahmen erforderlich. Da der Krankheitsverlauf jedoch bei der Mutter und generell im Erwachsenenalter schwerer als im Kindesalter verläuft, ist aus mütterlicher Indikation eine Therapie mit Acyclovir indiziert. Je nach Schweregrad sollte diese Therapie unter Umständen auch i. v. verabreicht werden. Entsprechend der einschlägigen Literatur ist eine antivirale Therapie mit Acyclovir nicht mit einer Steigerung von fetalen Fehlbildungen assoziiert.
Varizellen um den Geburtstermin, neonatale Varizellen: Mütterliche Varizellen in der peripartalen Phase, also 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Geburt, führen häufig bei Neugeborenen zwischen dem 5. und 10. Lebenstag zu einer disseminierten Varizelleninfektion mit einer ausgesprochen ungünstigen Prognose (Letalität bis zu 20 %). Bei diesen Neugeborenen kommt es zu schwerer beatmungspflichtiger Pneunomie, weshalb die Entbindung an einer Abteilung mit angeschlossener Intensivneonatologie stattfinden sollte. Bei länger als 5 Tage vor der Geburt zurückliegender Infektion führen mütterliche Antikörper, die transplazentar übertragen werden oder auch in weiterer Folge durch die Muttermilch übertragen werden, zu einem Schutz des Neugeborenen. Jedoch sind auch diese Kinder postpartal durch eine entsprechende Neonatologie zu überwachen.
Prophylaxe: Prinzipiell soll bereits vor einer Schwangerschaft über die Anamnese oder auch durch eine serologische Untersuchung der Varizellenstatus bekannt sein. Bei seronegativen Frauen wird vor der Schwangerschaft, im Sinne eines „Prepare for Pregnancy“ eine aktive Varizellenimpfung empfohlen. Spätes tens jedoch in der Schwangerschaft sollte der Varizellenstatus bekannt sein, um bei seronegativen Frauen bzw. Schwangeren mit negativer Anamnese eine Expositionsprophylaxe zu gewährleisten.
Bei Herpes zoster in der Schwangerschaft (Inzidenz ca. 0,5/10.000 Schwangerschaften) sind weder kongenitale Embryopathien noch perinatale Infektionen zu erwarten. Die Therapie ist entweder mit Acyclovir oder symptomatisch durchzuführen.