Peniler Lichen sclerosus und Lichen planus gehören zu den chronisch entzündlichen Hauterkrankungen, die in jeder Altersgruppe auftreten können, also bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Der Lichen sclerosus manifestiert sich bevorzugt in der anogenitalen Region, wobei bei Männern fast ausschließlich der Penis betroffen ist. Häufig wird die definitive Diagnose eines Lichen sclerosus erst im fortgeschrittenen Stadium nach Zirkumzision gestellt, wenn Patienten wegen fortgeschrittener Knopflochphimose, narbiger Phimose, abgeschwächtem Harnstrahl und/oder Meatusstenose und dadurch verbundenen erheblichen Einschränkung der Lebensqualität medizinische Hilfe suchen. Klinisch präsentiert sich der Lichen sclerosus mit Bildung weißer, glatter, sklerosierter Plaques im Bereich der Glans Penis und an der Umschlagfalte der Vorhaut mit unregelmäßiger Pigmentierung, Verstreichen des Hautreliefs, Verlust der Elastizität der Vorhaut sowie einer beginnenden Phimose. Der Lichen planus ist eine Systemerkrankung, mit Manifestationen an der behaarten Haut, Nägeln und Schleimhäuten mit einer anogenitalen Beteiligung von etwa 25 %. Er ist durch gruppierte, je nach Stadium hautfarbene/ lila/rote/weißliche Papeln am Penisschaft, an der Vorhaut und Glans penis charakterisiert. Der Lichen planus breitet sich (im Gegensatz) zum Lichen sclerosus auch auf die distale Urethra aus. Besonders schmerzhaft ist die erosive, auf leichte Berührung blutende Form des Lichen planus an der Glans penis und distalen Urethra. Chronische Regeneration und Wundheilung führen zu Verklebungen, narbigen Veränderungen und Stenosen. Symptome in den frühen Krankheitsphasen waren insgesamt eher gering. Die Patienten berichteten hauptsächlich über Juckreiz, Sensibilitätsstörungen und Schmerzen (vor allem) beim Geschlechtsverkehr durch Einrisse im Bereich des Präputiums und durch abheilende Rhagaden. Die meisten Patienten berichteten über keine nennenswerte Beeinträchtigung des Sexuallebens, außer gelegentlichem Vermeidungsverhalten. Nur in ganz seltenen Fällen berichten Patienten über ernsthafte Beeinträchtigungen durch Depressionen. Ein 45-jähriger Lichen-sclerosus-Patient mit konkomitanter Psoriasis ist seit Jahrzehnten in psychotherapeutischer Betreuung wegen Ausdehnung der Plaques auf die Haut des Penisschaftes, was eine Resektion der befallenen Penishaut und eine Hauttransplantation vom Oberschenkel zum Penis erforderte. Ein 24-jähriger Patient mit fortgeschrittenem Lichen planus versuchte die Phimose selbst durch chirurgische Automanipulation zu behandeln.
Komorbiditäten mit anderen Autoimmunerkrankungen: Sowohl der Lichen sclerosus wie auch der Lichen planus werden als eine lokale reaktive Immundysregulation/ Autoimmunerkrankung verstanden. Die Anzahl der Lymphozyten im Gewebe bestimmt die Aktivität beider Erkrankungen und die Zytokinsekretion ist für die Gewebszerstörung und die klinischen Manifestationen verantwortlich. Viele der Patienten haben eine erhöhte Assoziation mit T-Lymphozyten vermittelten systemischen Autoimmunerkrankungen wie Vitiligo und Psoriasis, aber auch Autoimmunerkrankungen mit organ- und krankheitsspezifischen Autoantikörpern. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis wird das Schilddrüsenparenchym durch autoreaktive T-Lymphozyten/Autoantikörper gegen Thyreoperoxidase und Thyreoglobulin zerstört. Am Anfang der Krankheit besteht oft eine Hyperthyreose, die sich im weiteren Verlauf zu einer Hypothyreose mit den klinischen Symptomen Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Verlust der Libido entwickelt. Die Autoimmungastritis geht mit der Bildung von Autoantikörpern gegen Belegzellen und den „Intrinsic Factor“ einher, der für die Resorption von Vitamin B12 nötig ist. Ein Vitamin-B12-Mangel kann Anämie, Thrombozytopenie, Leukozytopenie, Störungen der Zellregeneration an Schleimhäuten sowie neurologische Symptome verursachen.
Penile Dermatosen Ambulanz: Seit 2 Jahren werden Männer nach Zirkumzision und einer histologischen Diagnose eines Lichen sclerosus und Lichen planus in der „Penile Dermatosen Ambulanz“ der urologischen Klinik der Medizinischen Universität Graz betreut. 399 Männer (179 Patienten 2009; 220 Patienten 2010) zwischen 15 und 83 Jahren wurden wegen einer Phimose an der Urologischen Klinik Graz, Medizinische Universität Graz sowie an der urologischen Tagesklinik am LKH Fürstenfeld zirkumzidiert. Alle Vorhäute werden histologisch untersucht. In 214/399 (54 %) der Patienten wurde die Diagnose eines Lichen sclerosus (n = 87) bzw. Lichen planus (n = 127) gestellt. In Österreich gibt es keine Richtlinien für ein spezifisches Screening von Komorbiditäten in Patienten mit anogenitalen Dermatosen. Deshalb wurden die„Guidelines for the management of lichen sclerosus“ der Britischen Society of Dermatology (Br J Dermatol, 2010; 163:672-682) übernommen. U. a. wurde Blut auf das Vorliegen von Autoantikörpern gegen Thyreoperoxidase, Thyreoglobulin und Parietalzellen untersucht. Bei pathologisch erhöhten Titern erfolgte eine entsprechende internistische Abklärung. Von 124 der 214 Patienten mit Lichen sclerosus und Lichen planus liegen derzeit Screeningdaten vor. 25/124 Patienten (20 %; 8 Lichen sclerosus, 17 Lichen planus) hatten eine Hashimoto-Thyreoiditis. Bei 4 Patienten war sie im Vorfeld bekannt, bei 21 Patienten wurde die Hashimoto-Thyreoiditis durch pathologisch erhöhte Autoantikörper gegen TG (18/21; 12 Lichen planus, 6 Lichen sclerosus) und gegen TPO (3/21; 1 Lichen sclerosus, 2 Lichen planus) während des Screenings entdeckt. 17/21 der neu diagnostizierten Patienten mit okkulter Hashimoto-Thyreoiditis waren hypothyreot und mussten mit Schilddrüsenhormonen substituiert werden. Insgesamt 21/124 Männer (17 %; 10 Lichen sclerosus, 11 Lichen planus) hatten pathologisch erhöhte Autoanti körper gegen Parietalzellen. Nach Gas troskopie und Biopsie wurde bei 7 Männern mit Lichen sclerosus und 9 Patienten mit Lichen planus eine Autoimmungastritis diagnostiziert. Alle 16 Autoimmungastritiden waren Erstdiagnosen. Vier Männer litten sowohl an Hashimoto-Thyreoiditis als auch an einer Autoimmungastritis. Viele der betroffenen Männer mit Komorbiditäten klagten anamnestisch über längere Zeit anhaltende chronische „unspezifische“ Symptome wie Magenschmerzen, Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Antriebslosigkeit, die jedoch nicht als „Sexualstörung“ empfunden und interpretiert wurden. Komorbiditäten mit z. T. substitutionspflichtiger Hashimoto-Thyreoiditis und Autoimmungastritis wurde bei einem Drittel der Lichen-sclerosus- und Lichenplanus-Patienten diagnostiziert, davon waren 80 % Erstdiagnosen im Rahmen der Nachsorgeuntersuchung.
Assoziation mit Peniskarzinomen: Eine ebenfalls weit unterschätzte Komplikation der penilen Dermatosen ist die maligne Entartung. Österreich gehört zu den Ländern mit einer geringen Inzidenz des Peniskarzinoms. In den letzten 20 Ja hren wurden in der Steiermark 130 Peniskarzinome diagnostiziert. Etwa 40 % dieser Peniskarzinome entstanden unabhängig von einer transformierenden Infektion durch humane Papillomviren. Zwei Drittel dieser HPV-negativen Karzinomen waren mit Lichen sclerosus und etwas ein Drittel mit fortgeschrittenem, meist unbehandeltem Lichen planus assoziiert. Diese Karzinome entwickeln sich über eine hochdifferenzierte intraepitheliale Läsion, die sog. differenzierte penile intraepitheliale Neoplasie (d-PeIN). Die d-PeIN gilt als aggressive Vorstufe mit schnellem Fortschreiten zu invasivem Karzinom in oft weniger als 6 Monaten. Der Lichen planus war bei einigen Männern seit Jahren bekannt, und einige wurden deswegen 2–3 Jahre vor Karzinomentwicklung zirkumzidiert.
Auffällig war die hohe Aktivität innerhalb des Lichen planus und der Lichen-planus-assoziierten Peniskarzinome. Das entzündliche Infiltrat enthielt T-Lymphozyten mit monoklonal rearrangiertem T-Zell-Rezeptor-Gamma-Lokus. Sowohl im Lichen sclerosus wie auch im Lichen planus wurden bis zu 20 % T-Lymphozyten mit monoklonal rearrangiertem T-Zell-Rezeptor-Gamma-Lokus beschrieben. Man könnte spekulieren, dass die klonale Ansammlung zu einem Verlust der Rezeptorvielfalt der tumorinfiltrierenden Lymphozyten führt und dadurch eine insuffiziente Tumorabwehr entsteht. Dieses monoklonale T-Zell-Infiltrat könnte das schnelle Fortschreiten einer d-PeIN zu invasivem Karzinom in oft weniger als 6 Monaten und auch den hohen Prozentsatz von pT2- und pT3-Karzinomen innerhalb der HPV-negativen Karzinome erklären. Männer mit penilem Lichen sclerosus und Lichen planus sollten engmaschig kontrolliert werden, um die Entwicklung suspekter Läsionen frühzeitig zu erkennen. 40 % HPV-negative Plattenepithelkarzinome, die auf dem Boden einer fortgeschrittenen Dermatose entstehen, stellen einen hohen Prozentsatz an potenziell vermeidbaren Karzinomen dar, die durch eine frühe Therapie eines Lichen sclerosus und Lichen planus, z. B. hochdosiertes Kortison und Immunmodulatoren, womöglich verhindert werden können.
Take Home Message
Im Frühstadium der penilen Dermatosen Lichen sclerosus und Lichen planus stehen Sexualstörungen im Hintergrund. Erst eine zunehmende Phimose mit narbiger Stenose, Meatusstriktur und die erosive Form des Lichen planus führen zu ernsthaftem Verlust der Lebensqualität mit Sexualstörungen.
Sexualstörungen bei Männern mit penilen Dermatosen sind – insbesondere am Anfang der Erkrankung – nur zum Teil durch die organbezogenen penilen Veränderungen bedingt. Allgemeinsymptome wie Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Lustlosigkeit inklusive Verlust der Libido waren auf die zumeist okkulten assoziierten Systemerkrankungen zurückzuführen.
Eine histologische Untersuchung der Zirkumzisionspräparate mit Abklärung des Patienten auf zusätzliche systemische Autoimmunerkrankungen nach Stellung der Diagnose Lichen sclerosus oder Lichen planus sollte unbedingt erfolgen.