Nierenbeteiligung bei Kollagenosen

Die Nierenbeteiligung bei Kollagenosen, ihre Einteilung, die Genese und schließlich die optimale Therapie sind Gegenstand intensiver Diskussionen und zahlreicher klinischer Studien, zumindest was den SLE betrifft. Dieser Artikel soll sich auf das Wesentliche beschränken und eventuell sogar praktischen Nutzen für den Leser haben. Es werden hier auch nur primäre, krankheitstypische Manifestationen der Kollagenosen in der Niere behandelt. Selbstverständlich können Kollagenosepatienten auch Nierenfunktionseinschränkungen aus anderen, nicht unmittelbar mit der Grundkrankheit verbundenen Gründen haben, und selbstverständlich kann es auch zu einer Nierenfunktionsstörung nach langer NSAR-Einnahme kommen. Hier soll jedoch lediglich in aller gebotenen Kürze die Lupusnephritis, die Nierenkrise bei Sklerodermie und die interstitielle Nephritis beim Sjögren-Syndrom behandelt werden.

Lupusnephritis

Formen und Einteilung

Es gibt verschiedene histologische Formen der Glomerulonephritis (GN) mit unterschiedlich schlechter Prognose, die bei etwa der Hälfte aller Lupus-Patienten auftreten können. Sie war vor Verfügbarkeit der Hämodialyse die häufigste Todesursache und ist immer noch potenziell lebensgefährlich. Da sich die unterschiedlichen histologischen Formen klinisch gleich manifestieren können, aber eine unterschiedliche Therapie erfordern, hat die Nierenbiopsie mehr als nur akademischen Wert. Im Glomerulum kommt es nach der Ablagerung von Immunkomplexen zur lokalen Entzündungsreaktion, in der proinflammatorische Zytokine eine wichtige Rolle spielen. In der Folge wird der glomeruläre Filter geschädigt und auch für große Moleküle wie Proteine durchlässig, die dann im Harn anfallen und nachgewiesen werden können. Als Zeichen der akuten Nephritis erscheinen auch Leukozyten und/oder Erythrozyten im Sediment; typisch für das Harnsediment bei GN sind „granulierte Zylinder“: Sie entstehen, wenn Leukozyten oder Erythrozyten in der Enge des Nierentubulus mit Proteinen zusammengepresst werden, und imponieren als längliche, gekörnte Stückchen in der mikroskopischen Analyse. Die richtige histopathologische Zuordnung der GN ist für die weitere Therapie und Prognose von zentraler Bedeutung, weshalb die Nierenbiopsie der Goldstandard in der Diagnose der GN ist. Die Einteilung und Klassifizierung der Lupus-GN ist Gegenstand intensiver Debatten, wobei die ursprüngliche WHOKlassifikation mehrfach modifiziert wurde. Übersichtsmäßig werden sie unterschieden in die mesangiale GN (Klasse II), die fokal-segmentale (III) und diffus proliferative GN (IV) und die membranöse GN (V) sowie ein Endstadium (Klasse VI). Die Art der Nephritis ist wesentlich von der Lokalisation der Immunkomplexe abhängig; Mischformen kommen vor. Die mesangiale und membranöse GN haben generell eine bessere Prognose als die proliferativen Formen (WHO III und IV) und als das Spätstadium mit chronischen Schäden. Die proliferativen Lupus-GN (III und IV) unterscheiden sich eigentlich nur durch die Anzahl der betroffenen Glomeruli (< oder > 50 %), sie sind häufig die Ursache für eine ausgeprägte Proteinurie.

Klinik und Diagnose

Die Proteinurie entwickelt sich meist erst über die Zeit, auch schwere Lupus-Nephritiden zeigen sich initial nicht notwendigerweise mit starker Proteinurie. Trotzdem sollte man nicht zu lange mit einer Biopsie warten, weil gerade in diesem frühen Stadium ein Behandlungserfolg mit völliger Wiederherstellung der Nierenfunktion am aussichtsreichsten ist. Oft sind Patienten jedoch schon bei der Erstdiagnose klinisch auffällig und klagen über Beinödeme, Dyspnoe, schäumenden Harn etc. und haben meist auch andere typische Manifestationen des SLE. Wichtig bei der Beurteilung einer Nierenbeteiligung ist, neben dem Anstieg der Retentionsparameter im Serum (Kreatinin, BUN, Kreatinin-Clearance), das Harnsediment (granulierte Zylinder, Leukozyturie, Erythrozyturie) und die Quantifizierung der Proteinurie (24-Stunden-Harn, Protein-Kreatinin-Ratio).

Klassische Therapie in Kürze Die intravenöse Gabe von Cyclophosphamid (CYC, Endoxan®) ist grundsätzlich die Therapie der Wahl bei schwerer Organbeteiligung des SLE (wie Glomerulonephritis, Pneumonitis, Neurolupus). Der Schlüssel zur Therapie der Lupusnephritis ist die Nierenbiopsie, die Therapie selbst gliedert sich danach in die Induktions- und Erhaltungstherapie.

Proliferative Formen der Lupus-GN (WHO III und IV): Zur Behandlung ist in der Regel die intravenöse Gabe von CYC indiziert. In erster Linie wird an unserer Klinik das modifizierte NIH-Schema nach Contreras1 angewendet, bestehend aus einer Induktionstherapie mit bis zu 7 Zyklen i. v. Cyclophosphamid, begleitet von einer Therapie mit Steroiden. Zusätzlich erhalten die Patienten ACE-Hemmer; im Falle von jungen Patientinnen haben wir uns entschlossen, GnRHAnaloga zur gonadalen Protektion zu applizieren. Die Wichtigkeit, die ovarielle Funktion unter CYC zu erhalten, die sinnvolle Theorie dahinter und die bisherigen guten Ergebnisse haben hier die eher bescheidene Datenlage überwogen (Tabelle). Bei Erfolg der Induktionstherapie schließt sich die Erhaltungstherapie mit wahlweise Azathioprin (AZA) oder Mycophenolat Mofetil (MMF) und oralen Steroiden an (Tabelle). Weitere Therapiemöglichkeiten und andere CYC-Schemata werden weiter unten besprochen. Bei Kontraindikation gegenüber einer CYCTherapie, bei Unverträglichkeit oder ungenügender Wirksamkeit sind die Immunadsorption, Rituximab oder MMF mögliche alternative Behandlungskonzepte bzw. Ergänzungen.

Die mesangiale GN (WHO II) ist meist nur mit Glukokortikoiden und ohne Immunsuppression therapierbar.

Die membranöse GN (WHO V) ist in der Regel nicht CYCpflichtig und spricht gut auf Glukokortikoide und ggf. eine Immunsuppression mit MMF oder AZA an.

Weitere Anmerkungen und weitere Therapiemöglichkeiten

Einige Bemerkungen zu Cyclophosphamid (CYC): Studien zur Behandlung der Lupusnephritis sind oft schwer zu vergleichen, weil sie unterschiedliche Endpunkte haben, unterschiedliche Patientengruppen behandeln, unterschiedliche Begleitmedikationsschemata verwenden. Bzgl. CYC kann man in Zusammenschau der Literatur in aller Kürze Folgendes sagen:

• Steroide sind wirksam in der Behandlung der Lupusnephritis;

• CYC + Steroid ist wirksamer als Steroid allein, allerdings ist der Nachbeobachtungszeitraum wichtig (Endpunkt war hier terminales Nierenversagen);

• CYC-Bolustherapie ist zumindest gleich gut wie CYC oral (wobei Ersteres eine niedrigere kummulative Dosis hat);

• monatlich CYC i. v. + Steroid (7 Boli über insgesamt 6 Monate), gefolgt von AZA oder MMF (modifiziertes NIH-Schema) ist besser als CYC i. v., gefolgt von CYC i. v. alle 3 Monate (ursprüngliches NIH-Schema);

• CYC i. v. als 6-mal Minibolus (200 mg i. v. alle 2 Wochen; EUROLUPUS-Schema) ist nicht unterlegen gegenüber dem ursprünglichen NIH-Schema, hat aber auch keine signifikanten Vorteile gezeigt (allerdings eine niedrigere kumulative CYC-Dosis). EUROLUPUS wurde nicht gegen das modifizierte NIH-Schema getestet4 (restliche Literatur beim Verfasser).

CYC ist eine hochwirksame, immunsuppressive Substanz mit gewissem Nebenwirkungsprofil, weshalb alternative Behandlungsmethoden grundsätzlich zu begrüßen sind, sofern sie ausreichend wirken. CYC hat kurzfristige Nebenwirkungen (wie Übelkeit, Haarausfall, Leukopenie) und bei hoher kumulativer Dosis auch Langzeitnebenwirkungen (Verlust der gonadalen Funktion, Blasenkarzinom, Kardiotoxizität etc.). Trotzdem begünstigt die Nutzen-Risiko-Abwägung immer noch den Einsatz von CYC, was auch von der EULAR so gesehen wird3.

MMF als Induktionstherapie (AMLS-Studie):MMF (+Steroid) war in der Induktionsphase der Lupusnephritis wirksam, allerdings nicht dem CYC überlegen; und für eine Non-Inferiority-Studie war AMLS statistisch nicht angelegt. In Subanalysen zeigte sich, dass MMF bei Afroamerikanern tendenziell besser zu wirken scheint als CYC. Ebenso dürften Südostasiaten von MMF vermehrt profitieren (hierzu gibt es auch zahlreiche Publikationen der Gruppe um C. C. Mok aus Hongkong).

Immunadsorption und Biologika

Bei Versagen der klassischen Therapie mit CYC oder bei Kontraindikation gegenüber CYC zeigten Behandlungskonzepte, die auf die Reduktion der B-Zellen oder deren Produkte abzielen, auch bei manifester Organbeteiligung gute Wirkung. Sowohl die extrakorporale Immunadsorption (IAS oder auch IgG-Apherese), bei der (Auto-)Antikörper und Immunkomplexe selektiv herausgefiltert werden, als auch der monoklonale Antikörper Rituximab (MabThera®) sind erfolgreich bei der Lupusnephritis angewandt worden; grundsätzlich können diese Therapieformen auch in Kombination mit CYC appliziert werden 4, 5. Für Rituximab gibt es zahlreiche ermutigende Fallberichte und Fallserien, aber eine im Sinne des definierten Endpunkts fehlgeschlagene Studie (LUNAR). Hier dürfte v. a. das Studiendesign mit intensiver Begleitmedikation (MMF und Steroide) und die gewählten Endpunkte für das Ergebnis verantwortlich sein. Schließlich wurde als Folge der Rituximab-Studien (LUNAR und EXPLORER) der SLE Responder Index (SRI) entwickelt, der sich als Verlaufsmarker und Endpunkt besser eignet als die globalen Aktivitätsscores (wie z. B. der SLEDAI). Diesen Vorteil nutzend waren schließlich die Studien zu Belimumab (Benlysta®, ein Anti-BlyS-AK, BLISS-Studien) erfolgreich, allerdings waren Patienten mit aktiver Lupusnephritis ausgeschlossen.

Sklerodermie-Nierenkrise

Der Fibrosierungsprozess bei der Sklerodermie beschränkt sich oft nicht auf die Haut, sondern kann eine weitgehende Funktionsunfähigkeit innerer Organe zur Folge haben (Lungenfibrose etc.). Die gefürchtetste renale Komplikation ist die Nierenkrise („scleroderma renal crisis“). Die Pathogenese ist noch nicht wirklich geklärt, man nimmt eine Intimaverdickung der Aa. interlobulares und arcuatae als Folge eines Endothelzellschadens an. Die Nierenkrise kommt bei 5–10 % der Patienten vor und geht mit plötzlich einsetzender massiver arterieller Hypertonie einher (RR > 150/85 mmHg), begleitet von einer mehr als 30%igen Reduktion der glomerulären Filtrationsrate. Obwohl sich die Mortalität seit dem Einsatz von ACE-Hemmern dramatisch gesenkt hat (von 42 % auf 6 %), ist die Nierenkrise immer noch eine gefürchtete Komplikation, die rasches Handeln erfordert. Die Therapie der Wahl sind hochdosierte ACE-Hemmer, Ca- Kanal-Blocker können zusätzlich gegeben werden, wenn ACEHemmer nicht ausreichend genug sind, den Blutdruck zu senken. Von einigen Autoren wird intravenöses Iloprost zur Verminderung von mikrovaskulären Veränderungen empfohlen. Patienten mit der diffusen kutanen Form der SSc und Patienten mit Steroidtherapie haben ein erhöhtes Risiko, eine Nierenkrise zu erleiden6.

Primäres Sjögren-Syndrom

Eine interstitielle Nephritis ist selten, einzelne Fälle von Glomerulonephritis wurden berichtet. Da die interstitielle Nephritis schleichend verläuft, sind regelmäßige Untersuchungen der venösen Blutgase sinnvoll, zumal die interstitielle Nephritis auf Grund des Rückgangs der Bikarbonat-Produktion zunächst nur zu einer metabolischen Azidose führt.

1 Contreras G, Pardo V, Leclerq B, Lenz O, Tozman E, O’Nan et al., Sequential therapies for proliferative lupus nephritis. N Engl J Med 2004; 350(10):971–980.

2 Houssiau FA, Vasconcelos C, D’Cruz D, Sebastiani GD, Garrido Ed Ede R, Danieli MG, Abramovicz D, Blockmans D, Mathieu A, Direskeneli H, Galeazzi M, Gül A, Levy Y, Petera P, Popovic R, Petrovic R, Sinico RA, Cattaneo R, Font J, Depresseux G, Cosyns JP, Cervera R, Immunosuppressive therapy in lupus nephritis: the Euro- Lupus Nephritis Trial, a randomized trial of low-dose versus high-dose intravenous cyclophosphamide. Arthritis Rheum. 2002 Aug; 46(8):2121–31

3 Bertsias GK, Ioannidis JP, Aringer M, Bollen E, Bombardieri S, Bruce IN, Cervera R, Dalakas M, Doria A, Hanly JG, Huizinga TW, Isenberg D, Kallenberg C, Piette JC, Schneider M, Scolding N, Smolen J, Stara A, Tassiulas I, Tektonidou M, Tincani A, van Buchem MA, van Vollenhoven R, Ward M, Gordon C, Boumpas DT, EULAR recommendations for the management of systemic lupus erythematosus with neuropsychiatric manifestations: report of a task force of the EULAR standing committee for clinical affairs. Ann Rheum Dis. 2010 Dec; 69(12):2074–82. Epub 2010 Aug 19.

4 Stummvoll GH, Schmaldienst S, Smolen JS, Derfler K, Biesenbach P, Lupus nephritis: prolonged immunoadsorption (IAS) reduces proteinuria and stabilizes global disease activity. Nephrol Dial Transplant. 2011 May 26. [Epub ahead of print]

5 Díaz-Lagares C, Croca S, Sangle S, Vital EM, Catapano F, Martínez-Berriotxoa A, Hernández FG, Callejas-Rubio JL, Rascón J, D’Cruz D, Jayne DW, Ruiz-Irastorza G, Emery P, Isenberg D, Ramos-Casals M, Khamashta MA, The UK-BIOGEAS Registry. Efficacy of rituximab in 164 patients with biopsy-proven lupus nephritis: Pooled data from European cohorts. Autoimmun Rev. 2011 Oct 18. [Epub ahead of print]

6 Renal complications and scleroderma renal crisis. Denton CP, Lapadula G, Mouthon L, Müller-Ladner U, Rheumatology (Oxford). 2009 Jun;48 Suppl 3:iii32–5. Review.