In der rheumatoiden Arthritis (RA) produzieren B-Zellen Autoantikörper (Ak) wie den Rheumafaktor (RF), der gegen den Fc- Teil von Immunglobulin G (IgG) gerichtet ist. Die Bindung an den Fc-Teil ermöglicht die Ausbildung von Immunkomplexen, deren Ablagerung über die Aktivierung der Komplementkaskade zur Entzündungsreaktion führt. RF können gegen alle 4 IgG-Subklassen gerichtet sein, wobei Lymphozyten im peripheren Blut von RA-Patienten eine Selektivität für IgG1 und IgG2 aufweisen, Lymphozyten des Synovialgewebes hingegen vorwiegend gegen IgG3 gerichtet sind. Der Nachweis von Immunkomplexen im Synovialgewebe und eine Verminderung der Komplement-Komponenten weisen auf eine Mitbeteiligung von RF an der Entzündungsreaktion1.
RF-Autoantiköper selbst habe jedoch keine pathogene Wirkung2.
Zweitens können B-Zellen als antigenpräsentierende Zellen (antigen presenting cells; APC) fungieren, wobei es derzeit nicht klar ist, ob ihre Bedeutung in der Ingangsetzung oder in der Aufrechterhaltung der Immunantwort liegt. Untersuchungen in Mausmodellen der RA lassen aber vermuten, dass B-Zellen eher eine Rolle in der Effektorphase der Erkrankung als in der Priming-Phase zukommt3. Nicht zuletzt werden verschieden Zytokine (wie z. B. IL-4 und IL-10), die in die Entzündungsreaktion der RA involviert sind, durch aktivierte B-Zellen produziert2.
Autoreaktive B-Zellen/Plasmazellen produzieren bei Kollagenosen wie dem systemischen Lupus Erythematodes (SLE) die für die Erkrankung charakteristischen Autoantikörpern, die an der Vermittlung der Organ- und Zellschädigung beteiligt sind. Typisch für den SLE sind in erster Linie die gegen nukleäre Bestandteile gerichteten Autoantikörper. Prominenteste Vertreter sind Autoantikörper gegen dsDNA, die auch als Marker (ACRKriterium) für den SLE dienen. Neben diesen sind Anti-SmD1- IgG zu nennen, die hochspezifisch für den SLE sind, des Weiteren Anti-Histon-Ak, Anti-Chromatin-Ak und Anti-Nukleosom-Ak. Neben den antinukleären Antikörpern tritt ein breites Spektrum von Autoantikörpern auf, wobei viele dieser Autoantikörper wahrscheinlich keine direkte pathogene Funktion haben, sondern lediglich Epiphänomene der Immunreaktion darstellen. Bei einer Reihe von Autoantikörpern ist jedoch davon auszugehen, dass sie direkt an der Vermittlung der Zell- und Gewebsschädigung beteiligt sind: Dazu gehören Anti-dsDNA-Ak, Anti-SmD1-Ak, Anti-Phospholipid-Ak, Anti-Neuronale-Ak, Anti-Lymphozyten/Erythrozyten/ Thrombozyten-Ak und Anti-Ro-Ak4. Neben der Autoantikörperproduktion sind B-Zellen auch bei Kollagenosen als APC an der Pathogenese beteiligt. Autoreaktive B-Zellen können über die Präsentation von Autoantigenen autoreaktive T-Zellen aktivieren und anhand von Knock-out- Mäusen wurde gezeigt, dass B-Zellen als APC für die Pathogenese des SLE unentbehrlich sind. Ferner können B-Zellen auch in Kollagenosen durch die Produktion von Zytokinen Einfluss auf die Pathogenese der Erkrankung nehmen5.
Rituximab ist ein chimärer monoklonaler Antikörper gegen das Oberflächenmolekül CD20, das auf B-Zellen vom Stadium der Prä-B-Zelle bis zum Stadium der Memory-B-Zelle, jedoch nicht von Stammzellen, Pro-B-Zellen oder Plasmazellen exprimiert wird. Rituximab bewirkt eine transiente, jedoch nahezu komplette Depletion von B-Zellen im peripheren Blut sowie eine partielle Depletion im Knochenmark und im Synovialgewebe.
Rheumatoide Arthritis
Rituximab, in Kombination mit MTX, ist zur Behandlung von erwachsenen RA-PatientInnen, die auf einen oder mehr TNF-Inhibitoren ungenügend angesprochen oder diese nicht vertragen haben, zugelassen. Die Wirksamkeit von Rituximab konnte bei RA-PatientInnen in einer Reihe von klinischen Studien eindrucksvoll nachgewiesen werden 6, 7.
Es konnte gezeigt werden, dass seropositive PatientInnen (insbesondere RF+, weiters Anti-CCP-Antikörper+, oder beides) besser auf Rituximab ansprechen als seronegative PatientInnen. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass das Ausmaß der funktionellen Behinderung zu Therapiebeginn sowie die Anzahl an zuvor verabreichten Anti-TNF-Therapien einen Einfluss auf die Ansprechrate haben8. In der REFLEX-Studie konnte eine signifikante Wirkung von Rituximab bei PatientInnen nach TNF-Versagen in der gegenwärtig zugelassenen Dosierung von 2-mal 1.000 mg i. v. im Abstand von 2 Wochen nachgewiesen werden6. Anschließende Studien (SERENE, MIRROR) haben die Wirkung einer niedrigeren Dosis von 2-mal 500 mg i. v. untersucht und lassenauf eine vergleichbare Wirksamkeit der Dosierung von 2-mal 500 i. v. schließen 9, 10.
Therapieempfehlungen: Gemäß den Empfehlungen von „treat to target“ und der EULAR zum Management der RA sollte bei Patienten, die keine Remission (DAS28 (#1048576#) 2,6, SDAI > 3,3 oder CDAI >2,8) oder zumindest eine geringe Krankheitsaktivität erreichen, eine Wiederholung der Therapie nach zumindest 24 Wochen überlegt werden11. Letztendlich ist das optimale Therapieintervall für die Behandlung mit Rituximab derzeit jedoch nicht endgültig definiert und bedarf weiterer Untersuchungen. Bei regelmäßiger Gabe besteht bei einigen Patienten das Risiko der Übertherapie.
Eine gepoolte Analyse der Sicherheitsdaten mit insgesamt 5.013 Patientenjahren unter Rituximab/MTX-Therapie zeigt, dass die Raten an unerwünschten Nebenwirkungen und schwerwiegender Ereignisse inklusive Infektionen und schwerer Infektionen über mehrere Therapiezyklen stabil bleiben. In einer Metaanalyse waren schwere Infektionen unter Rituximab- Therapie bei RA-PatientInnen nicht häufiger als unter Placebo12. Bisher wurden 6 Fälle einer progressiven, multifokalen Leukoenzephalopathie (PML) unter Rituximab berichtet, was einer Inzidenz von ca. 1 : 20.000 entspricht. Für ein erhöhtes Malignomrisiko unter Rituximab-Therapie gibt es derzeit keine Hinweise.
Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Die bereits eingangs ausgeführte Bedeutung von B-Zellen in der Pathogenese des SLE führte zu hohen Erwartungen für den Einsatz von Rituximab in der Therapie des SLE. Zusätzlich konnte in mehreren Open-Label-Studien die Wirksamkeit von Rituximab in SLE nachgewiesen werden13. Im Gegensatz dazu kamen jedoch zwei Phase-III-Studien bei Patienten mit einer Nierenbeteiligung (LUNAR Trial) und auch bei Patienten ohne eine renale Beteiligung (EXPLORER Trial14) zu einem negativen Ergebnis. Die möglichen Ursachen für das Versagen von Rituximab in beiden Studien sind vielfältig und werden seitdem ausführlich diskutiert.
Begleittherapien: Eines der Hauptprobleme in den EXPLORER- und LUNAR-Trials war möglicherweise der Einschluss von SLE-Patienten, die eine relativ hohe Krankheitsaktivität aufwiesen und daher parallel mit Glukokortikoiden (in mittlerer bis hoher Dosierung) und anderen immunsuppressiven Medikamenten behandelt wurden. Diese Begleittherapien führen jedoch dazu, dass mögliche therapeutische Effekte, sollten sie nicht sehr ausgeprägt sein, nur schwer detektiert werden können. Ein weiteres Problem könnte darin bestanden haben, dass Rituximab nicht – wie in den Open-Label-Trials – mit Cyclophosphamid kombiniert wurde. Ein synergistischer Effekt kann für die beiden Medikamente aus den vorhandenen Daten über Lymphom-Patienten jedoch durchaus angenommen werden.
Der Beobachtungszeitraum der Studien war insbesondere für die Einschätzung eines Effektes auf renale Manifestationen der Erkrankung möglicherweise zu kurz. Gerade eine Änderung wie z. B. der Nierenfunktionsparameters kann bei SLE-Patienten eine Verzögerung von 1 bis zu 2 Jahren aufweisen15 und könnte damit der Erfassung innerhalb der klinischen Studien entgangen sein.
Outcome Measures: Die Einschätzung der Krankheitsaktivität mit Hilfe von Punktewertungen (so genannten disease activity scores wie dem BILAG oder SELENA-SLEDAI-Score) ist vor allem bei Patienten mit einem nichtrenalen SLE problematisch. Generell existiert international dazu derzeit kein Gold-Standard. Die bisher verwendeten Scores scheinen jedoch nicht in der Lage zu sein, Therapieeffekte ausreichend zu detektieren. In Folgestudien werden daher jetzt vor allem Kombinations- Scores wie der „SLE Response Index“ (SRI: eine Kombination aus BILAG, SELENA-SLEDAI und einem patient global assessment, PGA) eingesetzt (siehe Belimumab-Studien), die möglicherweise eine höhere Robustheit in ihrer Aussagekraft erwarten lassen. Alternativ dazu könnten einzelne Organmanifestationen (mukokutane, muskuloskeletale) als Endpunkte verwendet werden.
B-Zell-Resistenz: Eine B-Zell-Depletion im peripheren Blut scheint einfacher erreichbar zu sein als in bestimmten Geweben. Ähnlich wie in der RA könnten daher auch im SLE B-Zellen in manchen Geweben oder Organsystemen eine höhere Resistenz gegenüber einer B-Zell-Depletion aufweisen.
Regulatorische B-Zellen: Auch innerhalb von B-Zellen scheint es – ähnlich wie für T-Zellen – eine Untergruppe zu geben, die bremsend, wahrscheinlich über die Produktion von IL-10, in die Immunantwort eingreifen kann. Eine Repopulation mit regulatorischen B-Zellen nach einer initialen generellen B-Zell-Depletion wurde nach einer Behandlung mit Rituximab diskutiert. Nachdem jedoch in den Studien LUNAR und EXPLORER alle Patienten nach sechs Monaten, unabhängig von ihrem Therapieansprechen, einen zweiten Behandlungszyklus erhielten, könnte diese eventuell hilfreiche B-Zell-Population dadurch eliminiert worden sein.
B-Zellen haben sich in verschiedenen Autoimmunerkrankungen – zumindest teilweise – als valides Target von neuen Therapieansätzen erwiesen. Die Fortschritte auf diesem Gebiet betreffen die Entwicklung neuer Antikörper gegen Oberflächenmoleküle von B-Zellen wie CD20 oder CD22. Diese könnten in Zukunft alleine, oder in Kombination mit Substanzen, die Wachstumsfaktoren von B-Zellen wie BAFF oder APRIL angreifen, eingesetzt werden. Vor Kurzem wurde mit Belimumab ein Antikörper gegen BLyS/BAFF, einen Faktor, der in der Stimulierung und Aktivierung von B-Zellen eine Rolle spielt, zur Behandlung von SLEPatienten zugelassen (siehe Beitrag in der kommenden Ausgabe). Nicht zuletzt scheinen Therapieansätze, die den intrazellulären Signalübertragungsweg in B-Zellen blockieren, eine vielversprechende Therapieform zu sein.
1 Winchester, R.J. & Gregersen, P.K. The molecular basis of susceptibility to rheumatoid arthritis: the conformational equivalence hypothesis. Springer Semin Immunopathol 10, 119–139 (1988).
2 Silverman, G.J. & Carson, D.A. Roles of B cells in rheumatoid arthritis. Arthritis Res Ther 5 Suppl 4, S1–6 (2003).
3 Svensson, L., Jirholt, J., Holmdahl, R. & Jansson, L. B cell-deficient mice do not develop type II collagen-induced arthritis (CIA). Clin Exp Immunol 111, 521–526 (1998).
4 Diamond, B., et al. Moving towards a cure: blocking pathogenic antibodies in systemic lupus erythematosus. J Intern Med 269, 36–44 (2011).
5 Townsend, M.J., Monroe, J.G. & Chan, A.C. B-cell targeted therapies in human autoimmune diseases: an updated perspective. Immunol Rev 237, 264–283 (2010).
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8 Quartuccio, L., et al. Rheumatoid factor positivity rather than anti-CCP positivity, a lower disability and a lower number of anti-TNF agents failed are associated with response to rituximab in rheumatoid arthritis. Rheumatology (Oxford) 48, 1557–1559 (2009).
9 Emery, P., et al. Efficacy and safety of different doses and retreatment of rituximab: a randomised, placebo-controlled trial in patients who are biological naive with active rheumatoid arthritis and an inadequate response to methotrexate (Study Evaluating Rituximab’s Efficacy in MTX iNadequate rEsponders (SERENE)). Ann Rheum Dis 69, 1629–1635 (2010).
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11 Buch, M.H., et al. Updated consensus statement on the use of rituximab in patients with rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 70, 909–920 (2011).
12 Salliot, C., Dougados, M. & Gossec, L. Risk of serious infections during rituximab, abatacept and anakinra treatments for rheumatoid arthritis: metaanalyses of randomised placebo-controlled trials. Ann Rheum Dis 68, 25–32 (2009).
13 Lu, T.Y., et al. A retrospective seven-year analysis of the use of B cell depletion therapy in systemic lupus erythematosus at University College London Hospital: the first fifty patients. Arthritis Rheum 61, 482–487 (2009).
14 Merrill, J.T., et al. Efficacy and safety of rituximab in moderately-to-severely active systemic lupus erythematosus: the randomized, double-blind, phase II/III systemic lupus erythematosus evaluation of rituximab trial. Arthritis Rheum 62, 222–233 (2010).
15 Houssiau, F.A., et al. Immunosuppressive therapy in lupus nephritis: the Euro- Lupus Nephritis Trial, a randomized trial of low-dose versus high-dose intravenous cyclophosphamide. Arthritis Rheum 46, 2121–2131 (2002).