Wachstumsfaktoren und ihre Rezeptoren, vor allem so genannte Rezeptortyrosinkinasen, haben sich in den letzten Jahren zu wichtigen Angriffspunkten für gezielte Krebstherapien entwickelt. Neben dem EGF-Rezeptor („epidermal growth factor receptor“) und dem VEGF („vascular endothelial growth factor“) und seinem Rezeptor, deren Blockade bereits seit einigen Jahren erfolgreich in der klinischen Onkologie eingesetzt wird, gilt auch der FGF-Rezeptor („fibroblast growth factor receptor“, FGFR) als vielversprechendes Target.
Die Situation der FGF-Rezeptoren ist freilich einigermaßen komplex. Insgesamt gibt es vier verschiedene Rezeptoren (FGFR1–4) und nicht weniger als 18 Liganden (FGF1–10, FGF16–23), die diese Rezeptoren unterschiedlich stark aktivieren können. Durch die Bindung der Liganden kommt es zur Dimerisierung der Rezeptoren in der Zellmembran (Abb.) und zur Aktivierung der Kinasedomänen. Über Kinasekaskaden wird das Signal weitergeleitet und in zelluläre Effekte umgesetzt. Die Aktivierung von FGF-Rezeptoren führt je nach Zelltyp zu vermehrter Proliferation, Differenzierung, Zellmigration oder einfach dem Überleben von Zellen, die ohne diese Signale absterben würden. FGF-Signale sind vor allem in der Embryonalentwicklung von entscheidender Bedeutung. Beispielsweise haben Untersuchungen an Mäusen gezeigt, dass FGF10 für die Ausbildung der Lunge von entscheidender Bedeutung ist. Ebenso konnten bei einigen angeborenen Skelettfehlbildungen, wie etwa der Achondroplasie, Mutationen des FGFR3 als Ursache nachgewiesen werden. Einige FGF haben aber auch im erwachsenen Organismus wichtige metabolische Funktionen und wirken hier ähnlich wie Hormone. Beispielsweise spielt FGF23 eine wichtige Rolle im Kalzium- und Vitamin-D-Haushalt, während FGF21 am Glukosestoffwechsel beteiligt ist. Darauf basierend werden verschiedene FGF auch als Therapeutika erprobt, etwa FGF2 zur Stimulierung des Wachstums von Herzmuskelzellen oder FGF18 für die Knorpelregeneration.
Entscheidend für das Interesse der Onkologie an FGF-Rezeptoren war aber die Tatsache, dass bei Krebszellen aus verschiedenen Organen immer wieder auffällige Veränderungen entweder bei den FGF-Rezeptoren selbst oder bei deren Liganden gefunden werden. So gut wie immer führen diese zu einer verstärkten Aktivierung des FGF-Rezeptor-Signalweges. Einerseits war schon seit Langem bekannt, dass Krebszellen im Vergleich zu den meisten normalen somatischen Zellen vermehrt FGF-Liganden produzieren und dabei vor allem auch solche, die ihre eigenen FGF-Rezeptoren aktivieren können. Dieser als autokrine Wachstumsstimulation bezeichnete Prozess liefert einen wesentlichen Beitrag dazu, dass Krebszellen von den Signalen aus ihrer Umgebung unabhängig werden können. Insbesondere für FGF2, das auch als „basic FGF“ bezeichnet wird, konnten bei verschiedenen Karzinomen erhöhte Werte im Serum von Patienten nachgewiesen werden. Andererseits wurden bei mehreren Krebsarten Veränderungen an FGF-Rezeptor-Genen gefunden, die zu einer ligandenunabhängigen, dauerhaften Aktivierung der Rezeptoren führen. So wurden etwa Punktmutationen des FGFR3 bei Harnblasenkarzinomen in über 30 % der Fälle nachgewiesen und chromosomale Translokationen, die zu einer Aktivierung von FGFR3 führen, wurden bei 20 % der Patienten mit multiplem Myelom identifiziert. Aktivierende Punktmutationen wurden auch für FGFR4 bei Rhabdomyosarkomen und für FGFR1 etwa bei Glioblastomen identifiziert. Für besonders großes Interesse sorgte vor 2 Jahren allerdings der Befund, dass in bis zu 20 % aller Plattenepithelkarzinome der Lunge eine Amplifikation von FGFR1 vorliegt. Daraus ergibt sich die Hoffnung, dass erstmals eine molekulare Veränderung bei dieser Form des Lungenkrebses, die primär auf Tabakrauch zurückgeführt wird, identifiziert werden konnte, die auch als Angriffspunkt für gezielte Therapien geeignet ist. Davor identifizierte Veränderungen, die mit spezifischen Inhibitoren therapiert werden können, wie die Mutationen des EGF-Rezeptors oder die Translokation des ALK-Gens, waren hauptsächlich auf Adenokarzinome der Lunge beschränkt. Mit geringerer Frequenz (< 10 %) wurden FGFR1-Amplifikationen auch bei Brustkrebs festgestellt und hier vor allem mit Resistenz gegen Hormontherapie in Verbindung gebracht.
Für das Targeting von FGF-Rezeptor-Signalen stehen ähnlich wie bei anderen Rezeptortyrosinkinasen verschiedene Strategien zur Verfügung (Abb.). Einerseits können monoklonale Antikörper hergestellt werden, die entweder FGF-Rezeptoren oder einzelne FGF binden. Wie etwa Herceptin gegen HER2 oder Cetuximab gegen den EGF-Rezeptor sind solche Antikörper sehr spezifisch und können, wenn sie an die Oberfläche der Krebszellen binden, auch zu einem besseren Erkennen der Krebszellen durch das Immunsystem beitragen. Antikörper gegen Liganden wie FGF2 verhindern hingegen die Bindung dieser Liganden an ihre Rezeptoren und damit deren Aktivierung, also das gleiche Prinzip, wie es derzeit bei Bevacizumab/Avastin angewendet wird, um die Bindung von VEGF an den VEGF-Rezeptor zu blockieren. Eine weitere Möglichkeit, die bei den Liganden ansetzt, sind so genannte „ligand traps“. Dabei handelt es sich um künstlich applizierte Teile der extrazellulären Domänen von FGF-Rezeptoren, die die Liganden abbinden und diese somit von den Rezeptoren auf der Zelloberfläche fernhalten.
Tyrosinkinaseinhibitoren: Die andere Strategie, FGF-Rezeptoren zu blockieren, stellen Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) dar. Diese binden zumeist an die ATP-Bindungsstelle der Rezeptoren und blockieren dabei deren Kinasefunktion. Aufgrund der nahen Verwandtschaft innerhalb der Rezeptortyrosinkinasen sind die meisten der vorhandenen Inhibitoren allerdings nicht völlig spezifisch für nur einen Rezeptortyp. Manche blockieren mehrere der 4 FGF-Rezeptoren und wieder andere neben FGF-Rezeptoren auch noch andere Rezeptortyrosinkinasen. Aufgrund der besonders engen Verwandtschaft ist eine gemeinsame Aktivität gegen FGF-Rezeptoren und VEGF-Rezeptoren häufig. Diese Kombination ist auch klinisch/biologisch von besonderem Interesse, da FGF neben VEGF auch eine sehr starke Wirkung auf die Neoangiogenese haben. Inhibitoren von FGF-Rezeptoren könnten also eine doppelte Wirksamkeit entfalten, einerseits durch die Blockade von Wachstums- und Überlebenssignalen der Tumorzellen und andererseits durch eine Hemmung der Neoangiogenese. Speziell dieser antiangiogene Effekt könnte bei dualen Inhibitoren (also FGR-Rezeptor plus VEGF-Rezeptor) besonders ausgeprägt sein.
Biomarker: Für alle genannten Targeting-Strategien gibt es zahlreiche präklinische Untersuchungen, die deren Wirksamkeit nahelegen und für viele davon auch bereits Substanzen in der klinischen Erprobung (Tab.). Ein wesentlicher Schritt für die weitere Entwicklung wird die Frage sein, ob es möglich ist, Biomarker zu definieren, die eine hohe Ansprechwahrscheinlichkeit erwarten lassen. Beispielsweise legen präklinische Untersuchungen nahe, dass die Amplifikation von FGFR1 beim Plattenepithelkarzinom der Lunge eine hohe Sensitivität gegen FGF-Rezeptor-Inhibitoren zur Folge hat. Ähnliche Daten liegen auch für weitere Krebsarten mit genetischen Veränderungen von FGF-Rezeptoren vor. Dies würde bedeuten, dass die ständige Aktivierung von FGF-Rezeptor-Signalen auch eine Abhängigkeit der Tumorzellen von diesen Signalen erzeugt, wie es für andere Onkogene gezeigt und als Phänomen der „oncogene addiction“ beschrieben wurde. Ob sich dies allerdings auch in einem guten klinischen Ansprechen niederschlägt, bleibt bis zum Vorliegen entsprechender Studienergebnisse abzuwarten. Eine andere wichtige Frage, die derzeit noch nicht beantwortet werden kann, ist die Kombinierbarkeit mit anderen Therapien. Allerdings gibt es auch hier vielversprechende präklinische Daten, die synergistische Effekte in Kombination mit anderen Inhibitoren, etwa jenen gegen den EGF-Rezeptor oder gegen B-raf, beschreiben. Tatsächlich wurden FGF-Rezeptoren auch als wichtige Resistenzfaktoren beschrieben, deren Aktivierung die Blockade anderer Überlebenssignale kompensieren kann.
FGF-Rezeptoren gehören zu jenen Proteinen, die in Krebszellen besonders häufig verändert sind und deren Aktivierung sowohl zur Aggressivität von Tumorzellen als auch zur Neoangiogenese beiträgt. Die Ergebnisse der klinischen Erprobung verschiedener FGF-Rezeptor-Inhibitoren, die in präklinischen Modellen vielversprechende Ergebnisse gezeigt haben, werden derzeit mit Spannung erwartet.